Theorie bildet sich im Unterbewußtsein zu einem Kontrollmechanismus aus, das darf man nie vergessen...
Das meinte ich wörtlich. Als Fazit muß man den ungetrübten Blick wieder üben und der Zauber kommt zurück. Ich kann guten Gewissens behaupten, daß ich mich im Handwerk des Gitarrespielens gut auskenne, deswegen schaue ich aber trotzdem nicht jedem Gitarristen auf die Finger - war aber mal anders.
Noch etwas zum Komponieren:
Wenn ich umbedingt eine Idee brauche, denke ich mir zum Beispiel irgendeinen dummen Satz aus - "die schöne Frau steht bei der Sau" ist absolut geeignet. Den versuche ich dann auf dem Klavier zu spielen - nicht übersetzt, nur die Stimmmelodie. Als Ergebnis kann eine völlig sinnfreie Gefühlskaskade, eine Programmmusik über einen entgleisten Schnellzug oder alles andere herauskommen, es braucht keinen Bezug zu dem ausgedachten Satz zu haben.
Wenn man die Idee erstmal hat, muß man Tonart, Takt und Tempo festlegen und sich für eine Form entscheiden. Tempo kann noch variiert werden, als Takt könnte man auch festlegen, daß das Stück nicht in Takte gegliedert wird (wozu auch immer....) und zu Tonart zähle ich auch "atonal".
Jetzt kann es nicht schaden, ein Gerüst zu entwickeln, bei einem Lied z.B. Anfang, Strophe, Refrain und Ende. Dann braucht man nur noch zu ende zu schreiben und - je nach Routine - an den Feinheiten zu feilen - z.B. sicherstellen, daß alles spielbar ist. Ich habe vor kurzem etwas geschrieben, wo in man in einer Passage ein separates Pedal für die rechte Hand benötigt hätte, das ist leider heute noch nicht von Menschen spielbar. Zuguterletzt sorgt man für eine passende Präsentation, sei es durch gutes Spielen, sauber geschriebene Noten oder eine Aufnahme zum Beispiel. Wenn man die oben beschriebene Ideenfindung verwendet, gibt es noch ein Problem: Man muß einen Titel finden.
Ein bischen Theorie braucht man also: Tonart und Takt muß man richtig benennen können, man sollte den Tonumfang des Klaviers kennen und eine Idee davon haben, was spielbar ist. Einen Walzer sollte man nicht Rumba nennen usw. Wenn man für den Eigenbedarf komponiert, muß man auch seine eigenen Grenzen kennen, das ist garnicht so einfach, wie ich festgestellt habe, man muß ja nicht umbedingt so komponieren, daß man es sofort spielen kann, aber doch so, daß man es in einer angemessenen Zeit einüben kann.
Ich weiß nicht, ob ich zum Thema Präsentation noch etwas Grundlegendes vergessen habe. Ein Detail wurde ja schon angesprochen: Enharmonische Verwechslung. Selbst wenn man theoretisch nicht so bewandert ist, kann man ja wenigstens vermeiden Intervalle aus den gleichen Tonstufen mit verschiedenen Vorzeichen zu konstruieren - z.B. Cis und Des.
So, das ganze ist kein Rezept und auch keine Vorschrift. Es gibt bestimmt unzählige weitere Möglichkeiten zu komponieren und ich habe selbst auch kein festes Schema.
Fast vergessen: Man sollte sich auch überlegen, für welches Publikum man schreibt bzw. ob es für das Stück ein passendes Publikum gibt - und wenn es nur man selbst ist. Das hilft bei der Ausarbeitung der "Dramaturgie".