Produziert unser Schulsystem musikalische "Analphabeten"?

Doch müsste dies auf einem bereits etwas höheren Niveau passieren, bei dem die Reflexion unentbehrlich ist.
ein schöner und richtiger Gedaneke --- in der trübseligen Realität aber scheitert er daran, dass aknepustelige mofafahrende Schüler oder überschminke stöckelnde Schülerinnen sich, da sie ja sooo gestresst sind, lieber mit anderem als den eigenen eventuellen Denkbefähigungen (Reflexion) befassen.... ;);):D:D
 
Auf gut Deutsch: es ist schon schwierig genug, das Lehrziel mit einer Klasse zu erreichen...

Für's "große Einmaleins" ist dann noch genug Zeit im Studium...
 
Nachtgedanken

Dieser Faden läuft schon etwas länger, und in dieser Zeit
habe ich über die Verbraucherseite nachgedacht.

Beleuchten wir das Thema doch mal von unten.
Was hätte ich damals als Schüler vom Musikunterricht erwartet ?

Zunächst fällt mir in der Rückschau auf, daß der damalige
Musikunterricht eine komplett passive Geschichte war.
Beim Sport laufe ich und trete gegen den Ball,
in Englisch rede ich Englisch,
in Mathe rechne ich,
in Kunst kleckse ich rum usw. usw.

Was mache ich in Musik ?
Nix !
Rumsitzen, vielleicht zuhören und ggf. im Klassenverband
bei Liedern mitgrölen.
Und ich rate einmal in der Woche, ob der Musiklehrer
jetzt eine Terz oder eine Quinte auf dem Klavier angeschlagen hat.
Was könnte ich da lernen ?

Ein Lernergebnis entsteht nur aus aktiver Beschäftigung mit dem Stoff.
(nein, ich bin kein Pädagoge, sondern spreche aus meiner Erfahrung)
Akkorde in ein Notenheft zu malen, ist keine aktive Beschäftigung mit Musik.
Die Sonatenhauptsatzform auswendig zu lernen, ist keine aktive Beschäftigung mit Musik.
Das vielleicht Gelernte fällt sofort wieder hinten runter.

Welche Aktivitäten SIND möglich ?

-> Gesang ?
Alles, was mir davon in Erinnerung geblieben ist, sind Textfragmente
(es grühünen die Wähälder die Höhn fallera)
Ich spreche jetzt im Namen der damaligen 35 Köpfe der Klasse:
Volkslieder waren kein zielgruppenadäquater Unterrichtsinhalt.
(Wirklich gesungen habe ich erstmals viel später, im Auto, alleine,
zu anderer Musik).

-> Blockflöte ?
Nur weil billig und leicht zu bedienen, ist sie deswegen
noch kein kindgerechtes Instrument.
Ich habe später mal 2 Jahre intensiver blockgeflötet,
und war froh, das Instrument erst als junger Erwachsener
kennengelernt zu haben.
Ein Kind kann damit Melodien spielen, aber was lernt es ?
Ich weiß es nicht.

-> Was sonst ?
Heute ginge tatsächlich mehr !
Mal angenommen, jeder Schüler bekommt ein billiges Keyboard
für zuhause geliehen.
Und im Musikraum steht auf jedem Platz das gleiche Gerät.
Dann!
Dann kann ich selbst rumprobieren, wofür die gemalten Noten
überhaupt gut sind.
Dann kann ich austesten, was zusammenpasst, und was nicht.
Dann kann ich ein Verständnis dafür entwickeln,
was der Kram mit den Intervallen und Akkorden soll,
und was der Sinn einer Tonleiter ist.

Und in der Mittelstufe könnte man z.B. aktiv die "genialen" Harmonien
der Popsongs sezieren und damit rumspielen und etwas Neues probieren.

Klar habe ich dann keine 30 Schüler, die alle Keyboard spielen können.
Aber vielleicht 10 bis 20, die das Prinzip von Tonleitern, Akkorden
und Rhythmen verstanden haben.
Und vielleicht 1 oder 2, die dann Keyboardunterricht anfangen.

Ich schließe mich all denen an, die Musikunterricht nur in Verbindung
mit aktiver Musikausübung für sinnvoll halten.

Gute Nacht

Gruß
thmek
 
Ich schließe mich all denen an, die Musikunterricht nur in Verbindung
mit aktiver Musikausübung für sinnvoll halten.
wenn Musikunterricht nur und einzig auf diese Weise sinnvoll ist, nämlich via aktiven Instrumentalsspiels, dann frage ich mich, wie und auf welche Weise Schüler in der Regelschule sowas wie Oratorien, Opern und Sinfonien kenne lernen sollen...
 
das eine schließt das andere sicherlich aus :D (nur weil ich ein paar xX in meinem "nickname"n habe ;>)
 
Tjaa, wie sollen die jungen Dinger von Heute einen Einblick in diese Komplexitäten erhaschen..wie Oper, Oratorium, und Sinfonie..:

Man könnte ja mit der Rasselbande mal in eine Opernvorstellung oder ähnliches gehen,

oder man brennt 25 8 GB-DVDs für die Kids, da kommt dann die Zauberflöte ( nat. ne representative schön ägyptische Inszenierung, nicht so eine wo Sarastro n Bankeryuppie in Nadelstreif ist und den Illuminaten vorsteht..oder DOCH ?? ;) ), ferner n Weihnachtsoratorium oder ähnliches und noch ne d-Moll Sinfonie von Beethoven drauf.

Die Kids müssen sich aber mit 1 Euro an den DVDs beteiligen, und dann nat.:

"Hallo, liebe Kinder, bitte bis nächste Woche die DVDs reingezogen haben - plus entspr. Wikipedia-Artikel zu den drei Werken lesen, denn wir schreiben darüber :

'nen Klassenarbeit! :D

Da Ihr das zu Hause erledigen könnt, gehn wir jetzt in die Cafeteria."

LG, Olli!
 
Wenn mit thmeks Methode erstmal das Interesse geweckt ist, wollen sie das (Oper, etc.) ja vielleicht sogar ...

Gruß
Rubato
 

Wenn mit thmeks Methode erstmal das Interesse geweckt ist, wollen sie das (Oper, etc.) ja vielleicht sogar ...
Am sinnvollsten scheint mir die Verbindung von Theorie und Praxis zu sein - einerseits selbst musizieren, andererseits sich mit Musik analytisch zu beschäftigen. Es ist möglich, beides in einen Unterrichtsablauf zu integrieren. In meiner eigenen Schulzeit in Süddeutschland sind mir auffallend oft Schulmusiker begegnet, die durchaus beides gut abdecken konnten, mit ansteckender Begeisterung für ihr Fach ausgestattet, mit eigenen außerschulischen Musizieraktivitäten (Komposition, Chor- und Orchesterleitung, Konzerttätigkeit), mit zusätzlichen Bindungen an andere musikfachlich agierende Institutionen (Musikschulleiter, Lehrbeauftragter an der nächstgelegenen Musikhochschule etc.) - und gerade in den Kindheits- und Jugendjahren erfolgt die Weichenstellung, ob Musik in positiver oder negativer Weise eingeschätzt wird. Vermutlich erfolgt eine Positionierung schon im ersten Lebensjahrzehnt und diese wird im zweiten bereits so stark gefestigt, dass ein Wandel vom Negativen ins Positive sehr bald immer unwahrscheinlicher wird. Selektivwahrnehmungen spielen dann auch eine wichtige Rolle: Wer sich darüber im klaren ist, Musik doof und überflüssig zu finden, registriert irgendwann nur noch diejenigen Wahrnehmungen bewusst, die ihn in seiner Einschätzung bestätigen.

@LMG: Es gibt kindgerechte Adaptionen bekannter Repertoireopern an den meisten Häusern wie Zauberflöte ("Papageno spielt auf der Zauberflöte") oder Freischütz ("Der Freischütz und der Teufel") mit interaktiven Elementen unter Vermittlung durch professionelle Theaterpädagogen. Kirchengemeinden bieten beispielsweise Orgelführungen durch den eigenen Kantor an (Schülerstilblüte: "Kürzlich besichtigten wir die Orgel in der hiesigen Stiftskirche. Außer uns sah man viele, viele Pfeifen."), der auch Einblicke ins Innenleben gewährt (Zitat: "Auf die Orgel kann man viel machen. Deshalb nennt man sie auch die Königin der Instrumente.") - auch im Pressebereich, bei Festivals und im Multimediabereich gibt es genügend Kooperationsmöglichkeiten mit Schulen.

Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass es günstige Software gibt, die das Komponieren in allen möglichen Stilarten an jedem PC ermöglicht, frage ich mich allen Ernstes, wieso Musik als doof und uninteressant eingeschätzt werden kann. Vermutlich liegen die problematischen Aspekte eher bei den beteiligten Personen auf Schüler- und/oder auf Lehrerseite, denn wenn es an Einstellung und Kompetenz mangelt, das Terrain "Musik" mit positiven Inhalten zu besetzen, kann ein noch so groß dimensioniertes Angebot an Materialien und Anregungen den Musiksektor nicht zum erfolgreichen Selbstläufer werden lassen.

Wechselt man vom Schulbetrieb ins Vereinswesen der Laienmusikszene, kann man ähnliche Fehlentwicklungen aufspüren. Nicht institutionsgebundene Laienchöre existieren meist in der Gestalt eines Vereins ("Gesang(s)verein"). Die Nachwuchsproblematik ist seit Jahrzehnten bekannt - also hofften die Vereinsmitglieder, Vorstände und Chorleiter mit Maximen wie "Jeder kann singen", "Niemand braucht vorzusingen", "Vorkenntnisse sind nicht erforderlich" leichter an Mitgliederzuwachs zu gelangen. Wie sieht das Ergebnis aus?: Nachwuchs kommt trotzdem nicht, vereinzelt vorbeischauende Interessenten kommen schon zur nächsten Probe nicht mehr wieder, andere verlieren bald wieder das Interesse, sobald Chordisziplin eingefordert wird: Regelmäßige Probenteilnahme, Aufnahmebereitschaft, Motivation, Durchhaltevermögen und ähnliche Voraussetzungen sind auf dem Weg voran unverzichtbar, zumal der Chor ja öffentlich auftritt und sich dabei gut präsentieren sollte. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass die Problematik eng mit den oben erwähnten Maximen zusammenhängt: "Jeder kann singen" versteht mancher so, dass man auch ohne persönlichen Einsatz, ohne Leistungsbereitschaft, ohne Begabung und ohne Interesse erfolgreich sein kann. Maximaler Spaß bei totalem Nichtskönnen und Nullahnung gibt es aber nun mal nicht. Sicherlich wird diese Auffassung durch DSDS & Co. zusätzlich gefördert: Man kann ins Fernsehen kommen, ohne irgendetwas zu wissen und zu können - und seit dem ESC 2010 ist klar, dass man den Grand Prix gewinnen kann, ohne jemals das Singen und Tanzen gelernt zu haben. Inzwischen kann man den Vereinen nur zur Ehrlichkeit und Professionalität auch in kleinen Dingen raten: Musizieren ist nur etwas für begeisterungsfähige und begabte Naturen, die den Erfolg wirklich wollen und dafür auch bereit sind, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Leistung zu bringen. Mancher denkt, es käme dann erst recht kein Nachwuchs, da die ganze Menschheit nur aus Faulen und Doofen besteht, die nichts können und nichts wollen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass das Gegenteil richtig ist.

LG von Rheinkultur
 
... und gerade in den Kindheits- und Jugendjahren erfolgt die Weichenstellung, ob Musik in positiver oder negativer Weise eingeschätzt wird. Vermutlich erfolgt eine Positionierung schon im ersten Lebensjahrzehnt...

Das denke ich auch, darum finde ich es auch so wichtig, dass Kinder bereits in der Grundschule mit klassischer Musik in Berührung kommen und eine positive Einstellung dazu entwickeln. In der Sekundarstufe ist es meiner Ansicht nach zu spät, da erreicht man wohl nur noch einzelne Kinder.
 
In der Sekundarstufe ist es meiner Ansicht nach zu spät, da erreicht man wohl nur noch einzelne Kinder.
...nämlich die wenigen, die sich in der Kindergarten- und Grundschulzeit nicht negativ positioniert haben. "Was im Mai nicht blüht, wird's im September nicht nachholen", schrieb einst Friedrich Hebbel.

Nachtrag zu meinem Chorbeispiel: "Junge Menschen wollen singen", sagen andere Chormusikexperten, die den Laiengesang nicht totreden wollen. Der Andrang junger Menschen bei Castings und Projektchören sei nicht anders zu erklären. Aber auch diese Sichtweise bedarf einer Präzisierung: Was wollen die Interessenten wirklich? Karaoke-Wettgröhlen in der Disco, weil man sich so wie ein Star der internationalen Pop- und Rockszene fühlen kann, auch ohne jemals singen gelernt zu haben? Diese Klientel füllt die Vorrunden bei den Castingshows, wo eher Selbstüberschätzung und Geltungssucht ausgelebt werden sollen. Oder sind die gleichen jungen Leute bereit, einen harmonisch hochkomplizierten Titel in Barbershop-Satzweise einzustudieren? Da dauert es Wochen und Monate, bis selbst Kandidaten mit beachtlichen Vorkenntnissen und Stimmbeherrschung podiumsreife Ergebnisse zustande bekommen. Tröstlich zu wissen ist es, dass es auch diese Jugend sehr wohl gibt. Man erkennt sie daran, nicht wie jemand anno 2010 den Weg von der Schulbank zum Grand-Prix-Sieg ohne den Umweg über eine Musikausbildung zurückgelegt zu haben - was zur Folge hat, dass solche unspektakulären, aber nachhaltigen Karrieren von vielen übersehen werden.

LG von Rheinkultur
 
Man könnte ja mit der Rasselbande mal in eine Opernvorstellung oder ähnliches gehen,
das eigentümliche an dieser Rasselbande, die kein Problem damit hat, akribisch für die Mopedfahrerlaubnis und anschließend für den Kfz-Führerschein zu lernen, ist dass sie absolut gar keinen pädagogisch wohlmeinenden Motivationsschub benötigt, um die jeweils aktuellen Modeerzeugnisse der neuesten Charts im Ohrknopf dröhnen zu lassen ;);) das alles können die voller Elan, ohne dass sie dazu angeschubst werden müssten oder dass man ihnen via Schulnotendruck die Hammelbeine langziehen müsste :D:D

...ich bin roh, böse, brutal und wikingisch inhuman genug eingestellt, um sonderliche Streichelmuttischnullerpädagogikmotivierblabla-Angelegenheiten für unnötig zu halten, hähä, soll halt chillen und schulversagen, wer das Zeug dazu hat (((oh wie jammerschade, dass es keine Bosheits-Smileys gibt))) ... so gesehen ist der angeblich so stressige Schuldruck/Notendruck usw. noch gar nicht hoch genug ---- in einer besseren Welt gäbe es in jeder Schule einen gewaltigen Nikolaus im Keller: immer montags zur ersten Stunde tanz dort alles an, und wird von Santa Claus zünftig gestäupt, dito samstags (sic! die Schlappheit, schon freitags die letzte Schulstunde zu machen ist ein Unding) in der letzten Stunde; und wen das nicht für gute oder wenigstens befriedigende Noten in allen Fächern motiviert, der darf sich auch zwschendrin vom Nikolaus motivieren lassen

...bestimmt werde ich für diese Haltung schlimm gehauen - außer von Hasenbein (wie ich hoffe)
 
Von mir nicht! :)
Zu meiner Zeit ab es noch Beides: Die neue junge Lehrerschaft, die immer irgendwie lieb war, und die autoritäre Lehrerschaft, die alten Hasen, die mit Liebe gelehrt haben. Wer diese Liebe nicht zu würdigen wusste, bekam auch mal eine Watschn. Wirklich gut und gerne haben wir bei den "alten Hasen" gelernt (neben dem üblichen Stoff auch Respekt) ...und das auch am Samstag.
 

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