spielen statt klimpern - nur wie???

Das ist aller Ehren wert für die kurze Zeit, jedenfalls kein "Geklimper". Dass der Anschlag noch nicht so ausgefeilt ist, erwartet doch niemand. :-)
 
Moin spinette,

das Menuett gehört auch zu meinem bescheidenem Repertoire. Zu deiner gestellten Frage nach den Tricks kann ich Dir wenig Input geben, spiele selbst erst seit 9 Monaten Klavier. Insofern sehe ich meinen Eintrag hier auch eher als Reflektion meines eigenen Umgangs als eine möchtegern Hilfestellung. 2 Dinge:

1. Die Erfahrung, dass sich das Stück bei der Aufnahme "anders anhört" als während dem Spielen begreife ich als völlig normal: Man konzentriert sich auf die Noten, den Takt, gewisse Teilaspekte wie bspw. Verzierungen, schwierige Passagen etc.. Das Hören während dem Spiel ist quasi eine neue Ebene, die eben wie das Lernen der Tasten ein Teilaspekt im Studium des Stückes ist. Ich bspw. gehe relativ strukturiert an ein neues Stück: 1. Linke Hand, 2. Rechte Hand, 3. zeitgleich, 4. mit Rhythmus, 5. mit passender/erhöhter Geschwindigkeit, 6. Gefühl für das Stück, 7. das Stück während dem Spielen hören, 8. das Stück VOR dem Spielen hören.

Klar variiert dieser Vorgang mit dem Stück, zum Beispiel wenn der Rhythmus besonders schwierig/ungewohnt ist, übe ich diesen zunächst mit Klatschen, Füßen, ggf. mit bekannten Akkord- und Tonfolgen. 5 ist ggf. auch spielniveauabhängig.

Zu Punkt 6-8 möchte ich etwas ausführlicher werden, gerade weil ich hier auch "dein Problem" wiedererkenne: Das bewusste Hören sollte man nicht unterschätzen - übrigens, wie auch bei allen anderen Sinnen. (siehe bspw. bei den Malern das Erlernen der Perspektive, die Übertragung von Realität auf die Bildebene, Licht-und Schatten etc. Einschließlich und insbesondere auch wieder das Gefühl für Perspektive etc. zu erlernen/zu erleben..) Ich trenne dabei die Ohren und das technische Know-How.

Das Wissen um den Aufbau der Musik (Rhythmus, Melodie, Harmonie, Takt) ermöglicht das Gehörte zu fokussieren, sprich, zu trennen und Teilaspekte herauszugreifen. Auf einmal hat Musik Struktur - analog ist es auch mit dem Klavierton. In Bezug auf die Technik: Erst das Wissen um die unterschiedlichen Klanggestaltungen eines Tones ermöglicht eine bewusste Verzierung des Stückes nach der Klangvorstellung, und umgekehrt, von der Klangvorstellung zur Klanggestaltung. Das ist ein sehr komplexes Feld, welches beim Neuling erstmal entwickelt werden muss (im Gehör!): Manche Töne eines Stückes klingen erst mit der richtigen rhythmischen Struktur, oder wenn der Druck länger/kürzer als der nächste ist, oder wenn sie zeitgleich stattfinden (Harmonien). Was ich sagen will: Derweil sitzt Du wohl vor deinem Klavier und weißt nicht, wie Du die Töne malen sollst: Du stellst einfach nur einen Unterschied zum Soll fest. Du hast keine Klangvorstellung, wie es besser wäre; Dir fehlt das Wissen, deine Klangvorstellung umzusetzen und, Dir fehlt ggf. sogar das Spielniveau, um überhaupt die Töne miteinander verbinden zu können.

Das Alles sind Erfahrungen des Hörens und des Interpretierens vom Gehörten, in Bezug auf die Technik. Dazu kommt das eigentliche Hören, eben u.a. während dem Spielen: Die Auf- und Abbewegungen der Musik, sowie ihre prägnanten Punkte (das harmonische Zusammenspiel; der musikalische Höhepunkt) müssen erstmal wahrgenommen und dann aber auch nüchtern betrachtet werden können. Mir fällt es bspw. ungemein schwer den Rhythmus herauszuhören/fühlen, weil die Melodie "so laut" ist. Man muss erst lernen den Rhythmus von der Melodie zu lösen, um sie dann wieder zusammen hören zu können. Ähnlich ist es bei der Melodie: Die einzelnen Töne zu hören ist etwas ganz anderes, als die Melodie zu hören. Die einzelnen Töne nach ihren Anschlagsmustern herauszuhören etwas anderes, als den Ton zu hören. Und wenn dann - wie beim Menuett - ein regelrechter Tanz zwischen den Zeilen steht, ist neben dem Spielen noch die Coolness gefragt, das Stück als "Klavierspieler" und nicht als "Hörer" zu hören. Als Training versuche ich mir das Stück VOR, aber halt während dem Spielen, vorzustellen, also vor jedem Tastendruck den Ton im Inneren zu hören...

2. Zu deiner Lieblingsinterpretation von "spielend Klavier lernen" und letztlich auch zu deiner: Mir gefallen beide nur mäßig. Als Erklärung dazu will ich "Ben Hur" anführen: Ben Hur ist Wagenlenker und versteht es im richtigen Moment seine Pferde zu zügeln oder sie los zu lassen. Sowohl bei deiner Lieblingsinterpretation als auch bei Dir fehlt mir die dem Stück innewohnende Expressivität. Klar, es mag heißen "die Finger nah bei den Tasten lassen", aber Herrgott das Stück springt und tanzt und lacht und ihr klebt mit euren Fingern an der Taste und haltet euer Handgelenk schön parallel.. Gerade in diesem Stück ist doch fast jeder Ton erlebbar ein Schritt eines Tänzers, nach vorne und zurück, und im Kreis.. da kann ich doch nicht beherrscht an meinem Klavier hocken.. Bei Dir kann ich das verstehen, aber bei diesem Onlinelehrer können selbst die schönen Verzierungen die Technokratie resp. Farblosigkeit dahinter nicht mehr wettmachen.. Ich glaube im Fachjargon gesprochen ist mein Motto zum Stück "mehr Staccato".. Lass die Finger ausbrechen, sich dem Sog der Musik ergeben.. herrje!

Anbei, das ist meine Lieblingsinterpretation auf Youtube. Sie illustriert m.E. die Sprunghaftigkeit, Freude, den Tanz, der im Stück zu finden ist und darzustellen wäre..


View: https://www.youtube.com/watch?v=t0hHa4hPkA8
 
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Man kann so ein Stückchen auch totinterpretieren. Vieles ist einfach Geschmackssache und bei solchen Barock-Stückchen hat man viele Freiheiten, da gibt es kein richtig oder falsch.
Man kann daran natürlich gut üben, verschiedene Vorstellungen / Interpretationen (tragend, bewegt, schwer, leicht) umzusetzen (das braucht Zeit und manche Sachen muss man nicht nur lernen, sie müssen auch reifen und über Jahre geübt werden). Dazu lassen sich auch sehr gut die Wiederholungen nutzen, die man unterschiedlich spielt. Hat man meines Wissens in dieser Zeit auch so praktiziert.

Dann mach Dir mal keinen Kopf und gib Dir mehr Zeit. Sei froh, dass Du dem anfänglich dankbaren Klavierspiel frönst. Geklimper klingt verhältnismäßig gut im Vergleich zum Gekrächze einer Geige. :-D

Und rechne damit, dass Dein Spiel IMMER wie Geklimper klingen wird im Vergleich zu Profis. Das ist bei 90% der Amateure so, das ist aber auch ok.
 
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Die Erfahrung, dass sich das Stück bei der Aufnahme "anders anhört" als während dem Spielen begreife ich als völlig normal: Man konzentriert sich auf die Noten, den Takt, gewisse Teilaspekte wie bspw. Verzierungen, schwierige Passagen etc.. Das Hören während dem Spiel ist quasi eine neue Ebene, die eben wie das Lernen der Tasten ein Teilaspekt im Studium des Stückes ist

Spielen und Zuhören sind zwei völlig unterschiedliche Tätigkeiten. Solange das Spielen die kompletten geistigen Ressourcen in Anspruch nimmt, ist an ein bewertendes und erkennendes Zuhören überhaupt nicht zu denken.
Deshalb üben fast alle guten Klavierspieler unfertige Stücke entweder langsam (da wird nicht die gesamte Aufmerksamkeit durchs Spielen schon aufgefressen) oder in überschaubaren Abschnitten (Takten, Taktgruppen, Phrasen), da ist die Aufgabe zeitlich limitiert und das Ergebnis kann zeitnah evaluiert werden.
Eine der ersten und einfachsten musikalischen Aufgaben, die das 'Klimpern' strukturieren ist die Anwendung des sogenannten grammatischen Akzents, also das Betonen des metrischen Schwerpunkts, d. i. in der Regel die Takteins!
 
Tastendrücker: natürlich sitze ich nicht mit einer Strichliste am Klavier - aber nachdem das Menuett einigermaßen spielbar war, habe ich es am e-piano in ALLEN Variationen (Cembalo-, Vibraphon-, Orgel-, Klavier-Modus etc.) rauf und runter, hin und her gespielt; aber auf schätzungsweise 500 Wiederholungen bin ich vermutlich schon gekommen (und hoffentlich noch lange nicht an dem Punkt angelangt, wo nichts mehr geht...). Zuerst habe ich es auch langsam gespielt, als ich sicherer wurde dann schneller - aber offenbar zu schnell. Mein Klavierlehrer ermahnt mich auch immer - nicht so hektisch bei der Sache zu sein und es laaaangsam angehen lassen, und natürlich auf die metrische Regel (Schwerpunkt grundsätzlich auf der ersten Note im Takt) achten... Zum Üben ist das Metronom auch eine große Hilfe - das werde ich jetzt öfter anstellen...

Barrat: Woher kommt dieser tolle Pianist? Ist er etwa Holländer???? Der Bruder von André Rieu :denken:?????

P.S.: Die erste Zeile des g-moll-Menuetts ist in Arbeit und es geht noch seeehr laaaangsam :puh:- schön, sich jetzt mal wieder etwas Neuem zu widmen und es ist wieder eine ECHTE Herausforderung für mich :-)
 

Bei Deinen Noteneintragungen fallen mir extrem viele Atemzeichen auf. Wenn Du die einzelnen Stimmen singst, würdest Du so oft atmen? Ich finde, Singen ist ein extrem wertvolles Hilfsmittel um zu schauen, wie man phrasieren könnte, wo man - bei neuen Abschnitten - mehr Zeit für´s Atmen läßt, wo man legato spielt und wo nicht.
Beispielsweise würde ein Sänger größere Sprünge selten binden.
Schliesslich ist alle Musik singen.
 
Frage zum „sich selbst zuhören":
mir ist klar, dass man sein eigenes Spiel bewusst hören können muss, um nicht in die Falle zu tappen, in die man gerne tritt, wenn man beim Spielen das Gefühl hat, man würde horowitzgleich über die Tasten gleiten, obwohl es sich real nach Gestümper anhört.
Aber ist es denn überhaupt möglich, das Hören dermaßen komplett vom Spielen abzukoppeln, dass man das Gefühl hat, man würde man wie ein unbeteiligter Zweiter jemandem zuhören, der gerade Klavier spielt?

Welchen Sinn hätte denn das Selbermusizieren dann noch, wenn man die beim Spielen unmittelbar entstehenden Emotionen quasi ausblendet?
Da könnte man ja genauso gut anderen Musikern zuhören...?!?
 
Liebe spinette,

ich habe mir deine erste Einspielung (G-Dur-Menuett) im Einspielfaden angehört und freue mich sehr darüber, dass du hier was einstellst, weil du dich verbessern und Feedback haben willst.

Mir gefällt an deiner Einspielung, dass es rhythmisch ganz in Ordnung ist und du ein Gefühl für das Tänzerische dieses Menuetts hast!

Sehr viel verbessern kannst du am musikalischen Verständnis und dem damit verbundenen Üben! Wie ist dieses Stück komponiert? Wo würdest du wie in Texten Punkt und Komma setzen, wie gliedert sich dieses Menuett? Hast du schon einmal etwas von Vordersatz und Nachsatz gehört? Hier kann man etwas darüber lernen, vielleicht lernst du sogar das dortige Beispiel, ein hübsches Menuett von Rameau:

http://www.musikanalyse.net/tutorials/periode-und-satz/ (Anfang des Textes).

Die Struktur des Stückes bestimmt die Gestaltung und im link kannst du nachlesen, dass bestimmte Töne eine Art roten Faden bilden und die Struktur kenntlich machen.

Dann fragt es sich, wie du z.B. den Vordersatz gestalten willst oder die Teile, die du durch Kommata, Punkte etc. trennen würdest. Wo ist dein Ziel, wo willst du hinspielen? Momentan spielst du alle Töne ziemlich gleich laut und das ist das, was du als klimpern bezeichnest - es klingt unlebendig. Es ist aber so, dass Melodien der Sprachmelodie sehr ähnlich sind, sich spannen und entspannen und ein oder mehrere Höhepunkte aufweisen. Such mal im Archiv nach "Phrasierung" - da gibt es eine Menge.

Dann stehen die Harmonien untereinander in bestimmten Spannungverhältnissen und es lohnt sich, sein Ohr darauf zu richten. Das verbindet man prima mit Harmonielehre.

Das bedeutet auch ein flexibles und vielfältiges Üben, bei dem man keinesfalls immer nur durchspielt. Man hört das Stück quasi immer wieder aus neuen "Hörperspektiven" und dann wird es nicht mehr klimpernd klingen.

Statt Etüden und Metronom lieber mit Hilfe des KL das Stück verstehen und intensiver hören lernen, bringt dich weiter! :) Am besten gleich dann, wenn man das Stück beginnt zu üben.

Dabei wünsche ich dir viel Freude und Erfolg! :)

Liebe Grüße

chiarina

Ich hab eine Idee.

Könnten wir das von Chiarina Beschriebene nicht hier zusammen bearbeiten und besprechen, gern anhand des G-Dur Menuetts?
Ich meine damit die theoretische Analyse. Praktisch umsetzen könnte es jeder für sich am Klavier und Einspielungen hier hineinsetzen oder auch nicht.
 
Aber ist es denn überhaupt möglich, das Hören dermaßen komplett vom Spielen abzukoppeln, dass man das Gefühl hat, man würde man wie ein unbeteiligter Zweiter jemandem zuhören, der gerade Klavier spielt?

Wenn das tatsächlich klappt - und das ist selten, und nur bei bereits gut geübten Stücken - dann ist das die wirkliche Erfüllung!
Man spielt ob zu Hause oder vor 500 Leuten und nicht ich, sondern ES spielt; das ist schon sehr exstatisch (Claudio Arrau beschreibt das sehr schön).
Zuweilen ist das Ergebnis aber für die Zuhörer etwas arg entspannt und wohltemperiert, also langweilig !
Eher geeignet für den 2. Satz von op. 111 als für den ersten.
Aber so extrem braucht man das fürs tägliche Üben denn nun doch nicht!
 
Welchen Sinn hätte denn das Selbermusizieren dann noch, wenn man die beim Spielen unmittelbar entstehenden Emotionen quasi ausblendet?
Da könnte man ja genauso gut anderen Musikern zuhören...?!?

Das exstatische Gefühl, sich nicht mehr um den Spielvorgang (Technik im weitesten Sinne, Klangkontrolle, ... kümmern zu müssen, weil es einfach klappt ist das Endziel für viele Musiker! Sozusagen das El Dorado oder Atlantis!
Das öffnet weite Räume für Empfindungen, die man beim Zuhören im Konzert nicht mal erahnt!
 
Die uralte Frage! Was war zuerst und was ist wichtiger???
Rhythmus oder Melodie?
Ich tendiere stark dazu diese Frage für nichtig zu halten. Aber dass nicht alle Musik singt, dürfte wohl als gesicherte Aussage durchgehen.
Allerdings ist es für Pianisten, deren Instrument eher weniger mühelos singt schon wichtig ein brauchbares Cantabile zu erarbeiten!
 
Hören ist gut und Voraussetzung, doch gelegentlich denke ich mir, ab und an ist "Hören und Sehen" besser als nur hören. Hier ein Ausschnitt aus der Velocity (Anschlagsdynamik) mit den ersten 10 Takten vom Bach Menuett in G.
Zur Qualität der zugehörigen Midi-Einspielung möchte ich nichts sagen, bin jedenfalls froh, dass es derartige Quellen gibt: https://www.8notes.com/scores/2402.asp

Zum "Hören und Sehen" ist ein geeignetes Programm erforderlich.

Velocity-Bach-Menuett.png
 
Tastatula: Das stimmt allerdings :super: - und ist, wieder einmal, ein bisschen auf meine Hektik zurückzuführen und darauf, dass ich auch ein visueller Typ bin (siehe die Totenköpfe :dizzy:). Mein Klavierlehrer meinte, dass bei diesem Stück nämlich grundsätzlich die Achtelnoten im legato und die Viertelnoten eben nicht verbunden gespielt werden sollten - denn es handelt sich ja um eine Schreittanz. Von daher war ich dann mit dem Bleistift schnell bei der Sache. Allerdings weiche ich davon beim Spielen auch ab in der Oberstimme. Die linke Hand dagegen hat kaum legato-Stellen... ja, das Notenblatt sieht mit den Eintragungen ein bisschen wuschig und luschig aus, aber für mich eine große Hilfe (vor allem die Fingersätze :-)).

Klein wild Vögelein:
Das ist eine Super-Idee, das Stück zu analysieren, um dann die „Idee“ in Musik umzusetzen... Wenn es mit der Interpretation von dem Menuett besser klappt, werde ich auf jeden Fall noch mal was bei youtube hochladen (am liebsten auf einem richtigen Klavier - das zeichnet ja die Könner aus -): ich brauche da allerdings noch ein paar Klavierstunden :super:
 

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