Wann auswendig lernen?

Der beste Test, zu prüfen, ob ich ein Stück kenne, ist für mich immer noch das mentale -Durchspielen abseits des Klavieres, wobei ich sehr aufmerksam das gesamte Stück in meinem Kopf mit jeder Faser spiele: Die Noten visualisiere, alles Höre und auch alles greife, wie gesagt nur im Kopf. Sollte ich irgendwo steckenbleiben, so ist das eine Fehlerquelle. dies ist recht anstrengend, spart aber im Endeffekt unheimlich viel Zeit.

Dem kann ich nur zustimmen, aber beim ersten Auswendiglernen da hin zu kommen, war eine ganz schöne Anstrengung!
 
Ich habe gerade Rachmaninoffs Prelude Opus 3 Nummer 2 angefangen. Sechs Noten pro Anschlag und dann noch darauf achten, welche Hand oben liegen muß weil beide Hände übereinander greifen müssen - das schreit nach auswendig Lernen! Gleichzeitig schaue ich mir auch den Harmonieverlauf an.
 
@ klavigen:
Ist dieses mentale Auswendigspielen denn auch effizient, wenn man dabei die Finger (z.B. auf einem Tisch) bewegt und "trocken" mitspielt?
Oder wenn man die Noten vor sich liegen hat?

Übrigens sind für mich beim Mit-Noten-Spielen nicht nur die Noten an sich der Punkt, in dem die Partitur Sicherheit gibt, beinahe genauso wichtig ist der Fingersatz.
Fremde Noten auf dem Pult ohne persönliche Einzeichnungen, Fingersätze und womöglich in anderem Format, Layout oder auf anderem Papier würden mir wohl nur wenig helfen.
 
Auswendig

@Stilblüte,

das ist auch den von dir beschriebenen Fällen sinnvoll. Allerdings gibt zu denken, dass du noch die Fingersätze brauchst. Die sollten doch eigentlich automatisiert sein. Es bleibt eigentlich keine Zeit, sich um sowas zu kümmern, wenn man Musik machen will. Wennn dich auch ein anderes Notenformat irritiert, dann stimmt etwas an deiner Notenlesetechnik nicht. Wir lesen ein Buch in Sinnzusammenhängen und ganzen Sätzen. Ich kann doch auch aus einem Buch vorlesen, dass einen anderen Druck hat, solange es entzifferbar bleibt.
 
Wennn dich auch ein anderes Notenformat irritiert, dann stimmt etwas an deiner Notenlesetechnik nicht.
Das ist zwar etwas offtopic, aber trotzdem die Frage: Wie ist denn die richtige Notenlesetechnik? Mir geht es nämlich genauso wie Stilblüte. Wenn ich ein Stück mit Noten eingeübt habe, bin ich zur Wiedergabe nicht nur auf die blanken Noten, sondern auf das gesamte vertraute Notenbild angewiesen. Das schließt z.B. auch Fingersätze, Notizen oder das Druck-Layout ein. Wenn ich was mit einer Henle-Ausgabe eingeübt habe und man würde mir dann das selbe Stück in einer Peters-Ausgabe vorlegen (oder auch umgekehrt), käme ich erst mal ins Schleudern. Mir scheint, dass es vielen anderen auch so geht.
 
...bin ich zur Wiedergabe nicht nur auf die blanken Noten, sondern auf das gesamte vertraute Notenbild angewiesen...

Das ist eben der Unterschied zum auswendig Spielen einerseits und vom Blatt Spielen andererseits. Wenn man vom Blatt spielt, muß man vorauslesen und zum Beispiel die passenden Fingersätze aus der Erfahrung antizipieren. Du spielst aber nach deinen Notizen und pickst dir da die Informationen heraus, die noch nicht in deinem Gehirn gespeichert und abrufbar sind.

Wennn dich auch ein anderes Notenformat irritiert, dann stimmt etwas an deiner Notenlesetechnik nicht.

Er spielt eben nicht vom Blatt sondern nach seinen Notizen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mir geht es nämlich genauso wie Stilblüte. Wenn ich ein Stück mit Noten eingeübt habe, bin ich zur Wiedergabe nicht nur auf die blanken Noten, sondern auf das gesamte vertraute Notenbild angewiesen. Das schließt z.B. auch Fingersätze, Notizen oder das Druck-Layout ein. Wenn ich was mit einer Henle-Ausgabe eingeübt habe und man würde mir dann das selbe Stück in einer Peters-Ausgabe vorlegen (oder auch umgekehrt), käme ich erst mal ins Schleudern. Mir scheint, dass es vielen anderen auch so geht.

Ja, absolut! Und wenn man dann noch feststellt, daß sich der Notentext immer mal wieder gravierend unterscheidet (andere Noten, andere Artikulation, andere Wendestellen sowieso...), dann kann das echt zur Katastrophe ausarten. Mich würde aber mal interessieren, wieviel der Details bei den Auswendigspielern überhaupt noch existent sind. Klar wissen sie, welche Noten sie spielen müssen - aber wissen sie auch, wie sie sie spielen müssen? Meine Erfahrung ist jedenfalls, daß es Auswendigspieler mit der Texttreue nicht sonderlich genau nehmen. :cool:

Haydnspaß, der militante Nicht-Auswendigspieler
 
Mir geht's auch so, dass eine starke Gewöhnung an den Notentext incl. Handeintragungen da ist - andere Ausgabe, und ich kriege ernste Schwierigkeiten. Man ist eben ein Gewohnheitstier...

Stimme mit Haydnspaß überein bzgl. Textreue-Problemen bei Auswendigspielern. Meine "Repertoire"-Stücke versuche ich auswendig draufzubehalten. Merke aber, dass es mit der Texttreue mit der Zeit immer schlechter wird. Gut wäre sicherlich, von Zeit zu Zeit ein Refresh mit Notentext durchzuführen, um zum Pfad der Tugend zurückzugelangen.

"Militante Nicht-Auswendigspieler" haben aber auch Probleme. Dadurch, dass man am Notentext "klebt" (ich übertreibe natürlich), ist ein Teil der Aufmerksamkeit für das Notenlesen gebunden. Dieser Teil fehlt dann oftmals beim Ausdruck der Interpretation, Auswendigspieler sind hier oftmals freier. Will damit keinem zu nahe treten - aber mir geht es zumindest so.
 
"Militante Nicht-Auswendigspieler" haben aber auch Probleme. Dadurch, dass man am Notentext "klebt" (ich übertreibe natürlich), ist ein Teil der Aufmerksamkeit für das Notenlesen gebunden. Dieser Teil fehlt dann oftmals beim Ausdruck der Interpretation, Auswendigspieler sind hier oftmals freier. Will damit keinem zu nahe treten - aber mir geht es zumindest so.

Ich kann das für meine Person nicht bestätigen. Ich meine, damals bei meiner Aufnahmeprüfung und bei der Abschlußprüfung an der Musikhochschule hab ich ja auch auswendig gespielt - ich denk nicht, daß ich da "freier" gespielt hab - eher im Gegenteil. Ich spiel ja eh allen Leuten zu frei.
 
auswendig

@Mindenblues - @Haydnspass

auch wenn man die Noten zuklappen kann, ist natürlich immer wieder ein "Refresh" nötig. Es schleichen sich überall Fehler ein, die bei erneutem Überarbeiten gesehen werden.

Aber im Ernst mal, wenn ein einigermassen schweres Stück noch davon abhängt, dass man seine Notenausgabe mit den Einzeichnungen, fingersätzuen usw. vor sich hat, das kann doch keinen ordentlichen Vortrag geben. Es bleibt während des Vortrags überhaupt keine Zeit, solche einzelheiten zu lesen und auch noch darauf zu reagieren. Fingersätze usw. müssen eingeübt und quasi automatisiert im "Handgedächtnis" gespeichert sein. Auf der anderen Seite muss man aber auch so flexibel sein, einen neu erarbeiteten, weil verbesserten Fiongersatz dann auch neu zu programmieren. Schüler weigern sich oft, weil sie behaupten, sie könnten sich nicht mehr umstellen. Bei fortgeschrittenen Schülern akzeptiere ich dieses Argument nicht mehr.Und auswendig spielen heisst natürlich, dass man alles genau und texttreu einstudiert hat und auch die eigenen Einzeichnungen verarbeitet hat.

Im übrigen bin ich aber auch ein grosser Verfechter des Vomblatt Spiels, weil man auf diese Weise viel Stücke kennenlernen kann und einen das auch für 4 Hände Spiel und Kammermusik fit macht. Dazu gehört aber auch, dass man Noten eben liest wie einen Musikroman. Nahezu alle bedeutenden Pianisten sind auch hervorragende Blattspieler. Man muss nicht alles auswendig spielen, aber die Stücke, die vorgetragen werden sollen - im Vortragsabend oder gar in einem Konzert - müssen auswendig gespielt werden. Denn von einer Sache bin ich überzeugt: Der auswendige Vortrag, wenn er richtig und gründlich einstudiert wurde, hat immer das höhere Niveau.
 
Denn von einer Sache bin ich überzeugt: Der auswendige Vortrag, wenn er richtig und gründlich einstudiert wurde, hat immer das höhere Niveau.

Lege ich meinen allererbittertsten Widerspruch ein!

Nur weil etwas auswendig gespielt wird, hat es noch überhaupt kein Niveau.

(Das mit dem richtig und gründlich Einstudieren stimmt natürlich, aber das ist ein anderes Thema)
 

Es bleibt während des Vortrags überhaupt keine Zeit, solche einzelheiten zu lesen
Wer redet von Einzelheiten?
Ich rede eher von einem groben Überblick zum einen, und zum anderen davon, dass man doch zu jedem Zeitpunkt beim spielen wissen sollte, wo man sich in den Noten befindet - und ein kurzer Blick da schon einiges retten kann. Evtl kennt man auch "Problemstellen", bei denen man Schwierigkeiten hat, den Notentext sicher auswendig zu spielen.

Auf der anderen Seite muss man aber auch so flexibel sein, einen neu erarbeiteten, weil verbesserten Fiongersatz dann auch neu zu programmieren.
Damit hab ich m.E. kein Problem. Hat das was mit auswendigspielen zu tun?
Eine Woche vor einem Konzert würd ich den nicht grad ändern, aber wenn Zeit zum Üben ist schon.

Der auswendige Vortrag, wenn er richtig und gründlich einstudiert wurde, hat immer das höhere Niveau.
Man neigt dazu, dir zuzustimmen, wenn man an die ganz großen Pianisten denkt und selbst manchmal auswendig spielt.
Ich glaube aber trotzdem, dass bei manchen die "Angst", beim Auswendigspielen ein Black-Out zu haben mindestens genausoviel Konzentration frisst wie wenn sie ab und an in die Noten schauen, die beruhigenderweise auf dem Pult stehen.

Stilblüte
 
Der auswendige Vortrag, wenn er richtig und gründlich einstudiert wurde, hat immer das höhere Niveau.

Das halte ich ganz einfach für Demagogie. Meinetwegen kann man es auch Idealismus nennen. Wenn ein Vortrag richtig und gründlich einstudiert wurde, dann wird er so gut sein, wie die aktuelle Form des Pianisten es zuläßt, ungeachtet dessen, ob er sich dabei auf Noten verläßt oder nicht. Das bischen Gehirnleistung, was zum Lesen der Noten benötigt wird, ist geringfügig gegenüber der sowieso nicht genutzten Gehirnleistung. Außerdem wage ich zu behaupten, daß das Gehirn durch die schriftlichen "Notizen" entlastet wird.

Wenn vom Blatt zu spielen außerdem auf Kammermusik vorbereitet, klingt das danach, daß man Kammermusik mit Noten spielt. Die könnte dann ja überhaupt nicht höchstes Niveau erreichen, oder?

Ich piekse hier nur in die Lücken, die deine Behauptung hinterlassen hat und bin gespannt auf deine Argumente, die du uns nun hoffentlich mitteilst ;)
 
auswendig

Pardon, das war wirklich ein falscher link, ich bezog mich auf Haydnspaß, der widerspruch gegen meine Behauptung mit dem Niveau eingelegt hatte und hatte den Button "Beitrag zum zitieren auswählen verwendet"aber das wohl alsch gemacht-

Dein Argument mit der Kammermusik hat was, das muss ich gründlich überdenken, denn in der Tat werden ja auch in öffentlichen Konzerten die Noten mit aus Pult genommen und das Niveau ist je nach Künnstler natürlich hoch.

Vielleicht ist das so eine Konvention.

Aber auch wenn die Noten - zur Beruhigung auf dem Pult liegen - können die Künstler die gespielten werke eigentlich auswendig, wenn sie Kammermusik spielen. Vielleicht muss das ganze noch gründlicher überdacht werden und cih würde gern die Meinung von noch mehr konzertierenden Pianisten einholen.
 
Notenpult-Akustik, Spontanes Spielen, Eindruck auf Zuhörer

Es gibt noch weitere Aspekte, die noch nicht angerissen wurden, die aber für das Auswendigspielen sprechen:

1) Notenpult-Akustik
Beim Flügel gibt es einen ganz erheblichen klanglichen Unterschied, ob man
a) das Notenpult aufgeklappt hat (um die Noten bequem lesen zu können) oder
b) das Notenpult zugeklappt hat (um ab und zu auf die Noten zu gucken) oder
c) das Notenpult ganz rausgebaut hat
Aus Sicht des Interpreten sind die Unterschied gravierend, und nur im Fall c) hat man den ungedämpften vollen Flügelklang, und das wird Auswirkungen auf die Interpretation haben. Dies ist unabhängig davon, ob die Flügelklappe zu ist oder halb- oder vollaufgestellt.

2) spontanes Spielen bei Gelegenheiten
Es ist absolut uncool, wenn man irgendwo bei einer Feier ist, durch Zufall steht ein Flügel da, und man wird gefragt, ob man nicht was vortragen möchte. Und man hat als Ausrede nur, dass man seine Noten nicht parat hat. Für solche Fälle sind sichere auswendiggelernte "betriebsbewährte" Repertoirestücke unumgänglich

3) Eindruck auf Zuhörer
Auch wenn es sich blöd liest, aber auf die Zuhörer macht es einen größeren Eindruck, wenn man zeigt, dass man in der Lage ist, seine Stücke auswendig vorzutragen.

Sicher ist es nicht das allerwichtigste, ob man nun die Noten hinlegt oder weglässt. Ich glaube jedoch auch wie Klavigen, dass man ein Stück nur komplett und vollständig beherrscht, wenn man es auswendig spielen kann. Ob die Noten zur Beruhigung da stehen lässt oder nicht ist unerheblich. Aber siehe auch die anderen Gründe 1-3 !
 
@Mindenblues:
2) stimme auch ich als überwiegender Nicht-Auswendigspieler zu. Ein paar Sachen sollte man für spontane Gelegenheiten auf jeden Fall parat haben. Die Ausrede "Ich habe keine Noten da..." ist ziemlich jämmerlich.
3) teils teils. Auswendig macht schon Eindruck. Noch mehr Eindruck macht allerdings, etwas spontan vom Blatt vorspielen zu können (was man vielleicht schon mal geübt hat, aber das muss man ja nicht verraten...)
1) ist für die meisten Hobby-Spieler (wie mich) weit hergeholt, da wir überwiegend auf Klavieren und nicht auf Flügeln zugange sind.
 

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