Im Vergleich zu vergangenen Komponistengenerationen stellt sich heute die Frage,
wie weit sind zeitgenössische Musikschaffende von ihrem Publikum entfernt?
Umgekehrt wir auch ein Schuh draus:
Wie hört sich die Musik "für alle" an? Melodien für Millionen? Anbiederung an den Massengeschmack?
Verwildern und zerbrechen die Hypermodernisten nicht aus übersteigerter Selbstbezüglichkeit und fehlinterpretierter Kunstfreiheit zu sehr das, was als Wesenskern kultureller Klangwelten wert und teuer war und noch ist?
Wer definiert, was "als Wesenskern kultureller Klangwelten wert und teuer war und noch ist?"
Du?
Ich?
Die breite Masse?
Oder gar der Komponist?
Oder der Musikkritiker?
Die Umsatzzahlen? ("Hallo, Echo!")
"Alte Musik" muss man eigentlich nicht komponieren, die gibt es schon mehr, als man in einem Leben hören kann.
Das neue, unerhörte, ungehörte, das finde ich mitunter spannender.
Will der Mensch denn eigentlich in der eisigen Kälte düsterer seinsarmer Zwischenwelten hausen, gleichsam den feindlich finsteren leeren interstellaren Weltallräumen?
Hä!? Den Schwulst kann ich leider nicht parsen.
Gibt es nicht einen unhintergehbaren Harmoniegrund im Menschen, ja in der Natur?
Was wir als "harmonisch und "natürlich" empfinden, ist davon abhängig, wo und mit welcher Musik das Individuum sozialisiert wurde.
Klassische arabische, indonesische oder indische Musik funktioniert anders, die Aborigines musizieren anders. Du betreibst kulturelle Bauchnabelschau, wenn Du unsere "westliche" Musik zum Maßstab erklärst und auch noch versucht, daraus allgemeine Charakteristiken abzuleiten.
Ist es nicht die übergeistigte Wut auf das eigene Unvermögen , der selbstverschuldeten Absperrung gegen wärmende Harmonie zu entkommen, die einige Künstler dazu antreibt oft inflationär Formen zu schaffen, die sich ihrer gegenwärtigen Erkennbarkeit weitgehend entziehen?
Du meinst also, wer heutzutage Komposition studiert, kann nicht harmonisch oder "normal" komponieren? Weit gefehlt.
Warum komponiert der Mensch? Es gibt verschiedene Triebfedern.
Eine wäre: Geld verdienen. Dann werde ich meine Werke so gestalten, dass möglichst viele sie kaufen. Im Video ggf. mit wackelnden Hintern nachhelfen, das scheint zu funktionieren.
Oder weil man was zu sagen hat, ein Statemant abgeben will, etwas erzählen will, eine Klangvorstellung im Kopf hat, sich ausdrücken will. Wäre die Frage, in wie weit ich meine Vorstellung anderen unterordnen soll. Wenn ich mich einer fremden Deutungshoheit nicht unterordnen möchte, ist das dann ein ... Gedankenverbrechen?
Ich kenne das ja von Jazz. Die allermeisten aus meinem Bekanntenkreis können damit nichts anfangen, erkennen kein System, keine Strukturen, wissen nicht, was da passiert, es irgendwie "beliebig" und sie können nichts damit anfangen. Als Hochzeitsgeschenk bekamen meine Frau und ich zwei Karten für eine Branford Marsalis-Konzert in Köln. Nach dem Konzert auf dem Weg zur Garderobe meine sie: "Och, das war ja einfach zu hören, man wusste immer, wann der eine Abschnitt zu Ende war und der nächste anfing." Si hatte also - ohne allzuviel Jazzerfahrung, gehört, wann ein Chorus zu Ende war. Eine minute später höre ich in Reihe neben uns, wie jemand sagte: "Ich habe keine Ahnung, was da vorne passiert is. Was für ein Chaos!" Wer hat jetzt Recht!?
Grüße
Häretiker