Freut mich, dass es Konsens gibt!
Oft sind die Begrifflichkeiten ein Problem, das ist richtig.
Beim "Handgelenksstaccato" wissen wir beide ja (jetzt) wie's gemeint ist. Der Anfänger könnte aber denken, man müsse das Handgelenk in besonderem Maße einsetzten, dabei schwingt es nur leicht mit.
da hätte der Anfänger gar nicht mal unrecht ;) , aber die Gefahr besteht, dass er nicht weiss, inwiefern das sich vollzieht und dass er irgendwelche verkrampften Sachen macht... (das kommt erfahrungsgemäß ebenso gerne wie häufig vor)
ich erinnere mal an Chopin: das Handgelenk ist wie das atmen des Sängers (!) und da hat er metaphorisch völlig recht - aber weiss irgendwer (abgesehen von Medizinern), welche Muskeln beim atmen tätig sind und warum? oder noch krasser gefragt: muss man das wissen und gar überwachen, um atmen zu können?? wohl nicht!...
eines der (auch sprachlichen) Verständnisprobleme läßt sich folgerndermaßen veranschaulichen: sieht man einen Apfel am Ast, den man gerne haben möchte, dann greift man nach ihm und pflückt ihn - die Aufmerksamkeit liegt hierbei am hingreifen (und treffen - wäre ja ärgerlich, man greift daneben) und festhalten bzw. abrupfen;
dass hierbei die Streckmuskulatur im Oberarm tätig war, bemerkt man eigentlich nicht: also man gibt nicht den bewußten Befehl "Arme strecken", sondern man greift halt nach dem Apfel :p will sagen das Ziel und die Fokussierung liegt
nicht dort, wo die Muskulatur tätig ist! (wir denken ja auch nicht gezielt in den Unterarm, wenn wir die Finger bewegen!)
so ist es auch mit dem Handgelenk: die Muskulatur, welche das Handgelenk aktiv bewegt, ist nun mal nicht am Handgelenk selber angebracht! Aber wir denken quasi "ins Handgelenk", und dann sind Unterarm- und Oberarmmuskulatur tätig (wers nicht glaubt, bewege mal die rechte Hand auf und ab, und fasse dabei mit der linken Hand mal an den rechten Unterarm und mal an den rechten Oberarm) --- wenn man´s ganz genau haben will, müsste man auch noch nachfühlen, was sich so alles in der Rückenmuskulatur währenddessen abspielt.
metaphorisch oder bildhaft gedacht ist es hilfreich, sich das Handgelenk wie eine Federung vorzustellen - und eine Federung, die beansprucht wird, ist in permanenter Bewegung. (exklusiv für FLIP: dass dabei simultan andere Muskelgruppen tätig sind, welche z.B. den Griff formen [etwas als stabil fühlen lassen] usw. ist ohne jede Frage so - fraglich ist nur, was wir bewußt kontrollieren wollen; da gibt´s verschiedene Möglichkeiten)
so gesehen (und sogar anatomisch korrekt) kommt fast jeder Tastenanschlag irgendwie aus dem Arm (Muskulatur) und sogar (indirekt) teils aus dem Rücken (spätestens wenn man Hexenschuß hat und versucht, trotzdem Klavier zu spielen, wird man das spüren). Irreführend ist also unser Empfinden. wir geben zwar den Befehl "Finger mach was" oder "Handgelenk mach was", aber ausgeführt wird das von Muskeln, die woanders angebracht sind...
dummerweise aber können wir
fühlen, ob das Handgelenk hart und starr ist, oder ob es locker ist, ohne dass wir dabei die eventuelle Verspannung im Unterarm bemerken (ja sogar unsere Nerven signalisieren uns "aua" im Handgelenk, etwa wenn man stundenlang Schrauben dreht - das sind dann die überlasteten Sehnen, und die sind durchaus im Handgelenk) -
insofern wiederum ist es gar nicht falsch, auf das Handgelenk zu achten.
Nutzanwendung für Oktaven: auch wenn die Muskeln im Arm tätig sind (und sich unserer gezielt bewußten Kontrolle entziehen!), wird es nicht falsch sein, das Handgelenk als "Indikator" für Geschmeidigkeit zu beachten und zu betrachten. Ob man´s nun "Handgelenkstaccato" nennt oder "Impuls aus dem Arm" (letzterer sicher abgefedert und nicht starr), ist eigentlich völlig wurschtegal - die Quelle für Mißverständnisse ist anatomischer Art: wir fühlen und kontrollieren zwar Handgelenk und Finger, aber wir merken dabei nicht, dass deren Muskeln nicht dort sind, wo die gezielte und gewollte Bewegung stattfindet.
ansonsten gibt es (auch fühlbar!) neben diesen Überlegungen noch zusätzliche "physikalische": je steiler ein Finger auf der Taste steht, umso mehr Widerstand ist im gesamten Bewegungsapparat; je weniger steil ein Finger auf der Taste steht, umso mehr weitere Muskelarbeit muss gemacht werden, um die Widerstandsfähigkeit aufrecht zu halten. Daraus lässt sich ableiten, dass steiler gehaltene Oktaven weniger Kraft verbrauchen - das wiederum wird meist mit eher hoch gehaltenem Handgelenk realisierbar sein. (als Test hierfür wären ein paar fff-Oktaven ausprobierbar)
erstaunlich ist, dass man selbst bei "exotisch" anmutenden Virtuosen wie Gould, Horowitz, Hamelin aber auch bei "seriöseren" Pianisten wie Kempff, Rubinstein, Baremboim in Aufnahmen sehen kann, dass sie die Handgelenke bei schnellen Oktaven recht hoch halten - die Ursache dafür ist quasi ergonomisch: so wird am wenigsten Kraft verbraucht. Und das wiederum ermöglicht entsprechende Tempi.
Gruß, Rolf