- Dabei seit
- 1. Apr. 2012
- Beiträge
- 10.991
- Reaktionen
- 10.970
Es kann sogar international erfolgreiche Pianisten wie Fazil Say geben, der mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte auf die Welt gekommen ist und der trotz Operation im Kindesalter niemals das Erscheinungsbild eines männlichen Topmodels abgeben sollte. Aber wozu auch? Er ist nicht nur am Instrument eine echte Koryphäe und keineswegs der Typ des Künstlers, den irgendwelche Vordergründigkeiten interessieren würden und der sich für öffentlichkeitswirksame Vermarktungsstrategien hergäbe. Nötig hätte er es ohnehin nicht.Lang Lang sieht gut aus und hat Sex-Appeal? Echt? Ich hab gerade auch mal in die Echo-Klassik-Liste geschaut (die ist doch kommerziell, oder?) und finde dort keineswegs alle gutaussehend und/oder sexy.
Karriereplanung ist insofern wahrlich kein einfaches Metier, als viele Faktoren mit hineinspielen, die man selbst nicht oder nur wenig beeinflussen kann. Wer Agenturen oder Veranstaltern vorhalten möchte, sie seien zu sehr auf den kommerziellen Erfolg ausgerichtet, muss sich vor Augen führen, dass der wirtschaftliche Erfolg zunächst unerläßlich ist - um nämlich in den schwierigen Phasen einer Karriere (vor allem am Start) eine Erfolgslaufbahn erst mal aufzubauen. Von Anfang an in den Künstler nichts oder wenig investieren und mit ihm sogleich viel Geld verdienen - das wird eher selten der Fall sein. Deshalb sind ja viele Nachwuchstalente zunächst gezwungen, sich selbst zu vermarkten - nachdem sie sich im Studium primär damit beschäftigt haben, das professionelle Musizieren zu erlernen. Damit auch Geld verdienen zu müssen, gehört vielfach zu den sekundären Belangen. Künstler, die fachlich hervorragend sind und sich hervorragend vermarkten können, sind vermutlich selten anzutreffen. Das macht einen Karriereweg auch zu einer vielfach nicht geradlinigen und berechenbaren Angelegenheit.
Wo kommerzielle Belange vorherrschen, dominieren Modeerscheinungen und kurzzeitige Erfolgsphasen mit oftmals tiefen Rückschlägen und Abstürzen. Viele Karrieren auf dem klassischen Sektor beeindrucken eher durch Nachhaltigkeit und langfristige Bewährung am Markt. @rolf: ...und diese sind natürlich ohne die einschlägige Qualifikation praktisch nicht denkbar. Theoretisch könnte man durch den Einsatz des Digitalschnitts im Tonstudio auch mittelmäßigen und instrumentaltechnisch durchschnittlichen Pianisten irgendwie zu überdurchschnittlichen Einspielungen verhelfen. Dies wäre aber mit einem so unverhältnismäßig hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand auf der studiotechnischen Seite verbunden, dass ein solches Vorgehen in der Praxis nicht in Betracht kommt. Wenn das live abrufbare Können damit nicht Schritt hält, ist die Karriere ohnehin bald gelaufen. Mir sind bereits Sänger, Instrumentalisten und Dirigenten über den Weg gelaufen, deren Herkunft aus reichem Hause die private Vorfinanzierung des Debütkonzerts in der Philharmonie XY möglich gemacht hat. Wenn das zu diesem Anlass präsentierte Können mangels Substanz in der Branche keine positive Resonanz gefunden hat, klappte es mit dem Platz an der Sonne in Form einer fremdfinanzierten Weltkarriere trotzdem nicht.
Auf die Dauer müssen sich alle irgendwann in der Praxis bewähren und etablieren. Neid und Missgunst bringen da herzlich wenig...
meint Rheinkultur