Um mal beim Pathologisieren zu bleiben: Ich habe ein dezent neurotisches Verhältnis zu klassischer Musik. Sie zieht mich einfach zu sehr in ihren Bann. Musik - wie sonst nur olfaktorische Reize - gehen unmittelbar ins limbische System und aktivieren dort Gemütszustände, die sehr intensiv sein können. Schopenhauer hat es beeindruckend zu analysieren versucht.
Beim Autofahren könnte ich keine klassische Musik hören, ohne zur Gefahr im Straßenverkehr zu werden. Beethoven als Hintergrundmusik beim Essen - da krieg ich keinen Bissen runter. Ich war mal im Pantheon, ein paar gute Freunde besuchen (Voltaire, Rousseau, Hugo, Zola), da spielten die über die Beschallung plötzlich den letzten Satz der Neunten von Beethoven, woraufhin mir véritablement die Knie versagten.
Man muss sich m. E. auf klassische Musik "einlassen" können. Dazu braucht man ein bisschen Ruhe und Konzentration - vielleicht steht nicht jedem in jedem Lebensabschnitt oder in jeder Situation der Sinn danach. Vielleicht ist die Fähigkeit sich "einzulassen" auch eine Persönlichkeitsfrage? Der Sensibilität? Oder eine Frage der Sozialisation? Des hermeneutischen Bildungshintergrunds? Oder alles zusammen?