So, jetzt schreibe ich mal aus der Sicht einer Schülerin, die zwei komplett unterschiedliche Erfahrungen mit Klavierunterricht gemacht hat.
Der eine Lehrer hat mir sehr schwere Stücke gegeben, die er für fertig hielt, wenn ich gerade mal die Töne hintereinander bekommen habe (wenn überhaupt). Es wurde nicht gefeilt, nicht allzu lange an einem Stück gearbeitet, sondern immer wieder etwas Neues begonnen. Begründung: Erwachsene brauchen schnelle Erfolgserlebnisse. Am Anfang fand ich das toll "was ich alles schon spiele", aber schnell habe ich gemerkt, dass NICHTS richtig saß, nichts richtig gut klang und das Stück so schnell vergessen war, dass die Übezeit vorher wirklich verschwendete Lebenszeit war. DIESER Lehrer hat es sich meiner Meinung sehr leicht gemacht.
Der andere Lehrer nimmt leichte(re) und kurze Stücke und lässt mich sehr viel länger daran sitzen. Dafür wird an jeder Phrasierung gefeilt und ganz penibel Takt für Takt erarbeitet, korrigiert, und nochmal korrigiert. Manch einem mag das das öde vorkommen, oder das Gefühl vermitteln, man käme ja nicht voran, weil es wenige, kurze und leichte Stücke sind. Für MICH stellt sich das völlig anders dar: viel lieber spiele ich ein Stückchen aus dem Album für die Jugend oder eine Clementi-Sonatine SCHÖN, als dass ich durch so viele Stücke gejagt werde, dass keines davon sitzt. Die Stücke, die ich so detailliert geübt habe, kann ich nach einem Jahr wieder hervorholen und bekomme sie relativ schnell wieder in die Finger, weil sie eben mal saßen. Das ist bei den oberfläch geübten Stücken nicht der Fall, die musste ich immer komplett neu lernen.
Im Übrigen bin ich ganz froh, wenn es nicht dauernd neuen Stoff gibt, denn nur dann habe ich Zeit, Muße und Spaß, alte Stücke wieder hervorzukramen und aufzufrischen. Und mich dann über den Erfolg zu freuen. Denn es ist ja nicht so, dass ich gezwungen werde, NUR den gerade aktuellen Unterrichtsstoff zu spielen ;). Aber das ist vielleicht auch Charaktersache.
lavendel