Rhythmische Akzentuierung

"Warum sollte Mozart in einer Klaviersonate (seiner vorletzten) Geigenbogensatz notieren?"
Weil das Eintragen von Bögen aus der Streichermusik kommt. Bekanntlich war Mozart ja auch einer. Daß nicht jedes Bogenende als Absetzen zu verstehen ist, sollte eigentlich jeder Klavierlehrer wissen. Aber wenn du nicht mir glaubst, dann bringt vielleicht folgendes Zitat ein wenig Erhellung:

"... lassen die im 17. Jahrhundert aufgekommenen, ursprünglich für die Technik der Bogenführung ... bestimmten Bögen die vom Komponisten gewünschte Phrasierung meistens überhaupt nicht und ihrer Gliederung, d.h. Artikulation nicht immer erkennen [folgen einige Beethoven-Beispiele] ...
Das Absetzen ... bei einem jedem Bogenende, unterschiedslos ... ist ... eine Unsitte. Eine solche Gliederung -- vergleichbar mit anatomischer Zerstückelung eines toten Körpers -- ist dem lebendigen musikalischen Vortrag diametral entgegengesetzt."
(Marek, "Lehre des Klavierspiels")
 
In einigen Punkten war Haydnspasses Intuition voll korrekt!

Hier kann man gut sehen wie sinnvoll akribisches Bogensetzen sein kann. Dass man am Ende eines jeden Bogens (hier) nicht absetzt ist klar, dennoch würde ich nach dem ersten Bogen rechts absetzen (schon wegen der Imitation des Quartensprungs der linken Hand) und nach dem 2. kaum merklich auch, das klingt mit dem halben gehaltenen eb einfach sehr schön.
 
"... lassen die im 17. Jahrhundert aufgekommenen, ursprünglich für die Technik der Bogenführung ... bestimmten Bögen die vom Komponisten gewünschte Phrasierung meistens überhaupt nicht und ihrer Gliederung, d.h. Artikulation nicht immer erkennen [folgen einige Beethoven-Beispiele] ...
Das Absetzen ... bei einem jedem Bogenende, unterschiedslos ... ist ... eine Unsitte. Eine solche Gliederung -- vergleichbar mit anatomischer Zerstückelung eines toten Körpers -- ist dem lebendigen musikalischen Vortrag diametral entgegengesetzt."
(Marek, "Lehre des Klavierspiels")

Naja, je nach dem, würde ich eher sagen. Ich behaupte bei Mozarts Klaviermusik eher doch, in unserem Beispiel auf jeden Fall. Absetzen und absetzen ist ja auch nicht dasselbe. Bei ganz frühem Beethoven finde ich das auch kritisch, man siehe die Kurfürstensonaten, kaum eine Note steht einfach so da, und man kann unmöglich alles absetzen.

Die Bögen sind da um in "Einheiten" denken zu können, die techn. Realisation ist eine andere Frage.
Gruß, S
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Bögen sind da um in "Einheiten" denken zu können, die techn. Realisation ist eine andere Frage.

hallo,

wieder was dazugelernt: traue keinem Notenbeispiel...

offenbar ist das, was erhebliche Unterschiede der Bogensetzung und Artikulation aufweist, die korrekte Fassung, nämlich die in Silotis Post #100.

ich habe die hier zitierte Mozartsonate bislang nicht gespielt (weil ich mir nur ganz wenig Mozart zutraue) und darauf vertraut, dass ein verlässliches Notenbeispiel vorliegt - jetzt allerdings sieht das ganz anders aus als zuvor, sodass ich restlos zurücknehme, was ich zuvor über die 4 Mozarttakte geäußert habe!

künftig werden hier die bibliografischen Tugenden von musikwissenschaftlichen Seminaren wohl nötig sein, will sagen das zitieren texttreuer kritischer Ausgaben - das zu berücksichtigen, wäre bei künftigen Fragen, die sich auf Notenbeispiele beziehen, fair. :)

na, die neue Version muss ich mir erst mal genau anschauen!

Gruß, Rolf
 
na, die neue Version muss ich mir erst mal genau anschauen!

was ich jetzt nachgeholt habe.

ich bleibe dabei, dass hier je zwei Takte melodisch zusammengehören.

die quasi "auftaktige" Bewegung von drei Achteln zu einem Viertel hin (wie in Haydnspaß´ Vorschlag) hat sich bestätigt.

mich wundern bzw. stören nur drei Kleinigkeiten:
- im zweiten Takt halte ich es für sinnvoll, die linke Hand bis zum B legato zu spielen, also kein absetzen am Bogenende
- im dritten Takt (Themawiederholung) würde ich nicht vor dem stacc. es absetzen, weil das es noch zum Thema gehört
- im vierten Takt fehlt mir der kleine Bogen linke Hand g-as

fraglich darüber hinaus ist, wie man die Tenorstimme Takt 3 artikulieren soll: staccato wie Sopran und Bass, oder legato? das müsste man wohl ausprobieren und prüfen, wie es am sinnvollsten kingt.

insgesamt eine Dynamik innerhalb des piano-Bereichs, und auf die Gefahr von Protest: ich würde hier kein hartes blitzschnelles staccato, sondern ein eher weiches staccato (wie getupft) wählen.

Gruß, Rolf
 
- im zweiten Takt halte ich es für sinnvoll, die linke Hand bis zum B legato zu spielen, also kein absetzen am Bogenende
eher ein gedankliches absetzen wegen der homophonen Wirkung im Zusammenklang mit der rechten Hand.

- im dritten Takt (Themawiederholung) würde ich nicht vor dem stacc. es absetzen, weil das es noch zum Thema gehört
das achtel auf der 2+ darf sich nicht anhören wie die folgenden 4 staccato-achtel, hier setzt man auch eher gedanklich ab, denn die Gruppe gehört einfach nicht zu den folgenden 4 Achteln, daher der Bogen.
- im vierten Takt fehlt mir der kleine Bogen linke Hand g-as
dann schreib ihn dir - es ist aber auch zu erwägen 2. und 3. Achtel unter einen Bogen zu nehmen.
fraglich darüber hinaus ist, wie man die Tenorstimme Takt 3 artikulieren soll: staccato wie Sopran und Bass, oder legato?
probiers aus, du wirst alle 3 Stimmen staccato spielen, und zwar zart oder weich, denn diese Musik ist sehr zerbrechlich wie ich finde.

Gruß,S
 
Missverständnis, ich dachte du beziehst dich nur auf die 2.Takthälfte.

Also eine kleine Regelmässigkeit diesbezüglich ist wohl diese, dass sich Mozart im deutlich homophonen Satz spart, der Unterstimme den gleichen Bogen einzuzeichnen. Die erste Hälfte ist legato, ab der 3 staccato, anders kann ich mir es nicht vorstellen.
 
Missverständnis, ich dachte du beziehst dich nur auf die 2.Takthälfte.

hallo,

ich meinte durchaus die zweite Hälfte des dritten Taktes, und zwar in der Altstimme (ich hatte Tenorstimme zuvor geschrieben, weil ich zu viele Opern höre...:D da sind Tenöre und Sopranistinnen die Chefs), also korrekter wäre gewesen, ich hätte 2. Stimme rechte Hand geschrieben
(schreiben ist manchmal schwieriger als Kalvierspielen...)

also unten sicherheitshalber der betreffende Takt. die beiden mit x gekennzeichneten Achtel in der zweiten Stimme: auch staccato? lieber pp und fast legato, die Viertelnote muss natürlich gehalten werden.

aber das ist sicherlich eine Geschmacksfrage, allerdings entstehen in Mozarts nur scheinbar spärlichem Klaviersatz oft durch solche Feinheiten große Wirkungen.

Gruß, Rolf
 

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Also die mit x gekennzeichneten anders als die andern zu spielen empfinde ich als überinterpretiert. Das eb" natürlich gehalten, hört man aber kaum.

Diese 4 Takte kann man sich gut instrumentiert vorstellen, besonders Takt 3 auch als Terzett in einer Oper...
 

Also die mit x gekennzeichneten anders als die andern zu spielen empfinde ich als überinterpretiert. Das eb" natürlich gehalten, hört man aber kaum.

sicher wie so vieles Ansichts- oder Geschmackssache - das es allerdings hört man. gerade bei Mozart halte ich es wegen des scheinbar unspektakulären Klaviersatzes (er hat ja kein Appassionata-Gedonner komponiert) für sehr notwendig, jede Kleinigkeit besonders sorgfältig zu überlegen.

Gruß, Rolf
 
....Um nochmal zum Thema zu kommen:

Rhythmische Akzentuierung - ein wichtiges Thema, dem häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Ich meine damit die Akzentuierung (dynamische Abstufung) melodischer Floskeln je nach ihrer Lage im Takt.

Die Mozartbeispiele zeigen ja nur, wie bedeutsam Bögen sind, aber nicht was man tut wenn die Noten ganz nackt da stehn. Daher zitiere ich nochmal die Bach-Invention. Ich finde gerade bei diesem Stück die Bogensetzung/Akzentuierung/Artikulation etc ausschlaggebend dafür ob das Stück Spaß macht oder langweilig ist.
 

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Ohne Duelle scheint es hier vielen jetzt zu langweilig geworden sein. :D Aber ich gucke immer mal, ob es nicht doch weitergeht.

lg Nora
 
.... aber nicht was man tut wenn die Noten ganz nackt da stehn. Daher zitiere ich nochmal die Bach-Invention.

hallo,

ja da kann man sich grün ärgern, vor allem, weil es immer fraglich ist, welche Artikulation noch stilgerecht oder wenigstens angemessen ist.

ich würde Dein Beispiel als eher "tänzerisch-heiter" auffassen und die quasi Dreiklangbrechungen mit Bogen vom 1. zum 2. Achtel (und dieses abgesetzt) spielen, das 3. Achtel staccato. Wo die Achtel Durchgangsnoten spielen (im letzten Takt) diese legato, als wärs eine kleine Melodie (als Abwechslung zu den tanzenden Dreiklangbrechungen)

evtl. in der leiseren (halte ich für klanglich sinnvoll) linken Hand permament non legato (also eine andere Artikulation)

Gruß, Rolf
 
hallo,

ich würde Dein Beispiel als eher "tänzerisch-heiter" auffassen und die quasi Dreiklangbrechungen mit Bogen vom 1. zum 2. Achtel (und dieses abgesetzt) spielen, das 3. Achtel staccato. Wo die Achtel Durchgangsnoten spielen (im letzten Takt) diese legato, als wärs eine kleine Melodie (als Abwechslung zu den tanzenden Dreiklangbrechungen)

Gruß, Rolf
Ja, so in etwa würde ich auch die naheliegenste Gestaltungsmöglichkeit sehen. (Von Andras Schiff übrigens meisterhaft so realisiert) Die diatonischen Schritte legato, bietet sich auch an. Links anders als rechts, damit die 2.Stimme zu einer Art Begleitstimme zu machen, sollte zumindest mal ausprobiert werden.

Man könnte auch alles leggiero und etwas flotter spielen, klingt dann auch barock und transparent.

Oder legato rechts bis einschl. 3. Achtel im 2. Takt, dann ein neuer großer legatobogen. Bei den sekundschritten einn Pralltriller auf das mittlere der 3 Achtel.


Ohne Duelle scheint es hier vielen jetzt zu langweilig geworden sein.

Nora beobachtet ja nur, dass der Enthusiasmus stark abgenommen hat seit es rein sachlich geworden ist. Schließlich sind wir hier ausschließlich zu zweit am diskutieren, das Thema kam ja ursprünglich nicht von uns und ich frage mich auch ehrlich gesagt heimlich, ob wir hier das Thema "Rhythmische Akzentuierung" im Sinne des Erfinders behandeln oder nicht...

Gruß, S
 
Schließlich sind wir hier ausschließlich zu zweit am diskutieren, das Thema kam ja ursprünglich nicht von uns und ich frage mich auch ehrlich gesagt heimlich, ob wir hier das Thema "Rhythmische Akzentuierung" im Sinne des Erfinders behandeln oder nicht...

Gruß, S

ja, sieht sehr nach Sommerpause aus - vielleicht erfährt man genaueres nach derselben :)

übrigens ist die F-Dur Inventio auch so ein Stück, wo man verschiedene Artikulkationen (ob rhythmisch motiviert oder nicht) ausprobieren könnte.

Gruß, Rolf
 
Ich würde das Präludium durchweg non legato spielen, tänzerisch ja, aber nicht heiter, eher wie eine Gigue

und, um etwas zum Thema dieses Threads zu sagen, ich würde sehr oft das 3. Sechzehntel akzentieren.

man vergleiche die Gigue aus der Französischen Suite V

(von ähnlichem Charakter ist übrigens auch das Präludium d-moll WTC I)
 

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