Sprachen, nix als Sprachen
Was Sprachen betrifft, möchte ich auch noch meinen Senf hinzugeben und zwar aus Sicht der Schülerin. Auditiv hinzulernen funktioniert bei mir nur in Sprachen, deren Systematik ich verstanden habe. Höre ich in bestimmten Situationen mir neue Wörter oder Ausdrucksweisen, kann ich sie dann in der Regel zuordnen und später selbst aktiv anwenden.
Beim Neulernen einer Sprache funktioniert das bei mir aber überhaupt nicht. Ich gehörte zu den allerersten Schülern, die Ende der 60er Jahre mit dem Sprachlabor konfrontiert worden waren. Unser Englischbuch enthielt weder eine Grammatik noch einen Vokabelanhang, es war kein einziges deutsches Wort zu finden, nur Dialoge neben Comiczeichnungen. Diese Dialoge wurden uns über Kopfhörer zugespielt. Die Idee dahinter war, dass wir englisch wie Muttersprachler nur über das Hören lernen sollten. Für mich ein aussichtsloses Verfahren, es hätte nur funktionieren können, wenn alle Alltagssituationen wiederholt in der Fremdsprache und im Rahmen von aktiven Handlungen aufgetaucht wären. Im Sprachlabor sitzend und reduziert auf ein paar Schulbuchsätze waren diese Schulstunden für mich nur verschwendete Zeit. Ohne die alten Schulbücher meiner Mutter, wäre es ein äußerst schlechter Start in den Fremdsprachenunterricht geworden. Glücklicherweise gab es bald einen Umzug in ein weniger "fortschrittliches" Bundesland.
Später habe ich mal ein Jahr mit französisch beschäftigt, das ich in der Schule nie hatte. Mein Eindruck: Ein Wort nur zu hören, hilft mir nicht, ich muss es unbedingt auch geschrieben sehen, damit ich es verstehe und lernen kann. Das Schriftbild bleibt mir im Gedächtnis, ich kann das Wort dann "ablesen". Der Klang bleibt nur grob im Gedächtnis, was man meiner Aussprache auch anhört. Zudem brauche ich unbedingt eine systematische Grammatik um den Satzaufbau zu verstehen. Sätze nur zu hören, reicht nicht aus, ich muss alles in schriftlicher Form, also visuell, vor mir haben. Auch die kognitive Seite ist viel deutlicher notwendig als beim Erlernen eines neuen Klavierstückes. Vor dem Lernen muss ich die neuen Sprachregeln analysieren. Sicherlich würde ich ein Musikstück mit einem besseren musiktheoretischen Hintergrund schneller auswendiglernen können, aber es funktioniert auch ohne. Bei Sprachen funktioniert es gar nicht!
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Von daher kann ich deinen Eindruck bestätigen, dass die Ausprägung einzelner Stärken und Schwächen nicht nur vom "Lerntyp" sondern auch stark vom Lernstoff abhängt. Was aber immer zum Erfolg führen dürfte ist die bereits erwähnte "Mischung".
Daher arbeite ich als Lehrer bei großen Gruppen immer mit einer möglichst großen Mischung und versuche auch Verknüpfungen mit ähnlichen Themen und "rote Fäden" zu vermitteln.
Im Individualunterricht gibt es dann eine Mischung mit Schwerpunkt auf den individuellen Stärken.
Die individuellen Schwächen werden hingegen erst beim Vertiefen/Üben des Stoffens verstärkt mit angeregt.
Ich unterscheide bei der Gewichtung also nach Gruppengröße, Neulernen/Vertiefen, Art des Stoffes, Alter der Schüler.