Genervt von Stücken die man gerade übt ? Wie motiviert bleiben ?

Das habe ich in einem anderen Thread gefunden.
Man lernt in den letzten Zügen eines Stückes am meisten. Und man lernt Dinge, die man dann mitnimmt und nie mehr vergisst. Ein neues Stück einstudiert, habe ich recht schnell, doch dann brauche ich viiiiiiiel Zeit, um es wirklich gut spielen zu können.


Ich habe so eine Liste von Sachen, die ich unbedingt spielen möchte und weil die meisten über meinem Niveau liegen, muss ich ja zuerst an einfacheren Stücken arbeiten - weil es sich so gehört, weil ich dabei was lerne und nicht weil ich diese Stücke liebe und da habe ich einen ungefähren Plan, welche Stücke das sind. Bei den meisten versuche ich zumindest von Anfang bis Ende durchzugehen und die einzelnen Abschnitte zu beherrschen, aber nicht wirklich komplett vorspielreif. Oft fühle ich mich gezwungen, die Sachen wegzulegen, weil mir ansonsten überhaupt die Lust am Klavier verloren gehen könnte.

Zum Beispiel die einfachste Sonate Nr. 20 von Beethoven, die ich nach einem Monat abgebrochen habe. Den ersten Satz konnte ich ohne größere Fehler durchspielen, aber da war noch genug Arbeit für mehrere Monate. Das konnte ich mir aber nicht mehr antun, die Musik konnte ich nicht mehr hören. Am zweiten Satz habe ich noch weniger gearbeitet, weil da irgendwie nichts Schwieriges oder Spannendes zu finden war. Aber ich habe natürlich technisch und musikalisch etwas gelernt und hoffentlich bringt mich das näher zu den richtigen Sonaten von Beethoven.

An meiner ersten Invention von Bach habe ich noch mindestens 3 Monate gearbeitet, bis ich mit ihr relativ wirklich zufrieden war, habe dann weitere Inventionen gelernt, um jetzt bei meiner vierten Invention (Nr. 8), sie nach 2.5 Wochen wegzulegen. Ich habe sie auswendig gelernt und die einzelnen Abschnitte könnte ich in 3 von 5 Fällen ohne Fehler spielen. Der Rest wäre harte Arbeit und eigentlich habe ich genug gelernt, der dritte Abschnitt ist eine Kopie des ersten, nur transponiert und den ersten kann ich gut genug, das reicht. Die harte Arbeit kann ich ja besser bei einem neuen Stück von Bach investieren .

Die ganzen Etüden von Burgmüller und anderen, sie sind ja auch nach ein Paar Wochen nicht zu ertragen. Ich glaube, nur 3-5 von diesen habe ich intensiv und länger geübt, alle anderen Etüden habe ich nur ca. eine Woche geübt, hoffentlich was mitgenommen und dann weggelegt.

Es gibt aber natürlich Stücke, die ich monatelang spiele und übe und mich sogar zwingen muss, sie wegzulegen, weil bei diesen weitere Arbeit zu diesem Zeitpunkt mir nicht mehr viel bringt. Solche Stücke versuche ich soweit es geht zu perfektionieren. Das sind aber auch meistens Stücke aus der Will-unbedingt-spielen-Liste. (Wobei ich gemerkt habe, dass das nicht immer gleich ist. Ich höre lieber Beethoven und Chopin, als Haydn, aber Haydn zu spielen macht irgendwie mehr Spass, weil das einfach positive Musik ist und ich nicht immer depressiv wie Chopin oder agressiv wie Beethoven bin :001:).

Ich glaube nicht, dass das der effezienteste Weg ist. Aber für einen Amateuer wie mich geht es in erster Linie darum, die Motivation jeden Tag zu üben, zu erhalten.
 
Ich warte bis heute auf einen Schüler der mir ein neues Stück bringt und sagt: "ich kann leider erst die letzten 2 Seiten!"
Nachdem ich im Internet etwas über "Backward Chaining" gelesen hatte, habe ich das ausprobiert und zwar am damals neu anstehenden Skrjabin op 2/1. Der KL hat blöd geschaut, als ich ihm gesagt habe, dass ich nur die 2. Seite mit ihm besprechen kann ;-)

Ansich war das aber super-effizient. Ich war dadurch sehr schnell im Erlernen des Stücks, weil ich ja unbedingt den Anfang spielen wollte und außerdem lief der Schluss (weil öfter gespielt) lange Zeit erheblich sicherer als der Anfang.

Leider habe ich es danach bei längeren Stücken nie mehr geschafft wirklich von hinten anzufangen und überlege nun anlässlich der Diskussion ob ich das mit dem nächsten Stück vtl. mal wieder machen sollte...
 
Ich warte bis heute auf einen Schüler der mir ein neues Stück bringt und sagt: "ich kann leider erst die letzten 2 Seiten!
Soll ich mal bei Dir vorbeischauen ;-) ? Hätte gerade zwei Stücke im Angebot (Chopins Ballade Nr. 1 und eine Kapustin-Etüde), bei denen ich den Schluss jeweils am besten kann. Das war aber eher Zufall, beim Kapustin deswegen, weil der Schluss im Vergleich zum Reststück relativ gut durchschaubar ist. Beim Chopin deshalb, weil mir das letzte Viertel einfach am besten gefällt.

Kennt ihr das eigentlich auch, dass es in fast jedem Stück Passagen gibt, die anfangs total nerven, weil sie unspielbar erscheinen. Die müssen dann natürlich extra geübt werden. Und plötzlich sind es dann die Lieblingspassagen geworden....
 
Nachdem ich im Internet etwas über "Backward Chaining" gelesen hatte, habe ich das ausprobiert und zwar am damals neu anstehenden Skrjabin op 2/1. Der KL hat blöd geschaut, als ich ihm gesagt habe, dass ich nur die 2. Seite mit ihm besprechen kann ;-)

Ansich war das aber super-effizient. Ich war dadurch sehr schnell im Erlernen des Stücks, weil ich ja unbedingt den Anfang spielen wollte und außerdem lief der Schluss (weil öfter gespielt) lange Zeit erheblich sicherer als der Anfang.

Leider habe ich es danach bei längeren Stücken nie mehr geschafft wirklich von hinten anzufangen und überlege nun anlässlich der Diskussion ob ich das mit dem nächsten Stück vtl. mal wieder machen sollte...
Von hinten? jaaa, also Limoges und Baba-Jaga sind in der Tat sehr gute Hinteneinstiegsstücke :teufel:
 
Schon bei der Auswahl eines neuen Stücks ist es zweckmäßig, nicht nur auf den Anfang zu schauen. Manchmal versteckt sich am Ende eine „fiese“ Coda oder ähnliches. Vielleicht hätte ich die Entscheidung für Beethoven Opus 28 (gesamt) als Projekt auch nicht nach intensivem Studium ausschließlich des ersten Taktes des Kopfsatzes treffen sollen. Der schien mir nämlich technisch gut machbar! :002:
 

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Rückwärts additiv fiese Passagen trainieren*) ist eine bewährte Übungsweise, in P.P.Werners Klavierdidaktik oder Kratzerts Handbuch (eins von beiden war's) wird sie am Beispiel der auseinanderlaufenden Oktavenpassage in Chopins Fantasie erklärt. Nebenbei: am sinnvollsten ist, wenn man das gleich im Zieltempo oder auch noch schneller macht.
Verwandt damit ist dito rückwärts additiv geordnet die "Stationen"-Übung, die im selben Buch anhand einer fiesen Stelle in Chopins 3. Scherzo erklärt wird.
(recht idiotisch allerdings wäre, ein komplettes Klavierstück nur auf diese Weise(n) anzugehen, denn bei unproblematischen "normalen" Abschnitten sollte man keine Spezialübungen benötigen)

Wo das nicht hilft, empfiehlt sich unter großem Konzentrationsaufwand (!!) die sehr widerborstige (und gräßlich unmusikalisch erscheinende) Goldenweiserübung - aber die zu beschreiben macht zu viel Aufwand, deshalb sei sie nur erwähnt.

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Letzter Griff
Vorletzter und letzter Griff
Vorvorletzter und vorletzter und letzter Griff
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Ich habe so eine Liste von Sachen, die ich unbedingt spielen möchte und weil die meisten über meinem Niveau liegen, muss ich ja zuerst an einfacheren Stücken arbeiten - weil es sich so gehört,
Vielleicht solltest Du Deine Einstellung zu „Spielen“ und „Arbeiten“ mal überdenken - zumindest für Dein Leben als (wenn auch nur „Amateur“-)Musiker. Musizieren heißt immer: Auseinandersetzung mit der Materie, egal auf welchem Niveau. Die ersten 99% sind vergleichsweise billig zu haben. Aber erst das letzte Prozent macht die Musik aus. Wichtig ist nicht, daß man dieses letzte Prozent auch realisiert, wichtig ist allein, daß man sich um dieses Prozent bemüht.
Bei den meisten versuche ich zumindest von Anfang bis Ende durchzugehen und die einzelnen Abschnitte zu beherrschen, aber nicht wirklich komplett vorspielreif.
aber da war noch genug Arbeit für mehrere Monate. Das konnte ich mir aber nicht mehr antun, die Musik konnte ich nicht mehr hören. Am zweiten Satz habe ich noch weniger gearbeitet, weil da irgendwie nichts Schwieriges oder Spannendes zu finden war. Aber ich habe natürlich technisch und musikalisch etwas gelernt und hoffentlich bringt mich das näher zu den richtigen Sonaten von Beethoven.
Der Rest wäre harte Arbeit und eigentlich habe ich genug gelernt, […] Die harte Arbeit kann ich ja besser bei einem neuen Stück von Bach investieren.
alle anderen Etüden habe ich nur ca. eine Woche geübt, hoffentlich was mitgenommen und dann weggelegt.
Das klingt nach einem großen Korb angebissener Äpfel, die allmählich vor sich hinfaulen, zu nichts mehr zu gebrauchen, bis sie dann im Abfall landen.
Es gibt aber natürlich Stücke, die ich monatelang spiele und übe und mich sogar zwingen muss, sie wegzulegen, weil bei diesen weitere Arbeit zu diesem Zeitpunkt mir nicht mehr viel bringt. Solche Stücke versuche ich soweit es geht zu perfektionieren.
Aus den „musikalischen Haus- und Lebensregeln“ von Robert Schumann:
Klimpere nie! Spiele immer frisch zu, und nie ein Stück halb[herzig]!
Und:
Bemühe Dich, leichte Stücke gut und schön zu spielen; es ist besser, als schwere mittelmäßig vorzutragen.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich glaube nicht, dass das der effezienteste Weg ist. Aber für einen Amateuer wie mich geht es in erster Linie darum, die Motivation jeden Tag zu üben, zu erhalten.
Fragt sich, ob Du mit dieser Einstellung nicht irgendwann Schiffbruch erleidest.
 

Verwandt damit ist dito rückwärts additiv geordnet die "Stationen"-Übung, die im selben Buch anhand einer fiesen Stelle in Chopins 3. Scherzo erklärt wird.
So wie Du es beschreibst habe ich das "in Stationen" rückwärts geübt. Die Stationen waren stets mehrere Takte also meist eine ganze Phrase. Es ging nicht darum technisch schwierige Stellen zu erlernen, sondern den Text ohne dabei Gefahr zu laufen doch (weil's ja so schön ist) immer wieder von vorne anzufangen. Und letzteren Zweck hat die Methode erfüllt...
 
Hinten anfangen find ich sinnvoll wenn man das Stück schon „kann“ (was auch immer das sein mag). Dann gezielt mit Reprise beginnen oder gezielt Passagen am Ende zuerst zu üben etc. (Vor allem die, die ähnlich sind, wo man meint das wär ein alter Hut nur bissl anders) hilft mir nicht beim Schluss nachzulassen. Es von hinten beginnen zu lernen würde ich auch nicht, ich würd mir auch schwer tun den Überblick zu bekommen.
 
@Carnina : Natürlich ist es wichtig, sich erst einmal einen Überblick über das Stück zu verschaffen: struktureller Aufbau, harmonische Zusammenhänge, Kenntnis des motivischen Materials. Das beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit Fingersätzen: welche Fingersätze decken möglichst auch Parallel- und ähnlich Stellen ab (Modifizierungen wird man dann in der Detailarbeit wohl immer noch vornehmen müssen). In dieser Phase wird meist schon deutlich, welche Bereiche mehr Aufwand erfordern.

Wenn ich diese „Vorarbeiten“ geleistet habe, eröffne ich gleich mehrere Baustellen, damit ich mich nicht an einer Stelle „festfresse“. An jeder dieser Baustellen arbeite ich mich dann Richtung Anfang. Natürlich gerät hierbei erst einmal der musikalische Bogen aus dem Blickfeld. Aber die Fähigkeit, an jedem Moment einsetzen zu können, erhöht die Sicherheit.

Beherrsche ich den letzten Takt einer Baustelle, benötige ich diesen Takt weniger Konzentration. Setze ich nun etwas (einen oder einige Pulsschläge) früher ein, kann ich meine ganze Konzentration auf das Neue, Unbekannte zu Beginn richten. Hinzu kommt: Konzentration verläuft wellenförmig. Es gibt Phasen, da nimmt die Konzentration ab, und andere Phasen, in denen man Konzentration aufbauen kann. Beginne ich immer an derselben Stelle, habe ich immer an den gleichen Stellen das „Konzentrations-Hoch“ bzw. „Konzentrations-Tief“. Verschiebe ich nun den Punkt des Einsatzes, kann es passieren, daß Passagen, die soeben noch leicht von der Hand gingen, plötzlich Schwierigkeiten bereiten, weil sie nun in einer anderen Phase der Konzentrationswelle liegen.

Zu Guterletzt: Häkele ich mich von vorne nach hinten durch, endet dieses Unterfangen zwangsläufig mit einem „Mißerfolg“, spätestens wenn es ums Verrecken nicht weitergehen will. viel angenehmer ist es, wenn man „per aspera ad astra“ aus den Unwägbarkeiten des Neulands in vertraute Gefilde kommt.

Was mir bei intrikaten Stellen häufig auch hilft: wenn ich mit den Händen zeitversetzt einsetze: die eine Hand beginnt, und die andere Hand fädelt sich später ein. Und dann mit der anderen Hand immer etwas früher einsetzen, bis beide Hände synchron beginnen können. Es erhöht die Sicherheit, wenn ich die Reihenfolge des Hände vertausche.

Es sind dies meine Erfahrungen und Beobachtungen beim Üben. Was hier gar nicht zur Sprache kommen kann: wie man technische Probleme im Detail löst. Es gibt sicherlich andere Übestrategien, die ebenso zum Erfolg führen. Jeder sollte für sich ausprobieren, wue et am effizientesten zum Ziel gelangt und wie er sich beim Üben möglichst wohl fühlt.
 
also quasi fürs sich auswendig einpauken?
Nee, war missverständlich ausgedrückt. Mit "Text lernen" meinte ich nicht auswendiglernen, sondern das Stück/die Noten überhaupt kennenlernen bis zum "Durchspielen nach Noten". Das Auswendiglernen kam erst später, als ich es nach Noten durchspielen konnte. Dann aber waren die bereits bekannten Stationen/Phrasenanfänge hilfreich als "Einsteigemarken". Dann habe ich im Sinne von @Stilblüte 's Übe-Experiment (irgendwo hier im Forum) weitergeübt.

EDIT: Beim KL sehe ich immer wie extrem gut der vom Blatt spielt. Könnte ich so vom Blatt spielen würde ich auch direkt in die Phase "Auswendiglernen" übergehen. Bei mir dauert es schon immer eine Weile bis das Stück nach Noten anhörbar wird. Und in dieser Weile habe ich "phrasenweise additiv von hinten" geübt. Vlt. endet diese Phase bei den Profis u.U. so schnell, dass sie sie nicht mehr bewusst (als eine Übephase) wahrnehmen ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Musizieren heißt immer: Auseinandersetzung mit der Materie, egal auf welchem Niveau. Die ersten 99% sind vergleichsweise billig zu haben. Aber erst das letzte Prozent macht die Musik aus. Wichtig ist nicht, daß man dieses letzte Prozent auch realisiert, wichtig ist allein, daß man sich um dieses Prozent bemüht.
Es gibt ja Stücke, wo ich versuche die 100% zu erreichen, wenn ich mich aber zwingen würde, jedes einzelne Stück monatelang zu üben, obwohl mir das widerstrebt - das wird eher dazu führen, dass ich in diesen heissen Monaten erstmals Pause mache und die Zeit lieber im Freien verbringe, als am Klavier an einem Stück, was ich nicht mehr hören will. Solfeggietto von CPE Bach übe ich schon länger und auch wenn ich sie jetzt z.B. 4 von 5 Mal nacheinander ohne grosse Verspieler schaffen kann, weiss ich noch, wo ich mich verbessern muss und noch lange weiter üben kann und mich das auch weiter bringt. Aber ich muss mich dazu nicht zwingen, sondern das Stück liegt mir einfach.

Es gibt auch Momente, wo man nicht wirklich weiterkommt, dann lege ich das Stück zur Seite und hole das später wieder raus, um dann den gewünschten Fortschritt schnell zu erreichen. Hätte ich das Stück die ganze Zeit ununterbrochen geübt, da bin ich mir nicht sicher, ob das zielführender wäre.

Ich habe das übrigens in einem Buch auch so gelesen - es ist wichtig sehr viele unterschiedliche Stücke zu lernen. Aber es müssen nicht alle perfektioniert werden. Die Arbeit an den letzten Details ist sehr zeitintensiv und diese Arbeit muss definitiv gemacht werden, aber nur an bestimmten Stücken und nicht an allen. Sonst fehlt die Zeit woanders und es ist wichtig, für die musikalische und technische Bildung möglichst viele Komponisten und Stile kennenzulernen und auch unterschiedliche technische Sachen zu üben. Es ist sowohl die Quantität (und Abwechslung) wichtig, als auch die Qualität (aber nicht mit dem Ziel 100% zu schaffen)

Eine Woche für eine Czerny Etüde ist manchmal wahrscheinlich genug, auch wenn man sie mit noch einem Monat Arbeit noch schneller und besser spielen könnte. Man muss nicht bei jeder Czerny Etüde an die 100% gehen, evtl. ist es manchmal besser 4 unterschiedliche Etüden zu 80% zu lernen, anstatt eine einzige versuchen zu perfektionieren.

Übst du wirklich jedes einzelne Stück so lange, bis du damit zufrieden bist? In deiner "Schulungsphase" war das aber bestimmt nicht der Fall und du bist wahrscheinlich auf einem sehr fortgeschrittenen Level und spielst nur noch Musik, was du ausgesucht hast, weil du sie unbedingt spielen musst? Das wäre ja was anders, als das was ich meine.
 
[…] dass ich in diesen heissen Monaten erstmals Pause mache und die Zeit lieber im Freien verbringe, […]
Dagegen ist nichts einzuwenden.
[…] einzelne Stück monatelang zu üben, […]
Das mag bei den großen Beethoven-Sonaten etc. nötig sein, aber bei dem was Du an Stücken erwähnst, sollte es in der Tat schneller gehen. Mein Verdacht: Das Repertoire ist noch zu schwer für Dich.
Es gibt auch Momente, wo man nicht wirklich weiterkommt, dann lege ich das Stück zur Seite und hole das später wieder raus, um dann den gewünschten Fortschritt schnell zu erreichen. Hätte ich das Stück die ganze Zeit ununterbrochen geübt, da bin ich mir nicht sicher, ob das zielführender wäre.
Es ist ein Unterschied in der Haltung, ob man sagt: „80% sind mir genug“ oder ob man an den Punkt kommt, an dem konstatieren muß: „Mehr geht leider momentan nicht.“
Die Arbeit an den letzten Details ist sehr zeitintensiv und diese Arbeit muss definitiv gemacht werden, aber nur an bestimmten Stücken und nicht an allen.
Stücke, die es nicht Wert sind, diese Detailarbeit aufzubringen, sollte man in der Tat möglichst schnell beiseite legen. Das ist nämlich Vergeudung von Lebenszeit.
Man muss nicht bei jeder Czerny Etüde an die 100% gehen, evtl. ist es manchmal besser 4 unterschiedliche Etüden zu 80% zu lernen, anstatt eine einzige versuchen zu perfektionieren.
Besser ist es, bei allen vier Etüden die 100% erreichen zu wollen. Wer sich von vornherein mental auf 80% beschränkt, erreicht wahrscheinlich allenfalls 60% (wenn überhaupt).
Übst du wirklich jedes einzelne Stück so lange, bis du damit zufrieden bist? In deiner "Schulungsphase" war das aber bestimmt nicht der Fall […]
OK, lassen wir Kindheit und schlimmste Pubertätszeit mal aus dem Spiel … - Ich befinde mich immer noch in der „Schulungsphase“, bei jedem Stück von Neuem. Und ich hoffe, daß dies bis zu meinem Lebensende anhält. Sonst würde mich die Beschäftigung am und mit dem Instrument langweilen. Und das wäre schade. (Ob meine Nachbarn das auch so sehen?)
 
Granados, lass Dich nicht entmutigen.

Lerne lieber viele Stücke auf 80%-Niveau oder gleichwertig: dass Du sie guten Freunden oder im Klassenvorspiel vorspielen kannst und ehrlichen Applaus erntest, womöglich Nachfragen für irgendwelche Muggen.

Auf lange Frist hast Du so mehr davon: Du wirst musikalischer und durch die Vielseitigkeit (der vielen Stücke) auch technisch besser.

Nach vielen Jahren wirst Du die früh mühsam gelernten Stücke von selbst fehlerfrei spielen. Die letzten 20%, nein, die 18% vor lden letzten 2 % brauchen Jahre.

Ich rede von Amateuren; Profis haben ganz andere Möglichkeiten schon im Studium gehabt und ganz anderen Input von ihren KL. Im Profi-Modus haben sie vor allem: richtig viel Zeit, weil sie im Normalfall nichts groß anderes machen (etwa noch "berufstätig" zu sein oder dergleichen).

Profis üben jahrelang an Stücken herum, die eigentlich selbst von 16-Jährigen bei Jugend musiziert vorgeführt werden (etwa die Etüden von Chopin). Warum bloß ist das so?

Das Solfeggietto ist übrigens kein einfaches Stück. Warum das immer jeder lernen "muss"? Oberflächlich klingt es beeindruckend, vor allem die ersten paar Takte. Dann geht die Puste ein bisschen aus, und es gibt dann noch so kleine Fiesigkeiten, die nie richtig rundlaufen (etwa die Modulation nach g-Moll).
 

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