C
chiarina
Guest
Da geht eine junge Frau in völlig normaler Alltagskleidung (Jeans und durchschnittliches langärmliges Top) ins Fernsehen (...)
Das sehe ich auch so! Wenn da irgendeine aufgesetzte Erotik oder sonstwas im Spiel sein sollte, müsste ich mir um alle Schulkameradinnen meiner Söhne und alle meine Schülerinnen ernsthafte Sorgen machen! :D Das Minikleid, dass sie bei Helge trägt, ist für mich absolut passend. Und auch sonst ist ihre Kleidung und ihr Auftreten völlig in Ordnung. Es kann ja nicht sein, dass jetzt jede normale weibliche Geste im Hinblick auf zu fördernde Verkaufszahlen und aufgesetzte Erotik interpretiert wird.
....habe ich diese Diskussion seit dem oben zitierten Post für mich als Neiddebatte abgehakt.
Das würde ich nun wieder nicht sagen. :p Er hat ja ganz hervorragende Pianisten verlinkt und ich danke sehr (!) für die Nennung von Sofya Gulyak, die ich - Schande - bisher nicht kannte.
Und das gibt zumindest mir schon zu denken: die Pianistin, die Leeds, einen sehr renommierten Wettbewerb gewonnen hat, kenne ich und vermutlich viele andere nicht, Olga Scheps etc. aber schon. Gulyak spielt auch aus meiner Sicht auf einem ganz anderen Niveau.
Junge Künstler, die hübsch sind und gut aussehen, sind vermutlich leichter zu vermarkten. Ich finde dieses Interview ganz interessant:
"Die perfekte Beherrschung eines Instruments garantiert heute keine Karriere mehr" | Musik in Dresden - Musik in Dresden: Ein Spiegel der Dresdner Musikszene
Und hier ein Auszug aus einem Interview mit Sol Gabetta, einer Cellistin, bei der man auch niemals über ihre Kleidung, wohl aber über ihr Spiel sprechen würde:
Interview mit*Sol Gabetta*-*Planet Interview
"Welche Rolle spielt eigentlich Schönheit bei Ihrem Beruf?
Gabetta: Tja, das wird man oft gefragt: ob man als Musikerin mehr Chancen hat, wenn man eine junge, hübsche Frau ist. Viele Kolleginnen sagen dann, dass sei Quatsch, sie wollen nur ihre Musik machen und es sei ihnen egal, ob sie hübsch sind oder nicht. Aber ich finde, man muss einfach einsehen, dass diese Welt nicht gerecht ist. Nicht alle sind reich, nicht alle sind arm, es gibt hübsche und weniger hübsche Menschen, der eine hat mehr Talent als der andere...
Und ich merke es an mir: Wenn ich in ein Konzert gehe, finde ich es selbst angenehmer, wenn eine schöne Person auf der Bühne steht. Das gehört einfach dazu, schließlich sind wir auf der Bühne. Ich kann es auch ganz gut verstehen, wenn sich jemand in Hélène Grimaud verliebt oder in Anna Netrebko – die sind einfach hübsch. Trotzdem bedeutet das nicht, dass es nicht auch wahnsinnig gute Musikerinnen und Musiker gibt, die vielleicht weniger hübsch sind aber trotzdem sehr viel zu sagen haben mit ihrer Musik. Und eigentlich geht es gar nicht um äußere Schönheit...
...sondern?
Gabetta: Sondern um Ausstrahlung. Der Körper, die Haare, die Augen, das alles ist nur die Fassade. Die Begeisterung des Publikums gegenüber einem Musiker hat mit dessen Persönlichkeit, seinem Musizieren und der Art und Weise zu tun, wie er mit dem Instrument umgeht.
Wie würden Sie denn Ausstrahlung definieren?
Gabetta: Das ist schwer zu sagen. Mit Ausstrahlung funktioniert der Kontakt zwischen Musiker und Publikum einfach viel besser und viel schneller. Während des Musizierens passiert irgendetwas, wobei man das Gefühl hat „Wow – das ist unglaublich!“
Kann man Ausstrahlung lernen?
Gabetta: Nein, das kann man nicht. Das ist wie Talent, entweder man hat es, oder man hat es nicht. Ich unterrichte ja selbst und sehe dabei genau, dass ich zwar versuchen kann, meinen Schülern bestimmte Wege aufzuzeigen und ihre Qualitäten rauszuholen und zu fördern vermag. Aber jemandem zu sagen, wie er seine Ausstrahlung vergrößert, das geht nicht.
Würden Sie bei manchen Musikern auch von einer erotischen Ausstrahlung sprechen?
Gabetta: Es kommt immer darauf an, wie Sie einen Musiker anschauen und was für eine Erwartung Sie an ihn haben. Nur würde ich es falsch finden, wenn jemand erwartet, dass eine Musikerin wie ein Topmodel aus einem Modemagazin aussieht. Beim Musizieren geht es um andere Qualitäten.
Aber wenn man sich CD-Cover von Geigerinnen oder von Anna Netrebko anschaut scheint erotische Ausstrahlung zumindest für Plattenfirmen eine Rolle zu spielen.
Gabetta: Ja, das stimmt, aber das ist nur eine Frage der Vermarktung. Wenn ein Künstler sich so vermarkten lässt, ist es sein Problem. Ich für meinen Teil bin nicht dafür da, um halbnackt Fotos zu machen, nur damit anstatt 3000 plötzlich 6000 Leute meine CD kaufen."
und aus einem Interview mit Thomas Quasthoff Interview mit*Thomas Quasthoff*-*Planet Interview
"Bei Bobby McFerrin fällt mir ein, dass er - auch wenn er dirigiert - selten im traditionellen Frack erscheint. Würden Sie auch manchmal lieber in zivil singen?
Quasthoff: Schwierige Frage. Für mich hat das Umkleiden unmittelbar auch mit Ehrfurcht und Respekt gegenüber dem zu tun, was man interpretiert, Ehrfurcht gegenüber der Musik. Aber es ist für mich kein "verkleiden", bei meinen Liederabenden trage ich auch weder ein weißes Hemd, noch eine Fliege, weil ich das am Hals grauenhaft finde und ich trage keinen Frack, weil das bei meinem Gang wohl eher dazu führen würde, dass man Fische auf die Bühne schmeißt - na gut, Scherz beiseite. Ich mache es mir schon so bequem wie möglich. Und nur wenn die Klamotten 'stärker' sind als die musikalische Spannung und Wirkung, die ein Künstler erzielt, dann finde ich die Konzert-Kleidung schlecht."
und Mischa Maisky:
"Zum Schluss habe ich eine Frage zu Ihrer Kleidung, ein Journalist schrieb einmal darüber, dass Ihr Outfit ihn an einen Rockmusiker erinnerte - können Sie das kommentieren?
Maisky: Der Journalist meinte vielleicht ein paar Pressefotos, denn auf der Bühne trage ich nie Lederhosen oder Stiefel. Ich bin auch nicht wirklich ein Rockfan, ich mag verschiede Musikrichtungen, Jazz viel mehr als Rock, Rockmusik kenne ich eigentlich kaum. Aber was die Kleidung betrifft, missverstehen das einige Leute sehr oft und interpretieren mein Outfit falsch. Die denken zuerst, ich würde auf der Bühne eine Modenshow veranstalten wollen, was aber ganz und gar nicht der Fall ist. Im Gegenteil, weil ich weiß, dass eine Modenschau im Konzertsaal nichts zu suchen hat, führe ich dort weder einen tollen Christian Dior Frack oder ein Hemd von Armani vor. Wichtig ist die Musik und was immer mir hilft, die Musik so gut wie möglich zu spielen, sollte in Ordnung sein. Ich habe mit verschiedenen Outfits experimentiert aus ganz praktischen Gründen, denn bei der Art und Weise wie ich spiele, verbrauche ich sehr viel Energie. Ich bewege mich viel, schwitze viel - da fühle ich mich sehr unbequem in traditionellen Konzert-Kleidern, Fracks und Schlips. Ich habe sogar einmal selbst versucht, meine Kleider zu designen bis ich aber schließlich den großartigen japanischen Designer Issey Miyake entdeckte. Ich habe mich in seine Phantasie und künstlerische Ideen verliebt, für mich ist er ein Genie und sein Stil gefällt mir sehr. Seine Klamotten sind auch unglaublich praktisch, für jemanden, der die ganze Zeit reist. Man muss sie nicht bügeln, man kann sie sehr einfach verstauen, sie nehmen nicht viel Platz weg ... Diese Kleidung hatte also immer einen praktischen Grund. Aber nachdem man mich nun schon so viele Jahre danach gefragt hat, denke ich, es könnte sein, dass es bei mir vielleicht unbewusst eine Form des Protestes ist, gegen dieses altmodische, konservative Element des Establishments in der Klassik-Szene, mit dem die Musik an sich ja gar nichts zu tun hat. Für viele hat die Klassik ja dieses Image, altmodisch und konservativ zu sein, was natürlich die jungen Menschen abschreckt, noch bevor sie die Chance haben, die Musik zu hören. Wenn die im Fernsehen Bilder von Symphonie-Orchestern sehen, die aussehen wie 100 Pinguine, dann denken sie natürlich schnell, Klassik sei nichts für sie - was ich sehr schade finde, schließlich kann die Musik ja nichts dafür."
Für mich ist es noch immer klar: bei Musikern, die auf sehr hohem Qualitätsniveau musizieren und mit ihrem Spiel in Dimensionen vorstoßen, die neu sind und zutiefst berühren, wird man nicht über ihre Konzertkleidung reden und wenn, dann nur in einem Nebensatz.
Liebe Grüße
chiarina