In einer Stunde kannst du mehr erreichen, als in gar keiner :)
Übst du denn die gleichen Stellen in den aufeinander folgenden Tagen oder übst du jeden Tag andere Stellen?
Ich halte es für sinnvoller, erst einmal nur eine Seite (oder gar eine halbe) versuchen auf Tempo zu bringen. Auch wenn du die erste Seite noch nicht ganz auf Zieltempo gebracht hast, aber kurz davor bist, kannst du schon zur nächsten Seite übergehen.
Sviatoslav Richter hat auch so geübt. In der Dokumentation über ihn sagte er selbst, dass er erst einmal eine Seite übt und wenn er sie kann, dann übt er die nächste Seite. Klingt zwar banal. Macht aber Sinn! :)
Das hat auch den Vorteil, dass du schneller Erfolge wahrnimmst und noch motivierter bist.
Hallo,
das ist auf jeden Fall der entscheidende Faktor, auf diese Weise zu üben. So habe ich mir bisher alle Stücke erschlossen. Seite für Seite, wobei ich mich nicht unter Druck setze. Oftmals schaue ich mir ein neues Stück vor dem Spielen am Schreibtisch an, weil mich die Gliederung, also die Phrasen, interessiert. Die Unterschiede sind so auffällig, das sieht man schon beim Lesen der Notengestalten, daher kann man sie ziemlich gut erkennen.
Meist übe ich zunächst die Phrasen nacheinander. Das hat auch den Vorteil, dass man so immer kleine Abschnitte gezielt trainieren kann und nicht an zu großen Teilen verzweifelt, weil man sich zuviel vornimmt. Auch für das Fingergedächtnis ist es besser, zumal, wenn man noch einen anderen Beruf hat (nein! Eben nicht "nebenher" ... :D)
Insoweit löse ich mich manchmal auch von dem Dogma "einzelne Seiten komplett", je nachdem, wie schwierig das Stück ist. Bei einer Chopin-Etüde z. B. bearbeite ich ganz sicher nicht ganze Seiten am Stück , sondern "zunächst" eben diese Phrasen. Das erspart mir auch Probleme beim Üben der Übergänge zwischen den Phrasen.
Ich habe nämlich schon bei schwierigen Stücken gemerkt, dass statisches Üben von jeweils konsequenten Seiten mir Nachteile bringt, wenn es an die Übergänge geht. Indem ich einzelne Phrasen trainiere, kann ich viel intensiver in meine Hände hineinspüren (z. B. Muskelspannung, Temparaturgefühl sowie sonstige Empfindungen z. B. auffällige Bewegungsmuster).
So merke ich dann auch wesentlich deutlicher, ob ich z. B. zum Zeitpunkt des Phrasenwechsels kurz mal die Muskulatur meiner Hände lockern muss (für den Bruchteil einer Sekunde), um dann wieder anzuspannen und mit entsprechender Präzision weiterspielen zu können.
Für alle, denen das jetzt zu theoretisch war, hier ein Beispiel, wie ich das empfinde: Bei Chop. 10/3 gibt es den Kopfsatz mit "In mir klingt ein Lied", der dann in den Mittelsatz übergeht. Ich habe gemerkt, dass ich im Zuge des Phrasenwechsels zwischen Kopf- und Mittelsatz die Handmuskulatur kurz lockern muss, um sie dann wieder anspannen zu können.
Nach dem Ausklingen des letzten Tones des Kopfsatzes ist dafür ca. eine Sekunde Zeit. Man kann nämlich hier eine Atempause setzen. An dieser Stelle stehen allerdings keine Pausen in den Noten (!). Man muss jedoch musikalisch fühlen, dass der Kopfsatz hier endet und dann der Mittelsatz beginnt. Ich finde dieses Beispiel auch wieder passend dafür, dass man eben nicht alle klanglichen Bestandteile eines Musikstückes durch die Notenschrift "fesseln" kann. Indem ich diese Atempause setze, erhöhe ich die klangliche Wirkung deutlich. Selbst Pollini spielt in seiner entsprechenden Referenzaufnahme an dieser Stelle nicht gleich weiter. An dieser Stelle zwischen den Phrasen, in dieser Atempause also, kann man seine Hände entsprechend "neu" präparieren, um dann ziemlich entspannt, weil man die Handmuskeln ja tatäschlich gelockert hat, weiterzumachen.
Das habe ich alles selbst "erforscht" und ausprobiert, da ich aus Zeitgründen (beruflich) keinen Unterricht nehmen kann. Ich komme damit eigentlich gut zurecht, jedenfalls viel besser, als wenn ich das Beschriebene nicht machen würde.
So, und jetzt mögen mich die Klavierpäpste hier in "Acht und Bann" legen, weil das in ihren Augen ein völlig untunliches Verfahren sein mag.
Schönen Sonntag wünscht Razo