Das Schöne ist: Ich kann jetzt wild drauflos schreiben - und Dir ist es verwehrt, mir zu antworten, weil Du mich ja offiziell ignorierst.
gibt es nicht wirklich [...]
Und solche Dinge stehen nicht wirklich in den Noten [...]
nur durch die umfangreiche Analyse des Notentextes wirklich verstehen [...]
Wirklich?
Du mußt jedenfalls entscheiden:
Das ist völlig falsch... [...]
ein richtig oder falsch gibt es nicht [...]
Nochmal langsam - zum Mitschreiben:
Erstens, existiert und entsteht Musik doch auch völlig losgelöst von [...] Noten [...]. Jazz, Pop, Rock, Improvisation usw...
Ein hinkender, in die Irre führender, unvollständiger Vergleich: Nicht nur die abendländische Non-Klassik, sondern der größte Teil der außereuropäischen Musik bedarf keiner Notenschrift, weil diese Musik nach Gehör oder auf der Grundlage von Leadsheets gecovert wird bzw. weil sie monodisch ist und nach Improvisationsmustern (Heterophonie) gespielt/gesungen wird oder - wie im Falle der hochkomplexen indischen Musik - mündlich tradiert und in jahrzehntelangem Studium bei einem Meister erlernt wird.
Nur trägt dieser Vergleich nichts zum Verstehen der
mehrstimmigen abendländischen Kunstmusik bei, die zur ihrer kompositorischen Entfaltung wie auch zum interpretatorischen Nachvollzug auf die Notenschrift angewiesen ist (das beginnt um ca.1200 in Paris).
Horo und ein durchschnittlich begabter Klavierschüler haben genau dieselbe Partitur als Grundlage, wenn sie Schuberts Träumerei spielen. Der eine bewegt die Welt, der andere mit etwas Glück seine Verwandten, beim sonntäglichen Besuch.
Aber was die Welt bewegt, ist Schumanns 'Träumerei' - sogar in einer mangelhaften Interpretation.
Nebenbei, mit viel Übung im Hören und Erfassen klassischer Musik kann man eine Interpretation eines Stückes qualitativ einschätzen, ohne jemals die Partitur gesehen zu haben.
Nur daß es bei 'Qualitätsmerkmalen der Musik' um die Komposition selbst und nur sekundär um deren Interpretation geht.
Analytisches Eindringen in Musik ist NICHT gleichbedeutend mit "Rationalität" [...]
analysiert man mit doch dem Herzen, und mit dem Bauch. Der Kopf ist dabei nicht beteiligt, der hat Ruhepause [...]
Bei Dir ist das wohl so - bei jedem anderen schon. Der bist der einzige, mir virtuell wie real begegnende Mensch, der bei der Beschäftigung mit Musik seinen Verstand ausschalten will, vermutlich weil Du Angst hast, sonst etwas von Deiner vielbeschworenen Emotionalität zu verlieren. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Emotionalität und Rationalität widersprechen sich nicht. Im Gegenteil, sie schaukeln sich gegenseitig hoch, d.h. der rationale Zugang verschafft Dir auch wieder eine emotionale Anteilnahme, von der Du gar nichts sagen kannst, weil Du sie nicht kennst. Herz und Kopf ergänzen sich. Das ist nämlich der Hauptunterschied zwischen Dir und mir: Ich kenne die emotionale Seite und weiß sie zu schätzen. Ich kenne aber auch das intellektuelle Vergnügen,
die Musiksprache eines Komponisten verstehen zu wollen. Und da kommen wir gleich zu Deinem nächsten Denk- und Wahrnehmungsfehler: Musik ist keine reine Herzensergießung, wie Du es gerne hättest, sondern gute Komponisten pflegen in und durch ihre Musik zu denken, und das tun sie seit Pérotins Zeiten. Willst Du es ihnen verwehren? Ein Musikstück ist darauf angelegt, daß man es gedanklich nachvollzieht, weil gute Komponisten nämlich damit etwas zu verstehen geben, und diesen Anteil an Musik ignorierst Du - weshalb Du über stereotype Konzertführer-Trivialitäten (Resignation, Aufbegehren) nie hinauskommst.
Warum soll man sich die Noten als Verständnishilfe künstlich vorenthalten? Man hat doch nichts zu verlieren! Wenn der Komponist seine Noten zugänglich macht - was spricht dagegen, ihren Text zur vertiefenden Beschäftigung mit der Musik zu nutzen? Zumal es komplexe Bezüge gibt, die dem Ohr verschlossen bleiben und sich erst dem Auge offenbaren, wie im op.27, worauf Mick hingewiesen hat.
Vielleicht schaffst Du's mal, über all das nachzudenken?