Um hier auch mal einen späten Senf zu setzen… Der Erfolg von Steinway war in der Unternehmensgeschichte von vielen Facetten und mancher Zufälligkeit abhängig.
Ein wichtiger Aspekt: Die frühen Jahre. Steinway ist ein Kind der Industriellen Revolution. Sie gehören, gehörten zu den stets nur wenigen Firmen, die den aktuellen Stand der technischen Entwicklung betreffs Arbeiten mit Holz UND Arbeiten mit Metallen aktiv verfolgten.
Vor Steinway taten das auch die Firmen Erard und Pleyel als große Manufakturen. Die fabrikmäßig Klaviere in tausenden, ja zehntausenden Stück bauten, im Paris des frühen 19. Jahrhunderts, und die Firma Broadwood in London.
Als dann aber in der Metalltechnologie Mitte des 19. Jahrhunderst nochmal „die Post abging“, betreffs der Entwicklungen beim Stahl und mit Auswirkungen bei den Materialien für die Saiten, da waren diese anderen Firmen schon groß, satt und etabliert. Sie „kümmerten“ sich nicht mehr in der Intensität..
Der damals kleine Steinway aber war hungrig..
Parallel muss man die Sozialgeschichte des Klavieres im Auge behalten. Noch zu Beethovens Zeiten waren Klavier und Cembalo im Wesentlichen ein Vergnügen in den Salons des Adels. Abends mit 10, 25 Mann zusammenzuhocken im Salon.
Mit der industriellen Revolution kamen immer mehr Bürger auch in die Gelegenheit, sich abends zur Freude und Entspannung Musik zu gönnen. Das bedeutete, dass die Säle, in denen Klavier gespielt wurde, größer wurden. Mikrofone und Verstärker gab es noch nicht, also musste das Konzertklavier selber hierzu lauter werden.
Hier kam ein weiterer Zufall hinzu – die maßgeblichen Männer der Steinweg-Steinway-Famiie in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten ALLE ein dickes Hörproblem. Sie suchten intensiv nach Methodiken, mittels neuer Saiten, anderer Hämmer und per gutem Design der Saitenanlage ihre Klaviere sowohl lauter zu machen zum einen, aber zum Anderen im Klang schön zu belassen. Die Menschen, die dies taten und vermochten, waren – in meinen unmaßgeblichen Augen – Genies. Henry junior, und später sein Bruder Theodor. Deren ersterer ein vielleicht bei einem einzelnen Menschen danach niemals mehr erreichtes intuitives Wissen und eine Exzellenz im Bau von Resonanzböden erreichte. Dann sein technisch beschlagener Bruder, der mit einem der besten Physiker seiner Zeit, Von Helmholtz, zusammenarbeitete.
Bei den Hämmern und ihrem Bestreben, den Klang lauter zu bekommen, war auch Glück im Spiel. Bessere, „reichere“ Hämmer bauten die Franzosen, die nach den Patenten von Henri Pape in den 1830er Jahren mit bis zu neun Lagen verschieden dichter Materialien aufwarteten – aber das Vereinfachen, das „Abspecken“ der Pape’schen Komplexität war nicht mit soviel Verlust an Klangqualität verbungen.
Also ging Steinway diesen Weg:
Harten Wollfilz mit Unterfilz. Das ließ sich dann später, als die „Post“ abging zu denn Stückzahlen, auch in hohem Maße automatisieren, wie dann Alfred Dolge als Zulieferer für Steinway etc. bewies, mit Fertigungstechniken, mit denen die Pape’schen bis zu neunlagigen Hämmer niemals hätten hergestellt werden können – deren Fertigung war teuerste Handarbeit unter Verwendung extrem teurer Zutaten…
Die neuen Stahlmaterialien benötigten – um ihre Eigenschaften zu nutzen – immer höher gespannte Saitenanlagen. Hier war die Entwicklung einteiliger gegossener Rahmen maßgeblich – zwar keine Erfindung von Steinway, sondern von Alfred Babcock in Boston bereits in den 1820er Jahren geschehen – für Tafelklaviere, aber die konsequente Umsetzung auch bei Flügeln war eben der entscheidende Schritt, der Vater Heinrich Steinweg und Sohn Henry junior bereits von Anbeginn an bei ihrem Flügelbau gelungen war: schon die ersten Steinway-Flügel von 1856, drei Jahre nach der Firmengründung, wiesen einteilige Rahmen auf, nach einem sehr schlauen „modularen“ Konzept, das auf der Konstruktion der Pariser Erard-Flügel basierte, sehr flott aber entscheidend weiterenwickelt wurde, derweilen Erard quasi „stehenblieb“:.
Ein Konzept, das die beiden Henrys ausbaldowert hatten und einige Jahre lang kaum einer nachbauen konnte - Chickering in Boston konnte das auch, aber dort hatten sie keinenPlan, wie man das hätte besser nutzen können in Verbindung mit dem „scaling“ - Jonas Chickering in Boston war Einzelkämpfer und „konnte“ das Berechnen der Klanganlage und das unendlich mühsame Ausprobieren bis in die winzigen Details guten Klanges schlicht nicht so gut wie die Steinways.
Dann kommen die Punkte hinzu, die schon der Klaviermacher Michael benannte: Kriegseinflüsse. Abgebrannte Holzläger. Lieferfähigkeit.. Vor dem zweiten Weltkrieg war – min. in Europa – Gleichstand: Bösendorfer, Blüthner, Bechstein und Steinway teilten sich die Konzertbühnen. Eine ähnliche Situation in den USA: erst nur Chickering, dann Chickering und Steinway, später Weber und Steinway, dann Mason & Hamlin und Steinway.
„Steinway Artist“… Früher war es so, dass Klavierbauunternehmen Flügel an bekannte Pianisten verschenkten, um im Gegenzug Empfehlungsschreiben der Virtuosen zu bekommen, wie toll das Klavier sei, und diese Empfehlungsschreiben („endorsements“)in der Werbung zu verwenden. Das Weimarer Schlösschen von Franz Liszt muss zu späteren Jahren wie ein Klavierladen gewesen sein. Überall standen Flügel herum, und Franz Liszt schrieb reichlich Dankes- und Empfehlungs-Briefe… , daran sollte es nicht mangeln…
Das veränderte das kaufmännische Genie der Steinway-Familie, William. Er war der erste, der große Tourneen organisierte, zuerst mit Anton Rubinstein um 1872 herum. Später mit Paderewski. Das Verschenken (oder „kostenfreie Zurverfügungstellen“..) von Flügeln an Pianisten endete irgendwann in den 1910er oder 1920er Jahren, das wurde auch Steinway zu teuer.
Heute ist es eine Ehre, als „Steinway Artist“ berufen zu werden. Es gibt keinen Flügel geschenkt, der Steinway Artist hat einen zuhause zu haben.
Egal, wo und wie günstig er den hat erwerben können. Es ist eher eine Art Selbstverpflichtung der Firma, alles zu tun, damit ein „Steinway Artist“ nicht in die Verlegenheit komme, mal auf einer entlegene Bühne auf einem „fremden“ Klavier spielen zu müssen.. Es wird gesagt, dass die Künstler für den Gestellungsservice zu zahlen hätten, aber man darf durchaus annehmen, dass da eine gewisse Variabiltät der Kostenberechnungen drinsitzt…
Wenn der erste Pianist auf dem Gipfel des Mount Everest die Bergsteiger und die Yetis dort bespaßen wird, dann wird das ein Steinway sein, mit dem Hubschrauber dorthin geflogen.
Prügel gibt es nicht, wenn Steinway Artists auf anderen Instrumenten spielen. Die gibt’s nur dann, wenn er einen Steinway hätte haben können, aber den nicht wollte. Es sind schon Pianisten von der Liste runtergeflogen, oder sie wollten selber nicht mehr. Das Steinway-Marketing ist schon teils auch bissl penetrant… Insbesondere der Aspekt des angeblichen Investitions-Charakters, der solange begründbar war, wie Steinway mit Erfolg etwas höhere Preissteigerungen als die Inflationsrate probierte… Das geht aber nicht immer. Auch ein Steinway verliert an Wert.
Und die Sage, dass es unbesehen bei Instrumenten von Bancern nur bei einem Steinway einen Instrumenten-besicherten Kredit gäbe, scheint auch nicht ganz zu stimmen. Faziolis und Bechstein-Flügel werden auch finanziert.
NB OT Daimler sind sehr gute - englische - Limousinen – die jeweiligen Topmodelle der Fa. Jaguar :D
Der Wunsch, andere Spitzenklassenklavierbaufirmen sollten auf den Bühnen „gleich vertreten“ sein?
Definiere „Spitzenklassenklavierbaufirmen“ ….
Aber kaufen muss die Flügel wer… Und da ist immer noch das meist simple Gehabe in den Kulturverwaltungen: „sicher“ ist eben – wegen der Bekanntheit und Verbreitung - der Kauf eines Steinway D. (Und ein Steinway D ist schon ein klasse Instrument.. :D )
Für solch eine Entscheidung ist noch kein Mensch bei Konzerthäusern entlassen worden. Das ist ein bisschen bitter für Blüthner, Bösendorfer, Fazioli, Bechstein, Grotrian, etc. Aber es ist so..
Der teuerste Flügel ist übrigens weder ein Steinway D noch ein Imperial von Bösendorfer noch ein 308er Fazioli – der teuerste ist ein Ravenscroft, eine Spezialfertigung von Amerikanern auf der Basis des Sauter-Konzertflügels aus Spaichingen. Das Ding ist dreimal so teuer wie ein Steinway D. Und die Flügel von Borgato in Norditalien sind auch deutlich teurer – sie haben in der Hälfte der Töne ab Diskant Vierfach-Besaitung.