Schüler weint sofort

S

sweetchocolate

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13. Dez. 2010
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Liebe Pädagogen,

ich suche nach Klavierlehrern/ Lehrern, die vielleicht ähnliches kennen und einen Ausweg wissen.
Es geht um einen Schüler von mir. Er ist im Sommer in die 5. Klasse gekommen. Ich unterrichte ihn seit ca. 2,5 Jahren. Da er mir früh auffiel, weil er sehr sensibel ist und auch musikalisch, schlug ich vor, ihn für das Musikgymnasium vorzubereiten, wo er jetzt angenommen wurde.
Er spielt sehr gerne und auch mit Begeisterung.
Er und seine Eltern waren sehr stolz, dass er die Prüfung für das Musikgymnasium bestanden hat (da musste er auch Klavier vorspielen) und insgesamt ist der Kontakt gut und herzlich.
Leider ist es in letzter Zeit so, dass der Junge in den Unterricht kommt, und dann, nachdem er sein Stück vorgespielt hat, oft sofort in Tränen ausbricht, wenn ich etwas verbessern möchte.
Wenn etwas nicht klappt, (was auch gar nicht klappen kann, da er z.B. an einem Stück nicht üben konnte, da er in den Ferien nicht üben konnte, also nur 2 Mal geübt hat) dann bricht er auch in Tränen aus.
Er lässt sich zwar immer wieder beruhigen, aber es macht mich ziemlich fertig dass er inwischen eigentlich in jeder Stunde anfängt zu weinen.

Es blockiert die Arbeit, und meist ist der Drops nach so einer kleinen Heulattacke gelutscht und wir können an dem Stück nicht mehr weiter machen, da er es dann völlig blockiert.
Ich lasse ihn dann auch mal was auf der Cajon spielen, er begleitet mich dann z.B. zu einem Boogie, dann tauschen wir, und dann spielt er auch wieder Klavier.
Aber es braucht immer Umwege und Tricks, in die Tiefe dringe ich oft nicht, weil er, wie gesagt, das eigentliche Stück, welches wir bearbeiten wollten, nicht mehr angehen will.

Mit anderen Schülern ist das ganz und gar nicht so. Ich zähle zu den absolut freundlichen Klavierlehrern. Ich weiß gar nicht wie der Junge wäre bei einer "strengen" Lehrerin.
Was mach ich nur?

Vielen Dank fürs lesen und bitte nur qualifizierte Kommentare von Klavierlehrern oder Menschen, die wirklich pädagogische Ahnung haben. ;-)

Grüße,

Sweetchocolate
 
Ich würde mit dem Schüler auf die Metaebene wechseln, also (am besten gleich zu Beginn der Stunde) mit ihm lösungsorientiert über das Problem sprechen. In der 5. Klasse sollte das möglich sein.

Teile ihm zunächst deine Wahrnehmung mit, möglichst ohne jegliche Wertung und ohne Emotionen. Lass ihn danach erzählen, wie er selbst diese Situationen wahrnimmt. Frag ggf. auch nach negativen Erfahrungen, die bei ihm Stress auslösen.

Dann würde ich mit ihm über vergleichbare, vielleicht noch „schlimmere“ Situationen sprechen: Ist es in der Schule bei Referaten oder Klassenarbeiten genauso? Falls nicht, worin sieht er den Grund dafür?

Im nächsten Schritt würde ich dem Schüler die Botschaft vermitteln, dass alle Menschen an ihren Zielen arbeiten müssen und niemand alles gleich perfekt kann. Dass du selbst auch diesen Weg gegangen bist und jetzt da stehst, wo du stehst.
Mache dem Schüler klar, dass er nicht für dich perfekt spielen musst, sondern dass umgekehrt du für ihn da bist. Zeige ihm auf, dass es dein Beruf ist, seine Möglichkeiten einzuschätzen, abzuschätzen, wo er in x Jahren stehen kann, und zu überlegen, wie groß die Schritte sein müssen, damit er zu sich in der besten Version von sich selbst wird.

Nimm ein halb volles Wasserglas und mach dem Schüler klar, dass das Glas halb voll und nicht halb leer ist, weil er noch sooo viel lernen kann und wird. (Halb leer wäre es z.B. bei demenzkranken Menschen, aber doch nicht bei einem Kind.) Das Wasser, das inzwischen im Glas ist, besteht z.B. aus der bestandenen Aufnahmeprüfung fürs Musikgymnasium. Darauf kann er wirklich stolz sein! Ich würde ihm auch zeigen, dass dich das sehr freut.

Je nach Entwicklung des Gesprächs könntest du den Schüler auch fragen, ob ihn an deinem Unterricht oder an deinem Umgang mit ihm etwas stört. In den meisten Schulen gibt es eine Feedback-Kultur: Schüler dürfen und sollen ihre Wahrnehmung aussprechen und konstruktiv Kritik am Unterricht äußern. Falls er damit nichts anfangen kann, könntest du ihm klarmachen, dass du daran interessiert bist, deinen Unterricht zu verbessern und es dir nur hilft, wenn er Dinge anspricht, die ihn stören. (Ich gehe mal davon aus, dass du nicht der Klavierlehrerin-Typ „Gouvernante“ bist.)

Man kann am Ende des Gesprächs auch noch eine Vereinbarung treffen, etwa im Sinne von: Du machst ab jetzt dies, und ich mache ab jetzt das. Von Zeit zu Zeit werden wir gemeinsam darüber nachdenken, ob und inwiefern sich die Situation für dich positiv entwickelt.

Solch ein Gespräch braucht seine Zeit, vielleicht sogar die ganze Klavierstunde. Ich würde mir da keinen Zeitdruck machen.

In der Folge des Gesprächs ist es sinnvoll, von Zeit zu Zeit im Sinne der getroffenen Vereinbarung auf das Gespräch zurückzukommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@sweetchocolate : Was Du im Unterricht erlebst, sind wahrscheinlich „nur“ Symptome eines umgreifenderen psychischen Problems (extrinsischer oder gar intrinsischer Leistungsdruck?). Deswegen ist ein Gespräch mit den Eltern sinnvoll. Ob das Problem mit einer einzelnen „Gesprächsrunde“ anstelle von Unterricht gelöst werden kann, wage ich zu bezweifeln. Unterricht besitzt eine andere Funktion als psychologische Intervention. Ich würde den Eltern raten, einen Psychologen hinzuzuziehen, und dann konzertiert zusammenzuarbeiten.
 
@Cheval blanc
In Schulen gibt es dafür eine genau geregelte Abfolge, auch schon für Jahrgang 5. Bei ausbleibendem Erfolg kommt die nächste Stufe dran.

1. Gespräch mit dem Schüler unter 4 Augen
2. Gespräch mit Schüler und Eltern
3. Gespräch mit der Beratungslehrerin
4. Vermittlung eines psychologischen Dienstes durch die Beratungslehrerin

Wenn jetzt schon die Eltern oder ein Psychologe einbezogen werden, fühlt sich der Schüler zurecht übergangen. Genau das wird in (weiterführenden) Schulen vermieden. Miteinander reden hilft. Nicht übereinander.

Und es geht im Unterricht nicht um psychologische Intervention, sondern zunächst mal ganz grundlegend um eine pädagogische.
 
Die Frage, was am Unterricht stört oder nicht so gut ist , halte ich in dem jungen Alter für falsch. Kinder wollen Lehrer gar nicht berwerten, sie wollen aufgehoben sein und sich anvertrauen. Das verwirrt sie nur.
Dass er soviel weint, lässt mich auch sehr nachdenklich werden, denn das ist total ungewöhnlich.
Ich würde - wäre es mein Schüler - versuchen das Weinen auszuhungern. Da ist natürlich Geschick gefragt. Wenn er anfängt zu weinen, blockiert er ja. Ich würde ohne Umschweife irgendetwas - möglicherweise Anderes - mit ihm machen und das Weinen zulassen, ohne es zu kommentieren (Taschentücher können ja stillschweigend bereitliegen).
Es könnte sein, dass das funktioniert, da Ihr Euch ja gut versteht und hoffentlich ein gutes Vertrauensverhältnis habt.
Andersherum gesagt: Geht man immer auf das Weinen ein, nährt man es wie einen Troll
 
Hab immer gesagt "heul mal ruhig, brauchst weniger bieseln"

Aber mal ganz ehrlich - wenn ein Schüler anfangt zu flennen, ist des doch ein Indiz dafür, daß er völlig überfordert ist..
 
Vielen lieben Dank für Eure Gedanken!
Das hilft mir sehr!
Ich habe es auch schon so versucht wie Tastatula es meint: dem Weinen nicht zuviel Aufmerksamkeit schenken. Denn es ist ja überhaupt nichts passiert, außer meinen wohlwollenden Verbesserungsvorschlägen 🙈
Leider ist es so, dass er dann wegschaut, die Tränen kullern, und er ist ca. 1 Minute nicht mehr ansprechbar.
Also sehr schwer, einfach weiter zu machen mit einem Kind, welches derart aufgewühlt ist.
@Henry:
Überfordert wäre er ja, wenn etwas zu schwer wäre - etwas, was er nicht umsetzen kann.
Aber er weint schon, wenn er vorgespielt hat, ich ihn lobe, weil er geübt hat , und dann z.B. sage: „Können wir uns jetzt noch mal den 2. Takt ansehen? Da steht f, das bedeutet forte. Da muss man laut spielen.“
Alles das ist hochexplosiv.
Ein sehr einfaches Laternenlied, welches ich dann letzte Stunde aus Ratlosigkeit dazu holte, spielte er mit einer Hand vom Blatt und winkte dann ab. „Zu leicht. Brauche ich nicht als Kopie um es mitzunehmen“.
Also unterfordert möchte er auch nicht sein…
 
Ich bin keine Pädagogin, möchte aber trotzdem die Frage in den Raum stellen, ob der Junge vielleicht mit der Bedeutung, die die Musik jetzt in seinem Schulalltag hat überfordert sein könnte.
Bisher hat er ja wahrscheinlich außerhalb des schulischen Umfelds zur Entspannung gespielt, jetzt ist Klavier für ihn Hauptfach und er konkurriert mit seinen Klassenkameraden, die (eventuell) auf dem Weg zu einer musikalischen Berufsausbildung sind und seit dem Kleinkindalter entsprechend vorbereitet wurden.

Hast Du ihn mal gefragt, wie es in der Schule läuft und wie es ihm geht?

.
 
und dann z.B. sage: „Können wir uns jetzt noch mal den 2. Takt ansehen? Da steht f, das bedeutet forte. Da muss man laut spielen.“
Da ist evtl. die Wortwahl nicht ganz passend. Statt Fragen wie „Können wir …“ verwende ich meistens Imperative, z.B. „Sieh dir mal den 2. Takt an.“ Imperative führen aufgrund ihrer Verbindlichkeit besser zu Motivation und zu kognitiver Aktivierung als Suggestivfragen.

Statt „Da steht f …“ könntest du auch sagen: „Die Noten geben dir Informationen über die Töne und Tasten. Welche Informationen erkennst du außerdem?“

Und statt der unpersönlichen Formulierung "man" ("Da muss man laut spielen“) halte ich wieder den Imperativ „Spiel hier also mal lauter!“ für geeigneter.

Die Imperative wirken im Unterricht anders als im Alltag: nicht unhöflich und fordernd, sondern ermutigend und verbindlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe schon öfter Schüler (m/w/d, augenroll) erlebt, die sehr schlecht damit umgehen können, dass sie irgendwas noch nicht so perfekt oder gar einen Fehler gemacht haben.

Diese eigenartige Form von Perfektionismus sowie narzisstischer Kränkung, wenn man mal nicht gleich alles supergeil hinkriegt, scheint mir ein zunehmendes und besorgniserregendes Zeitphänomen zu sein.

Auf der anderen Seite gibt es Schüler, die schlampig und fehlerhaft daherdudeln und auf die Frage "wie fandest Du Deine Darbietung?" nur so was antworten wie "Guhuut" - also gar nicht merken, wie schlecht das war.

Die "gesunde Mitte" - also eine gewisse Arbeitshaltung und Sorgfalt, gleichzeitig aber ein sachliches Umgehen mit den unvermeidlichen Fehlern und Unzulänglichkeiten - ist immer seltener anzutreffen zugunsten dieser Extreme.
 
In Schulen gibt es dafür eine genau geregelte Abfolge, auch schon für Jahrgang 5. Bei ausbleibendem Erfolg kommt die nächste Stufe dran.

1. Gespräch mit dem Schüler unter 4 Augen
2. Gespräch mit Schüler und Eltern
3. Gespräch mit der Beratungslehrerin
4. Vermittlung eines psychologischen Dienstes durch die Beratungslehrerin

Wenn jetzt schon die Eltern oder ein Psychologe einbezogen werden, fühlt sich der Schüler zurecht übergangen. Genau das wird in (weiterführenden) Schulen vermieden. Miteinander reden hilft. Nicht übereinander.

Und es geht im Unterricht nicht um psychologische Intervention, sondern zunächst mal ganz grundlegend um eine pädagogische.
Ich wusste nicht, dass es da so einen Leitfaden gibt. Klingt aber höchst vernünftig.

Aber beim Klavierunterricht gibt es leider keine Beratungslehrer und keinen Schulpsychologen. Ich denke aber, dass hier ein Problem vorliegt, was die Kompetenzen (und auch Aufgaben) eines Klavierlehrers übersteigt. Da ist ganz klar etwas nicht in Ordnung. Und es ist nicht der Klavierunterricht.
 

Ich wusste nicht, dass es da so einen Leitfaden gibt. Klingt aber höchst vernünftig.
Im schulischen Kontext wird solch ein "Stufenprinzip" häufig angewandt, auch z.B. bei Konflikten zwischen Lehrkräften und Eltern.
Da ist ganz klar etwas nicht in Ordnung. Und es ist nicht der Klavierunterricht.
Häufig steckt hinter einem sichtbaren Problem ein ganz anderes.
 
Mich würde interessieren, was er sagt, wenn man ganz freundlich fragt:
Warum weinst du denn jetzt? Erzähl doch mal, was los ist.
 
Nein, das Problem ist nicht der Klavierunterricht, da läuft zuhause und/oder in der Schule etwas grundsätzlich falsch.
Aber dieses Problem kannst Du nicht lösen. Das ist auch nicht Deine Aufgabe, Du bist keine Psychologin.
Eine einzige Möglichkeit sehe ich: Statt des ganzen Verständnis/Gespräch/Gefühlsgedönses mach das Gegenteil: "Du heulst hier in jeder Stunde völlig grundlos in der Gegend rum. So geht das nicht! Reiß' dich zusammen, oder ich beende den Unterricht." Das klappt vielleicht. Aber ich bin nicht optimistisch.
 
Mich würde interessieren, was er sagt, wenn man ganz freundlich fragt:
Warum weinst du denn jetzt? Erzähl doch mal, was los ist.
Das halte ich schon für zu nachforschend. Es kann nämlich sein, dass er bei solchen Fragen sofort dichtmacht und nur noch Schulterzucken kommt. Bevor genauere Nachfragen kommen, sollte man erstmal nicht wertend die eigenen Beobachtungen schildern. Dadurch fühlt sich das Kind in seiner Gesamtheit wahrgenommen, und das erhöht die Chance auf Gesprächsbereitschaft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe spontan etwas Ähnliches gedacht wie Zuckerfee oben schreibt.

Er ist im Sommer auf ein Musikgymnasium gewechselt, habe ich das richtig verstanden? Er geht also noch nicht sehr lange dorthin.

Ich habe keine Erfahrung, wie es in Musikgymnasien läuft, aber nehme an, dass sein Klavierspiel dort eine größere Rolle spielt. Das ist sicherlich eine große Veränderung zu seinem bisherigen Schulunterricht, wo sein Klavierspiel vermutlich für den schulischen Ablauf keine Rolle gespielt hat, sondern "nur ein Freizeithobby" war.

Vielleicht empfindet er nun seit dem Wechsel den Druck, dass künftig sein Klavierspiel quasi "unter Beobachtung" steht und vielleicht auch mit Noten bewertet wird?
 

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