Wann bin ich mit einem Stück vorerst "fertig"?

  • Ersteller des Themas Debbie digitalis
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Heute dachte ich, dass das Stück jetzt so weit sei, dass ich es unter "gekonnt" ablegen könnte. Aber dann kamen mir beim Üben wieder unzählige neue Ideen und damit wieder Zweifel. Was mir gestern gefiel, stellt mich heute nicht mehr zufrieden.

Hallo Debbie,

Für mich ist das die schönste Phase des Spielens - es gibt noch viel zu entdecken und zu experimentieren und es ist für mich sozusagen das Spielen mit der Musik, das mich reizt. Daher würde ich diese Zeit auch genießen und voll auskosten, losgelöst vom Druck, es vorspielen zu "müssen". Allerdings muß ich gestehen, daß ich die "Freuden" des Vorspielens noch nicht entdeckt habe. :D:D:D

LG, PP
 
ok, abwechslungshalber mal was zum Thema selber:

man kann durchaus vorübergehend "fertig" mit einem Musikstück sein, nämlich dann, wenn man die Voraussetzungen geschaffen hat, es spontan mit jeweils anderer Nuancierung ohne jegliche technisch/klangliche Einbuße zu spielen (das gilt auch für leicht unterschiedliche Tempi) -- gibt es keine technischen und klanglichen Zweifel mehr und hat man mal eine ausdrucksvolle Realisierung hinter sich, dann ist das prima: denn dann ist es zwar vorübergehend fertig, darf und soll aber Anlaß für immer weitere Auseinandersetzung und Vertiefung sein.
 
Zu bedenken wäre vielleicht, daß es sich bei unserem „Endprodukt“ – das (mehr oder weniger) fertige Stück - letztlich um ein flüchtiges Ereignis und nicht um ein jederzeit sichtbares (z.B. Bild) oder greifbares (z.B. Skulptur) Ergebnis handelt. In dieses flüchtige „Endprodukt“ geht neben der Basis, der Vorlage des Komponisten, ja noch manches Andere ein, die individuelle und momentane Auffassung und Verfassung des Spielers z.B.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Auffassung Genn Goulds, dem tatsächlich so etwas wie ein fertiges dauerhaftes Endprodukt vorgeschwebt hat: Die Tonaufnahme (=Tonkonserve), an deren künstlerischer Gestaltung neben dem Pianisten auch die Tontechniker (fast) interpretatorisch mitwirken. Das Endergbnis entsteht (so Glenn Gould) aus dem Zusammenwirken von Spiel und der jeweils eingesetzten Technik, insbesondere den Möglichkeiten, die der Schnitt bietet. Daraus ergibt sich weit mehr, als eine dezente Möglichkeit zur Fehlerkorrektur, vielmehr eine zusätzliche Möglichkeit der Gestaltung – alles mit dem Ziel, eine seiner Vorstellung entsprechende perfekte Interpretation zu erreichen. Nicht zuletzt war sein Rückzug vom Konzertbetrieb ins Tonstudio wesentlich durch solche Überlegungen motiviert.

LG

Pennacken
 
Das Endergbnis entsteht (so Glenn Gould) aus dem Zusammenwirken von Spiel und der jeweils eingesetzten Technik, insbesondere den Möglichkeiten, die der Schnitt bietet. Daraus ergibt sich weit mehr, als eine dezente Möglichkeit zur Fehlerkorrektur, vielmehr eine zusätzliche Möglichkeit der Gestaltung – alles mit dem Ziel, eine seiner Vorstellung entsprechende perfekte Interpretation zu erreichen.
...was u.a. zum nachträglichen einflechten ansonsten unspielbarer zusätzlicher Stimmen führte... das kann nicht so ganz das Gelbe vom Ei sein... ;)
 
Moin!

Zurück zum Off-topic:

Um sehr gut zu sein, gehört großer Spaß an der Sache nun mal essentiell dazu.

[...]

Der Dönerbudenmann ist, wenn er nicht ganz panne in der Birne ist, ja auch nicht beleidigt,
wenn man ihm sagt, daß es beim Kult-Italiener um die Ecke besser schmeckt als bei ihm.

Sehr gut sein und Freude an seiner Arbeit haben - kann auch der Inhaber einer Dönerbude.
Ich kenne eine Würstlbude in einer Großstadt, vor der die Menschen Schlange stehen, nicht nur rülpsende
Stadtstreicher auf dem Weg zum nächsten Flaschbier, sondern soignierte Herren mit Anzug und Krawatte,
Damen im Prada-Kostüm aus den Büros der umliegenden Großbanken und Versicherungen,
die auf die Menus in ihren jeweiligen Kantinen verzichten, weil's beim Imbißbudenmann so gut schmeckt
(eines seiner Geheimnisse ist die Currymischung; er stellt seinen eigenen Curry her).

Das klappt gastronomisch so gut wie künstlerisch. Jeder Dünkel ist hier fehl am Platz.
Man kann in jedem 'Marktsegment' gut sein, als Tanz- und Unterhaltungsmusiker
so sehr wie als Nischen-Jazzer, als auf Diskretion getrimmter Barmusikpianist
(wir hatten das Thema bereits) so sehr wie als exhibitionistische Rampensau.
Ein gut komponierter, einprägsamer und durch keine Endloswiederholung oder Neuinterpretation
totzukriegender Song verdient soviel Hochachtung wie ein gutes Musikstück klassischer Provenienz.

Man muß man allerdings im Vorfeld wissen, daß sich Komplexität und Massentauglichkeit
nur bedingt vertragen. Wer mit wenig massentauglicher Musik zu tun hat -
als Komponist oder Interpret -, darf nicht erwarten, davon leben zu können.
Insofern würde ich Styxens Satz abändern:

Klingt jetzt vielleicht etwas zu wirtschaftlich, aber wenn man nur das macht,
was einem selber Spaß macht, wird man schwerlich den Markt bedienen können.

Wer das tut, was einem Spaß macht, ohne den Markt bedienen zu wollen,
muß sich die Brötchen halt auf andere Art und Weise verdienen.

Gruß, Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@ Echt wahr? Welche Aufnahme ist das?

Hat er gemacht, ich muß aber erwas suchen, bist ich Details finde!

Gould war Technikfreak und hat noch andere Sachen gemacht, z.B., Kunst der Fuge in Quadrofonie, jede Stimme aus einer anderen Ecke!

LG

Pennacken
 
Na, den Titel des Stücks willst Du lieber nicht nennen, was? Komm, rück's raus - Tiersen? Einaudi? Yiruma? :D :D

LG,
Hasenbein

Keiner von denen!

Es geht mir ja auch nicht um ein konkretes Stück (welches auch immer) selbst, sondern darum, wie man zu einem solchen Stück durch das Erlernen desselben in Beziehung gerät.

Man kann natürlich sagen:
Geübt, gelernt, erkannt und damit erledigt - peng, fertig aus Schluss!
- oder nachfragen!!!

LG

Debbie digitalis
 
Hallo Debbi,

spiel es einfach vor...weißt Du, es ist immer so ein Phänomen; wenn man die Sachen spielen kann, gefallen sie einem selbst nicht mehr, weil man die ja nun schon in allen möglichen Variationen bis zum Erbrechen gehört hat. In dem Augenblick ist dann der Zeitpunkt gekommen anderen eine Freude damit zu machen.

Viele Grüße

Styx

Lieber Styx.

wie kannst du jemandem Freude machen, indem du ihm etwas vorspielst, das ihn (den Zuhörer) deiner Ansicht nach zum Erbrechen reizt??? Über soviel schauspielerisches Talent verfüge ich nicht - und ich strebe das auch nicht an!

LG

Debbie digitalis
 

Ich schrieb doch bereits mal an anderer Stelle "dem Bäcker müssen seine Brötchen ned schmecken......."
Klingt jetzt vielleicht etwas zu wirtschaftlich, aber wenn man nur das macht was einem selber Spaß macht, wird man schwerlich den Markt bedienen können.
Styx

Hallo Styx,

wenn ich Bäcker wäre, würde ich nur Brötchen herstellen wollen , die mir schmecken - alle anderen Backwaren gingen mir absolut und sprichwörtlich "gegen den Strich".

LG

Debbie digitalis
 
Hallo Debbie,

Für mich ist das die schönste Phase des Spielens - es gibt noch viel zu entdecken und zu experimentieren und es ist für mich sozusagen das Spielen mit der Musik, das mich reizt. Daher würde ich diese Zeit auch genießen und voll auskosten, losgelöst vom Druck, es vorspielen zu "müssen".
LG, PP

Liebe PP,

ich muss ja nichts vorspielen, ich würde halt mal gern! Aber wenn man sich jahrelang drückt wirds offenbar nicht einfacher! Irgendwie muss man (oder besser ich) sich dann mal aus dem Schneckengehäuse lösen!

LG und danke für deine Antwort!

Debbie digitalis
 
Übrigens, um nochmal auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, Debbie:

In Deinen Beobachtungen und Deinem Tun sehe ich wichtige Ansätze dessen, was man als genuin künstlerisches Musizieren bezeichnen könnte! Du bist also genau auf dem richtigen Weg!

Es gibt kein "fertiges Stück", das wurde hier ja schon wiederholt gesagt; vielmehr ist ein "Stück" ein Vorschlag, wie ein paar Minuten der eigenen Lebenszeit unter Verwendung von Schallwellen erlebt werden können. Dieses Erleben ist per se unvermeidlicherweise immer neu und spontan. Versucht jemand, diese Tatsachen zu ignorieren, indem er so übt, als gäbe es ein "fertiges Stück", das sozusagen wie von einem Tonträger abgespielt werden kann, so tötet er die Musik und ein Stück weit seine eigene Lebendigkeit.

LG,
Hasenbein

Hallo Hasenbein,

das oben Zitierte hast du wunderschön ausgedrückt! Es gibt nichts hinzuzufügen. Danke für deine Antwort!

LG

Debbie digitalis
 
(...)
und ich ein ernstzunehmender professioneller Jazzmusiker. (Verdienen tue ich übrigens locker genug durch Unterrichten und Spielen.)

LG,
Hasenbein


Hasenbein, ich finde es vollkommen in Ordnung, das von Dir hier auch einmal lesen zu können. Die schon fast als "guter Benimm" klassifizierte, in meinen Augen schon krankhafte falsche Bescheidenheit in der Gesellschaft - sie nervt mich langsam an, um ehrlich zu sein. Und dabei sind wir hier in D. noch vergleichsweise gut dran...

Du bist also nicht nur ein "hier-und-da-Spelunken-Jazzer", sondern "ein ernstzunehmender professioneller Jazzmusiker". Nun schön - jetzt weiß ich's und merk's mir auch. Und daß die Kasse stimmt, mag ursächlich damit zusammenhängen, und ist doch ebenfalls wunderbar, und in der Welt der Musik generell ein segensreicher Zustand.
Es ist einfach interessant, was Leute erreicht haben, die hier schreiben. Das rundet das Bild ab, das man durch die Qualität der Beiträge an sich vermittelt bekommt.

So ;) - Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr (hat mein Vadder gern gesagt). Naja, für sich allein nicht ganz richtig. Es ist wichtig, ein gutes Fingerspitzengefühl entwickelt zu haben, in welcher Situation und welchem Umfeld man was sagen und anbringen kann, und auch, in welchem Ton. Und das wurde hier bewiesen.

Peng, aus...

Dreiklang, der von Bescheidenheit nun schon mal gar nichts hält ;);)

Schöne Grüße.
 
bin auch weder Angler, noch Wurm , noch Bäcker

;););)


(...)
allerdings fallen mir ständig wieder neue Sachen auf, dahingehend, wie man die einzelnen Phrasen noch besser dynamisch gestalten könnte.

Heute dachte ich, dass das Stück jetzt so weit sei, dass ich es unter "gekonnt" ablegen könnte. Aber dann kamen mir beim Üben wieder unzählige neue Ideen und damit wieder Zweifel. Was mir gestern gefiel, stellt mich heute nicht mehr zufrieden.

Bei jedem Stück sagt mir das Stück noch was neues.


DD, ich wollte noch sagen, daß ich das alles wirklich wunderbar finde. Die Liebe zur Musik wurde im Fadenverlauf schon angesprochen - ich finde, wenn man so begeisterungsfähig und "musikalisch kreativ und reflexionsfähig" ist, ist da wohl viel Liebe und aufmerksames Zuhören da. Wenn ich es aus irgendwelcher musikdidaktischer Erfahrung heraus untermauern könnte (kann ich leider nicht) würde ich raten, diesen Weg nicht einzustellen, sondern vielmehr voll auszukosten und intensiv zu beschreiten mit diesem Stück - bis der Hunger gestillt ist (kann z.B. sein, daß am Ende drei "Haupt-Versionen" herauskommen).

Ich kann mir vorstellen, anderen geht es genau anders herum - sie wollen eigene kreative Gestaltungsmöglichkeiten finden, und tun sich gerade damit schwer.

Dein Dilemma erkenne ich auch - daß eben "kein Ende in Sicht" ist, und die Sache mit dem Vorspielen wollen/können/müssen...

Ich hoffe, Du wirst eine gute Lösung finden, und alles gute! ;)

Schönen Gruß
Dreiklang
 

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