@ Rolf: Wagner/Gould Meistersinger Ouvertüre, Beethoven/Liszt fünfte Sinfonie, Wagner/Gould Siegfriedidyll und noch paar andere (vgl. die Gouldbiografien, J.Kaiser)
Dazu Originalton Gould: „Wagner sitzt zum Beispiel ja häufig sechs Takte oder mehr auf einem E-Dur-Akkord, und es gibt einfach keine Möglichkeit, das auf dem Klavier nachzuvollziehen, ohne jeglichen Sinn für den Impuls zu verlieren. Liszt greift hier gewöhnlich auf ein Tremolo zurück, was ich nicht ausstehen kann, es klingt so sehr nach Jahrhundertwende. Was ich also gemacht habe, war folgendes ...: Ich habe komplette Stimmen dazu erfunden, die zwar nirgendwo in der Partitur stehen, aber überzeugend wagnerianisch klingen. Es gibt zum Beispiel eine Stelle ziemlich am Anfang des Siegfried-Idylls, wo ein Fis-Dur-Akkord vier Takte lang gehalten wird ... und wenn Sie sich das ... auf dem Klavier gespielt vorstellen, werden Sie merken, daß die tiefen Töne zum Ende der Phrase hin zwangsläufig unhörbar werden. Man kann sie verstärken, man kann sie noch einmal anschlagen, aber ich habe mich dagegen entschieden. Vielmehr habe ich einen Dialog zwischen zwei Hörnern hinten im Orchestergraben erfunden ... die sich gegenseitig nachzuahmen versuchen (singt die beiden Hörner), und so machen sie untereinander weiter, und es ist einfach wunderbar ... Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber es ist wunderbar!“
Geht es hier noch um pianistische Probleme bei der Übertragung und Wiedergabe von Orchesterwerken, so versucht Gould auch eigentlich nicht lösbare pianistische Probleme über die Aufnahmetechnik zu lösen. Es geht um die fünfte Sonate von Skrijabin, die „... beginnt mit einem Triller in der untersten Oktave des Klaviers,unterstützt von einer tritonalen Passage, die als ein Tremolando gespielt wird, und für eine Dauer von etwa zehn Sekunden bewegen sich diese Triller und der begleitende Tritonus die Tastatur hinauf,... bis sie ganz oben angelangt sind, wo in den Noten ein unrealistisches Fortissimo verlangt wird. Man kann natürlich in den oberen Oktaven des Klaviers kein Fortissimo spielen.“
Gould und einige Techniker arbeiteten hier mit vier Reihen von Mikrofonen, die in verschiedenen Abständen vom Instrument aufgestellt waren: Die hinterste weit weg, gegen die Wand und nicht das Instrument gerichtet, die vorderste im Flügel, die anderen dazwischen. „Wir fingen mit den hinteren Mikros an, denen die gegen die Wand gerichtet waren und eine Art entferntes Grummeln, ein ziemlich unheimliches Geräusch, aufnahmen. ... Auf jeden Fall schalteten wir mit jeder höheren Oktave des Klaviers eine weitere Reihe Mikros zu, aber niemals so viele, daß die grundlegende Klarheit des Klangs verlorenging. ... Bei den höchsten Tönen, die Skrijabin ja als Fortissimo gekennzeichnet hatte, die aber nicht Fortissimo gespielt werden können, endete das Ganze schließlich mit einer Art-Tatum-Aufnahmetechnik ...“ (Gemeint ist, mit den Mikros im Flügel, Art-Tatum soll diese Aufnahmetechnik bevorzugt haben). (Zitate aus: Jonathan Cott, Telefongespräche mit Glenn Gould, Berlin 2007, S. 64 f und S. 80 f.)
Soviel zu Goulds Bemühungen, die Aufnahmetechnik in den Dienst der Interpretation zu stellen.
Zurück zum Thema: Wann ist ein Stück fertig?
Wenn es technisch „sitzt“, d.h. technisch (bis auf zufällige Patzer) fehlerfrei im richtigen Tempo unter Beachtung aller wesentlichen Spielanweisungen des Komponisten gespielt werden kann. Damit ist es die Basis für weitere musikalische Feinarbeit – und das kann eine Lebensaufgabe sein, schließlich kommen im Laufe der Zeit neue Stücke, neue Einsichten und vieles andere hinzu.
LG
Pennacken