Üben und Interpretation

  • Ersteller des Themas philomela
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Wenn jemand, der es wirklich beherrscht, eine Interpretation entwickelt hat, kann er diese dann jederzeit identisch wiederholen? Und findet im Moment des Vortrags kein kreativer Schaffensprozess mehr statt, sondern reproduziert sich der Künster dann selbst?

Dann würde die Interpretation selbst vor dem Vortrag stattfinden und der Vortrag/das Konzert selbst wäre eine Reproduktion der Interpretation. Verstehe ich das richtig?

Um Himmels willen, nein! :D

Jeder Versuch, dies zu tun, ist zum Scheitern verurteilt und führt zu leblosem, unmusikalischem Spiel.

Leider gibt es diese Vorstellung bei Spielern immer mal - sogar bis in relativ hohe Spielniveaus hinein...

Das zu interpretierende Stück muß jedes Mal neu erlebt werden, nur dann ist echter musikalischer Ausdruck möglich. Insofern ist eine Interpretation immer einmalig; Interpretationen können sich nur ziemlich stark ähneln.

LG,
Hasenbein
 
Ich glaube, du meinst nicht mich, sondern FLIP... Kann mich jedenfalls nicht erinnern, so etwas wie "objektive Interpretation" vertreten zu haben.

Entschuldige die Verwechslung Fips, es war tatsächlich Flip - er hat aber auch nichts von objektiver Interpretation geschrieben, ich denke aber, dass sein Beitrag in diese Richtung geht.

LG, PP
 
Guten Morgen,

121 Beiträge, um zur Einsicht zu gelangen, dass Klavierspielen durchaus eine Kunst ist. Die man mal nicht so nebenbei husch-husch erlernen(?) kann.
Muss das wirklich erst gesagt werden?? Ok, ich dachte, wir wären schon weiter.

LG, Sesam

Hallo Sesam,

Ich finde deine letzten Beiträge ziemlich unangebracht. Die Ergebnisse dieser Diskussion waren sowohl für die Threaderstellerin, als auch für mich interessant, und ich denke auch andere konnten sich durchaus für dieses Thema erwärmen.

Mich haben sie dazu angeregt, ein bisschen tiefer zu graben, und zu sehen, wie Musikwissenschafter zu dem Thema stehen, und welche Kontroversen auf dieser Ebene diskutiert werden. Ich für meinen Teil möchte, wenn ich mich jetzt schon mehr mit Musik beschäftige auch über die Noten und den Unterricht hinausblicken, und mich auch etwas mit Musikästhetik, Interpretations- und Rezeptionstheorien auseinandersetzen. Schön hätte ich es gefunden, wenn man mehr auf verschiedene Theorien eingegangen wäre, anstatt sich gegenseitig wieder einmal die Augen auszukratzen.

Wenn dir die Diskussion so lächerlich erscheint, wundert mich, wozu du dir die Mühe machst mitzulesen und dann gar noch Beiträge dazu verfasst.

LG, PP
 
Es ist eine Unart unserer Zeit, dass jeder Dahergelaufene meint, das zu können- und zwar indem er die Sache mit demselben Begriff bezeichnet-, wofür Profis - egal welcher Sparte - oft ihr Leben gewidmet haben.
Ob das ein Schachspieler, bildender Künstler, Musiker oder ein Tischler ist, ist dabei nebensächlich. Es geht darum, welches Können der- oder diejenige durch seine Beschäftigung entwickelt hat. Wer meint, sich mit so jemandem vergleichen zu müssen, ist nicht nur anmaßend, er beweist auch, dass er nicht weiß, was es bedeutet, sich einer Sache zu verschreiben.

Ich weiß ja nicht, welchen Umgang du hast, kennst du (zu) viele dieser "Dahergelaufenen"? Oder sitzt du da vielleicht einer Eindrucksbildung gewisser Medien auf? Seltsamerweise kenne ich deutlich mehr Leute, die eher (leider) in Ehrfurcht erstarren, wenn sie von den "Leistungen" "großer" "Künstler" sprechen. Ob das die "Künstler" so gewollt haben/hätten ist wieder eine ganz andere Frage. Und hat wohl auch etwas mit wahrer Größe zu tun.


Das von rolf angesprochene "Beleidigtsein" trifft die Sache sehr gut. Man vermisst heutzutage leider eine gewisse Bescheidenheit vor der Leistung und dem Wissen derer, die ihre Sache (auf akademischem Niveau) gelernt haben. "Kann ich auch" ist das Motto unserer Zeit, das sich die Fernsehanstalten auf die Fahnen geschrieben haben und so sieht man Hinz und Kunz sich bei vermeintlichen Großtaten an Lächerlichkeit gegenseitig überbieten.

Du solltest weniger fernsehen :D. Das "Motto unserer Zeit" wird nicht unbedingt auf dem TV-Bildschirm gelebt. Wien hat doch eine wunderbare "Künstler-Szene", eben auch jenseits der kommerziell wirksamsten Adressen.

Wieso kann man nicht soviel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber haben, seine eigenen Leistungen, so gut sie einem auch erscheinen mögen, als plumpe Gehversuche einzuordnen, nicht wert mit demselben Begriff bezeichnet zu werden, wie das, was der Profi "tut" (;))? Wieso kann man sich nicht einfach eingestehen, dass es Dinge gibt, die man selbst nie können wird und denjenigen Respekt zollen, die sich einer Sache voll und ganz verschrieben haben

Solche Verlautbarungen machen mich traurig. Selbstentwertung. Mutmaßlich hat das wenig mit dem Klavierspielen zu tun, geht mich aber nichts an. Nur so viel: würde ich dich mit einer solchen Einstellung unterrichten müssen, ich würde dich hochkant rauswerfen! ;)

LG, Sesam
 
Liebe PP,

herzlichen Dank für Deinen Beitrag - vorallem für die Zitate und Hinweise,
mit deren Hilfe Du eigentlich alles zum Thema Interpretation gesagt hast.

Als Ergänzung zum Adorno/Kolisch-Aufsatz noch ein Hinweis auf Adornos Erinnerungen
an seinen Klavierunterricht bei Eduard Steuermann, der Busoni-Schüler gewesen
und - wie Kolisch - von Schönbergs tief in der Tradition verwurzeltem Musikverständnis
geprägt worden ist. Ich kann zur Zeit die Quelle nicht angeben, habe es im Forum a.a.O.
schon einmal zitiert - dort vielleicht mit Quellenangabe, ich weiß es nicht mehr.

Jedenfalls berichtet TWA, daß er mit einer bestimmten Stelle in einem Brahms-Intermezzo
nicht zurechtkam, bis Eduard Steuermann ihm den betreffenden Abschnitt analysiert
und gezeigt hatte, in welchem Verhältnis die einzelnen Stimmen zueinander standen,
wie Baß und Oberstimme motivisch und kontrapunktisch zusammenhingen.
Adornos Pointe: Erst danach konnte er den Abschnitt richtig spielen.

Das richtige Spielen folgt aus dem richtigen Verstehen der Musik.


Urtexte - Ich habe unlängst in einem Interview mit Leslie Howard gelesen,
dass die Henle-Ausgabe der b-Moll-Sonate 6 oder 7 Fehler aufweist -
inwiefern sichert sich ein Interpret eigentlich ab, ob die Notenausgaben,
die er verwendet, tatsächlich fehlerfrei sind? Ich dachte eigentlich,
dass man mit einer Urtext-Edition eines namhaften Verlages auf der sicheren Seite sei.

"Urtext" ist ein völlig entwertetes Label, genauso wie "Bio" oder "Öko".
Es sind keine geschützten Begriffe, sondern reine Marketing-Gags.

Henle fing nach dem Krieg mit Urtext-Ausgaben an - und das war ein Novum:
Nicht einfach nach irgendwelchen Vorlagen wild herumzudrucken, sondern
sich Skizzen, Autographe, Erstdrucke, Errata-Listen, handschriftliche Korrekturen,
Ergänzungen und Anmerkungen der Komponisten und mit ihnen
in Kontakt stehender Interpreten anzuschauen, zu vergleichen etc.

Die Henle-Publikationen erwiesen sich als gut und so erfolgreich,
daß alle bis dato desinteressierten Verlage auf den fahrenden Zug sprangen
und Klassiker-Urtext-Ausgaben herausbrachten. Da kaum noch ein Verlag
den Mut hat, Neue Musik zu veröffentlichen, bricht inzwischen eine Sturzflut
konkurrierender Urtext-Ausgaben über uns herein. Beispiel: Ravel, der jetzt gemeinfrei ist -
Henle, Bärenreiter, Peters und Schott/UE basteln an konkurrierenden Urtext-Ausgaben,
was natürlich bedeutet, daß Teams von Musikwissenschaftlern gegeneinander arbeiten.
Das ist nicht prinzipiell schlecht: Konkurrenz belebt das Geschäft, davon profitiert der Kunde.
Manchmal steht der Kunde aber auch ratlos vor den Folgen dieser Konkurrenz.
Um sich voneinander abzugrenzen, erklärt das eine Editorenteam etwas zur Punktierung,
was fürs andere Editorenteam eine Sechzehntelpause und fürs dritte ein auf dem Autograph
hinterlassenes Stückchen Fliegendreck ist (ich übertreibe nur geringfügig).

Zur Seriosität heutiger Notenausgaben:

1. Keine ist frei von Druckfehlern - als Folge von Schwachstellen im Lektorat.
Das ist vergleichsweise harmlos.

2. Der editorische Konkurrenzdruck erzwingt mutwillige Neuinterpretationen bislang
als unstrittig empfundener Stellen. Das ist ärgerlich, da man selbst anhand
der kritischen Apparate die Entscheidungen der Herausgeber nicht nachvollziehen kann.

3. Urtext-Ausgaben werden ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht -
das ist die eigentliche Ungeheuerlichkeit!

Wenn man Pech hat, wimmeln sie von Emendationen, die in den Apparat gehörten,
nicht in den Haupttext, wimmeln von nicht kenntlich gemachten Eingriffen in den Notentext.
Notorisches Beispiel: In Chopins e-Moll-Prélude op.28-4 tradiert auch die neueste,
die Peters-Ausgabe wieder das Ais im drittletzten Takt, anstelle des von Chopin
mit Bedacht notierten B als Vertreter des im Tritonusverhältnis zur Grundtonart e-Moll
fernststehenden tonalen Bereichs. Selbst der von Peters angeheuerte Eigeldinger,
der sich gerne als Chopin-Spezialist feiern läßt, ignoriert an dieser Stelle sowohl
Autograph als auch Erstdrucke.

4. Was ältere Handschriften betrifft, so führt die zunehmende Genauigkeit der Analyse-Methoden
nicht zu mehr Textgenauigkeit, sondern im Gegenteil in die Aporie.

Beispiel: Bach. Mit Hilfe der Röntgenfluoreszenz-Analyse lassen sich heute die im Autograph
der h-Moll-Messe von Vadder und Sohn Bach (C.Ph.E.) benutzten Tinten unterscheiden.
Das schafft großen Interpretationsspielraum: Sind Carl Flips Eintragungen eigenmächtige
Zusätze, quasi etwas Hinzukomponiertes - oder spätere Ergänzungen des Vaters,
die nicht im Stimmenmaterial, wohl aber in der autographen Partitur fehlten und von dem
mit dem Werk und seiner Aufführung vertrauten Sohn für die Hamburger Aufführung
nachgetragen wurden?

Nix genaues weeß mer nich.

Einen herzlichen Sonntagsgruß!

Gomez

.
 
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Um Himmels willen, nein! :D

Jeder Versuch, dies zu tun, ist zum Scheitern verurteilt und führt zu leblosem, unmusikalischem Spiel.

Leider gibt es diese Vorstellung bei Spielern immer mal - sogar bis in relativ hohe Spielniveaus hinein...

Das zu interpretierende Stück muß jedes Mal neu erlebt werden, nur dann ist echter musikalischer Ausdruck möglich. Insofern ist eine Interpretation immer einmalig; Interpretationen können sich nur ziemlich stark ähneln.

LG,
Hasenbein

Hallo Hasenbein,

ich gebe gern zu, daß ich von meinen Erfahrungen im "kleinen" auf das "große" schließe. Aber nehmen wir mal folgendes für mich an:

ich könne super Klavierspielen (angenehme gedankliche Vorstellung :p), ich hätte also keine Probleme mit schönen piano-Stellen, schwierigen Läufen, schnellen komplexen Passagen etc.

Dann: erarbeite ich mir eine musikalische Klanglandschaft, in die mein zu spielendes Stück in meinen Augen möglichst schön klingt und gut reinpaßt - ob das eine sonnige Steppe, eine stürmische Winternacht oder Alice im Wunderland ist, sei dahingestellt. Eine Passage akkurater zu spielen, oder eher nebenläufig, und das Gewicht auf die nächste Passage legen, die sich anschließt - all das bereitet mir keine Probleme mehr, ich kann aufgrund meiner technischen Fähigkeiten einfach frei nach Belieben wählen.

Dann hab ich also eine "Lösung" für das Problem, wie das Stück in meinen Ohren schön klingen und wirken soll. Eine Lösung, die mir optimal scheint. Werde ich nicht versuchen, dann diese "Lösung", so, wie sie mir vorschwebt, auch rüberbringen zu wollen? (ich rede von der klassischen Musik - soviel ich weiß, bist Du ja im Jazz zuhause, wo die Dinge anders liegen mögen).

Und nur, weil ich dabei ein gewisses Maß an Konzentration aufwende, damit mir mein Vorhaben auch gut gelingt, bedeutet das ja nicht, daß ich kein emotionales, schönes Spiel hinlege, nicht wahr?

Und eine (starke, emotional oder intuitiv bedingte) Abweichung - in meinem Vortrag, von dem, was mir im stillen Kämmerlein nach viel Arbeit die optimale Lösung schien, - würde doch meine erarbeitete Lösung suboptimal werden lassen, oder (?)

Ich gebe zu, daß die Frage, wie sich ein Konzertpianist der Klassischen Musik - während des Konzertes fühlt, ob er "in einem emotionalen Taumel, in Trance" spielt, oder doch eher mit einem angemessen niedrigen Promillegehalt im Blut sich hauptsächlich auf sein Spiel konzentriert, hat etwas voyeuristisches - in diesem Fall will ich sie nicht gestellt haben. Schließlich interessiert mich in der großen Hauptsache der klangliche Genuß, den der oder die auf der Bühne sitzende zu übertragen in der Lage ist.

Und außerdem, kann ich mir diese Frage ja selbst beantworten... etwa auf YT kann man sehen, daß diejenigen, die dort sehr gut spielen, praktisch immer konzentriert, zumindest aufmerksam, bei ihrer Sache sind.

Schönen Gruß, Dreiklang
 
Meiner Meinung nach benützen viele Hobbymusiker in der Musik das Wort Interpretation unbedacht, so wie es die threadstellerin auch irgendwo von sich schrieb.

Hallo Manha,

ich selbst gehörte bis vor kurzem zu dieser Klientel ;) -
und was das schöne Fazit angeht, da gebe ich Dir recht. Allerdings, ist der Faden ja noch nicht mal zuende - wenn noch mehr so interessante Beiträge geschrieben werden... ;)

Schönen Gruß, Dreiklang

-------------------------------------------

@Gomez: danke für diesen wirklich Spitzenklasse-Beitrag...! -
ich lerne wirklich viel neues.

(bzgl. des Wörtchens "Apparat" mußte ich googeln:
http://de.wikipedia.org/wiki/Textkritischer_Apparat
http://de.wikipedia.org/wiki/Textkritik)
 
Hallo, Sesam,

Deine letzten Beiträge lese ich mit einiger Verwunderung.

Mutmaßlich hat das wenig mit dem Klavierspielen zu tun, geht mich aber nichts an.

Offenbar geht Dir das alles im Gegenteil sehr nahe - und Du nimmst es persönlich.

Dabei ist die simple Unterscheidung zwischen Professionalität und Liebhaberei
keine Selbstentwertung, sondern nichts als eine Folge realistischer Selbsteinschätzung.

Nach erfolgreich besuchtem Volkshochschulkurs kann man an seiner Aquarellmalerei
Freude haben. Sich deswegen nicht gleich als Nachfolger Emil Noldes zu bezeichnen,
ist keine Selbstentwertung.

Sicher ist nur, daß Professionalität nicht an (institutionellen) Unterricht gebunden ist -
dafür gibt es genügend Gegenbeispiele: im pianistischen Bereich Clara Haskil,
im kompositorischen Mussorgsky oder Satie, in der Malerei Henri Rousseau.

HG, Gomez
 
Das richtige Spielen folgt aus dem richtigen Verstehen der Musik.

Lieber Gomez: Danke!
Anzufügen ist noch, dass die praktische Umsetzung des Verstandenen mit entsprechend gekonntem Instrumentalspiel verbunden werden sollte. Zack. Peng. Aus. Palaver nutzt nicht.

@sephilosophia
...solche beleidigten Reaktionen waren vorauszusehen - gräme Dich aber dewegen nicht.

@PianoPuppy
Danke für die klaren und richtigen Bemerkungen!
 
Das richtige Spielen folgt aus dem richtigen Verstehen der Musik.

Lieber Gómez,

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Auf die Stelle mit Eduard Steuermanns Klavierunterricht werde ich schon noch stossen. Ich muss ja auch noch die Stelle mit der Chopin Ballade finden auf die Rolf bereits vor längerer Zeit verwiesen hatte, und damit dem Legendentonfall auf die Spur kommen. ;-)

Zur Interpretation wird es wohl noch vieles geben, aber da Grundsätzliches einmal für mich geklärt ist, kann ich ja jetzt mit mehr Muße nach entsprechender Literatur Ausschau halten, oder ich schmuggle mich einfach auf der MuWi in eine entsprechende Vorlesung ein. :D

Interessant, aber auch enttäuschend, deine Erläuterungen zu den Urtexten. Dass manche Sachen einfach nicht geklärt werden können, nun das ist halt mal so, und kann man wohl nicht ändern, aber etwas mehr Sorgfalt im Umgang mit zur Verfügung stehenden Informationen wäre schon angebracht.

Zu dem oben zitierten, gäbe ich jetzt einmal vorsichtig meine Zustimmung und muss da wohl mit Rücksicht auf Rolfs Befindlichkeit hinzufügen, ja, mir ist klar, dass die erste Hürde die Technik ist, ... obwohl die Musik zu verstehen (lernen) ist ja an und für sich schon eine schöne Sache.

Herzliche Grüsse, PP
 
Das richtige Spielen folgt aus dem richtigen Verstehen der Musik.
Lieber Gomez: Danke!
Anzufügen ist noch, ..... .Zack. Peng. Aus. Palaver nutzt nicht.

Genau dieses "richtige Verstehen der Musik" interessiert mich. Gomez' Ausführungen zielten wohl in die Richtung, daß man die Komposition im wörtlichen Sinne als ausgewogene "Zusammenstellung" verstanden und in ihren Einzelheiten durchdrungen hat.

Aber ich habe den Verdacht, es genügt nicht, "einfach nur" ein schönes Bild einer musikalischen Landschaft für dieses Stück zu entwerfen, in welche das Stück eingebettet ist, und welche auch sehr gut zum Charakter des Stückes paßt? Wenn ich meine Lieblingsaufnahmen mir anhöre, dann finde ich diese "Landschaft" einfach besonders gut gelungen: Tempo, Timing, und so fort... mehr "höre ich nicht heraus".

Inwiefern, sind musikwissenschafltiche Erkenntnisse (z.B. im historischen Kontext) obligatorisch für den Stil einer Interpretation? Kannst Du das ausführen, bzw. ein Beispiel nennen?
Was wäre z.B. ein Fauxpas für eine Interpretation, die gegen solche musikwissenschafltichen Erkenntnisse verstößt oder verstoßen hat?

Mit anderen Worten: welche begrenzenden Faktoren gibt es, welcher Art auch immer (abgesehen von der spielerischen Technik, die ja Präsupposition ist), beim Erarbeiten einer "Interpretation"?

(Eine solche mögliche Grenze kommt mir selbst gerade in den Sinn: nämlich, wenn man eine Komposition etwa der Lächerlichkeit preisgeben will... z.B. einen Bach "tänzerisch-rubato" spielt, oder einem Beethoven bewußt alle Kraft wegnimmt)

Danke im voraus, für eine Antwort

Schönen Gruß,
Dreiklang

-----

P.S. (ich vermute, das "Zack. Peng. Aus. Palaver nutzt nicht." hat eindeutig das Zeug zum running gag :D)
 

Vielleicht hilft eine Metapher, ein Bild weiter:

wenn man sein Interesse an klassischer Musik entdeckt (hat) und beschließt, das Klavier spielen zu erlernen, kann man es vielleicht mit dem Samenkorn eines Baumes vergleichen: sehr wertvoll trägt es bereits alle Anlagen in sich, zu einem wunderschönen Baum zu werden, der sehr lebendig ist, sich immer wieder verändert und weiter wächst und gedeiht.

Beschäftigt man sich nun mit dem Klavierspiel, fällt also das Samenkorn auf fruchtbaren Boden, wird aus ihm ein zarter Spross, liebevoll umsorgt, gepflegt und gehegt, mit allem versorgt, was er braucht.

Der Spross wächst zu einem kleinen Bäumchen heran, dessen Triebe sich immer mehr verzweigen, dessen Stabilität wächst, der aber immer noch von einem Stab an seiner Seite gestützt werden muss.

Durch sorgsame Pflege und einer liebevollen Wertschätzung dieses Bäumchens entwickelt sich allmählich ein Baum, erst noch anfällig durch Krankheiten, Tiere etc., dann aber immer selbstständiger, kräftiger, bis aus ihm schließlich ein stattlicher Baum geworden ist, gereift in jahrelangem Wachstum. Als uralter Baum hat er schließlich eine Ausstrahlung von Weisheit und Stärke. Er hat viel gesehen, viel erlebt.

Ohne den Sprössling gibt es keinen Baum, ohne den Trieb, das Samenkorn auch nicht. Ich nenne den Baum eben erst einen Baum, wenn er ein Baum ist. Aber wie der Spross etc. umsorgt und gehegt wird, bestimmt, was für ein Baum aus ihm wird. Der Spross ist sehr viel wert und verdient alle Wertschätzung, die er nur kriegen kann.

Liebe Grüße

chiarina
 
:kuss:
den hast Du Dir redlich verdient!!!
Ein super Beitrag!!!

Lieber Rolf,

Auch dir noch einen herzlichen Dank für deine Zustimmung! Manchmal ist es ja schon schön zu wissen, nicht auf dem falschen Dampfer zu sein. ;-)

In diesem Thread wurde ja schon mehrmals die "Gefühlsverfassung" des Pianisten während der Interpretation/Darbietung angesprochen.

Auch in Alekos Stückchenthread war das mal kurz ein Thema:

Ob ein Interpret, der zum hundertsten Mal die Appassionata aufführt,
selbst noch viel dabei empfindet - dazu müßten sich die hier im Forum
anwesenden Berufspianisten äußern.

Ist es tatsächlich möglich ein Stück aufzuführen, und dabei die Gefühle aussen vor zu lassen? Ich stelle mir das schlicht unmöglich vor. Noch schlimmer stelle ich mir das für die Sänger vor, wie sollen die die richtige Emotion rüberbringen, ohne selbst das von ihnen Dargebotene in diesem Moment tief zu empfinden?

Herzlichst, PP
 
@ Dreiklang
Inwiefern, sind musikwissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. im historischen Kontext) obligatorisch für den Stil einer Interpretation? Kannst Du das ausführen, bzw. ein Beispiel nennen?
Was wäre z.B. ein Fauxpas für eine Interpretation, die gegen solche musikwissenschaftlichen Erkenntnisse verstößt oder verstoßen hat?

Nicht unbedingt: „Ich wünsche nicht, daß man meine Musik interpretiert; es genügt, daß man sie spielt.“ (Ravel, zit. nach Wolters, Handbuch der Klaviermusik zu zwei Händen)

LG

Pennacken
 
Interessant, aber auch enttäuschend, deine Erläuterungen zu den Urtexten.
Dass manche Sachen einfach nicht geklärt werden können, nun das ist halt mal so,
und kann man wohl nicht ändern, aber etwas mehr Sorgfalt im Umgang
mit zur Verfügung stehenden Informationen wäre schon angebracht.

Liebe PP,

Dein Wort in die Gehörgänge der Editoren und Verlage!

Aber deren Tage sind ohnehin gezählt - was mir meinen Brotberuf raubt
und mich trotzdem nicht unglücklich macht, denn dann werden wir uns unsere Notenausgaben
selbst erarbeiten und können auf dubiose Herausgeber-Entscheidungen pfeifen.

Der Bestände der Handschriftensammlungen und Bibliotheken werden irgendwann
vollständig digitalisiert und einsehbar sein (gegen Benutzungsgebühr oder auch für lau).
Natürlich wäre es schöner, sich über ein Originalmanuskript beugen zu können.
Aber ehe man dafür um die halbe Welt fliegen muß, freuen wir uns an den Möglichkeiten,
die das www bietet. Die Qualität unserer Ausgaben hängt dann allein von der Bildschirmqualität ab.

Lassen wir der Omi den Vortritt:

http://www.google.de/url?sa=t&sourc...sg=AFQjCNFMOcbTDyE_5n7zYdIca2nruah5oQ&cad=rja

Bei Frydrych Franciszek, dem polnischen Nationalheiligen,
haben unsere östlichen Nachbarn die Nase vorn:

http://en.chopin.nifc.pl/chopin/main/page bzw.:http://en.chopin.nifc.pl/institute/publications/facsimile

Alte Ausgaben lassen sich hier einsehen: http://www.lib.washington.edu/
- z.B.: http://www.google.de/url?sa=t&sourc...K52cQF&usg=AFQjCNH8i-DgIkUycXsJbuYL7lN0Qsu6hA

Bei den MuWis mußt Du dann auch nicht mehr vorbeischauen,
weil die auf keiner anderen Textgrundlage arbeiten, als Du es tun wirst.

Herzliche Grüße!

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
„Ich wünsche nicht, daß man meine Musik interpretiert; es genügt, daß man sie spielt.“ (Ravel, zit. nach Wolters, Handbuch der Klaviermusik zu zwei Händen)

Ravel äußerte das in einer Zeit, in der man sich bzgl. des freien Rubato etwas weniger Zwänge als heute auferlegte (z.B. galt Artur Rubinsteins Art und Weise, Chopin zu spielen, vielen damals als zu sachlich) - mit dieser allgemein sehr freien Rubatomanie war Ravel nicht ganz einverstanden.
 
Hallo, Dreiklang!

Inwiefern sind musikwissenschafltiche Erkenntnisse (z.B. im historischen Kontext)
obligatorisch für den Stil einer Interpretation?
Kannst Du das ausführen, bzw. ein Beispiel nennen?
Was wäre z.B. ein Fauxpas für eine Interpretation, die gegen
solche musikwissenschafltichen Erkenntnisse verstößt oder verstoßen hat?

Musikwissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht obligatorisch - wo kämen wir da hin?

Natürlich gibt es Detailfragen zur Aufführungspraxis älterer Musik,
zur Ausführung einer bestimmten Verzierung, zum Tempo etc.,
auf die die Musikwissenschaft mehr oder weniger klug antwortet.

Aber zu einem vertieften Musikverständnis kann sie nicht beitragen,
das muß man schon mitbringen oder sich erarbeiten:

Zitat von Erik Satie:

"Bevor ich mich an die Niederschrift eines Werkes mache,
gehe ich ein paar Mal mit mir zusammen um es herum."


Ehe man etwas spielt, sollte man auch ein paar Mal um das Werk herumgehen.

HG, Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lassen wir der Omi den Vortritt:

http://www.google.de/url?sa=t&sourc...sg=AFQjCNFMOcbTDyE_5n7zYdIca2nruah5oQ&cad=rja

Bei Frydrych Franciszek, dem polnischen Nationalheiligen,
haben unsere östlichen Nachbarn die Nase vorn:

http://en.chopin.nifc.pl/chopin/main/page bzw.:http://en.chopin.nifc.pl/institute/publications/facsimile

Alte Ausgaben lassen sich hier einsehen: http://www.lib.washington.edu/
- z.B.: http://www.google.de/url?sa=t&sourc...K52cQF&usg=AFQjCNH8i-DgIkUycXsJbuYL7lN0Qsu6hA

Bei den MuWis mußt Du dann auch nicht mehr vorbeischauen,
weil die auf keiner anderen Textgrundlage arbeiten, als Du es tun wirst.

Lieber Gómez,

Danke für die Links!

Ich glaube, ich muss meinen Chef um Kündigung bitten, denn schön langsam wird's eng mit der verfügbaren Zeit. ;)

Herzlichst, PP
 

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