Notenlesen sinnvoll?

@mick :
Hab ich Dich da richtig verstanden? Aufgrund Deines Wissens über die Musiklehre und über einzelne Komponisten erfährst Du so viel auch vom Charakter und den Stimmungen des Komponisten, dass Du, wenn Du ein Stück einübst, dieses Stück weiter komponieren könntest, quasi eine Improvisation weiter führen könntest und einem unbedarften Zuhörer fiele das gar nicht auf. Das ist echt ein Geschenk Gottes.

Ich kann recht sicher Stilkopien anfertigen, ja. Das ist aber nichts Besonderes, das können viele. Ich meinte auch etwas anderes: wenn ich ein Stück einstudiere, dann versuche ich zu verstehen und nachzuvollziehen, wie ein Komponist mit dem Material umgegangen ist und warum er sich für diese oder jene Lösung entschieden hat. Es gibt ja fast immer rational begründbare Erklärungen. Und auch, wenn es die nicht gibt oder der Komponist einen anderen Gedankengang hatte als ich, muss ich für mich eine schlüssige Begründung finden. Zum einen, um mir ein Stück merken zu können (ist wie bei allen anderen Sachen auch: was ich nicht verstehe, kann ich mir nicht gut merken - jedenfalls nicht langfristig) und zum anderen, weil ich sonst gar kein schlüssiges Interpretationskonzept erarbeiten kann. Eine Aneinanderreihung irgendwie "schön" geratener Stellen ist zwar nett, aber wie jeder weiß, ist "Nett" die kleine Schwester von "Scheiße".

Noch wichtiger als am Klavier ist das übrigens mit dem Orchester. Ein wenig gebildetes Publikum kann man noch irgendwie blenden, ein gutes Orchester nicht. Das merkt sofort, ob ein Konzept Hand und Fuß hat oder ob es nur heiße Luft ist, die man da verbreitet.
 
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@mick:Das ist für uns Amateure so was von frustrierend, wenn man das liest
Diese Methode steht auch im Buch Leimer-Giseking, "Modernes Klavierspiel", dort steht wie man ein Stück auswendig lernt bevor man überhaupt eine Taste anschlägt.
Es gibt allerdings Autoren die gehen zu einem Kompromiss über, nämlich dazu nur eine kurze Einheit einstudieren (z.Bsp. eine musikalische Phrase, wenige Takte) diese zu lernen (ohne sie vorher anzuschlagen) und dann diese Einheit auch zu spielen. Und so vor zu ein Stück zu erarbeiten.
 
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Sachen gibt es. Ich sehe schon, wir haben unter uns ein Gedächtnis Genius. Ich habe in der Hochschule Integralrechnungen, etliche physikalische Gesetze durgekaut … ich habe sogar alle die Grundbausteine und alles was dazu gehört verstanden und das Studium mit Auszeichnung abgeschlossen.

@mick, du darfst zweimal Fragen, wieviel ist davon im Gedächtnis geblieben, ich schätze so an die 10%. Vielleich hätte ich noch einfache Integralrechnungen geschafft, aber komplexere kaum.
@Steinbock44 du kannst dir den spöttischen Unterton sparen: deine noch präsenten oder vergessenen Integralrechnungen wirst du sicher nicht vor Publikum auf dem Klavier spielen...

Was ich am Klavier als Kind und Jugendlicher gründlich gelernt hatte, das hab ich jederzeit präsent und brauche da keine Noten. Ich kann nur aus eigener Erfahrung bestätigen, was @mick mitteilt: ich vergesse nichts am Klavier, was ich gründlich gelernt habe. ...bei mir sind das durchaus recht schwierige Sachen: da muss ich nach paar Jahren nicht anfassen die wüsten Stellen erneut trainieren, aber die Noten brauche ich da nicht. Und ich halte das auch für keine nennenswerte Gedächtnisleistung, sondern für völlig normal in dem "Job" namens Musik machen.
 
Ich sehe schon, rolf und mick können dem gemeinen Fußvolk nicht wirklich praxisnahe Tipps geben bzgl. Auswendiglernen.

Hinweise wie "das Stück erfassen, seine Noten und den Komponisten verstehen und mit ihm eins werden und Harmonielehre pauken", hilft uns da (die vielleicht nur eine Stunde am Tag für Musik Zeit haben) nicht wirklich weiter.

Dafür sind wir einfach zu blöd.

Das bleibt dann eben einer kleinen, musikalischen Elite vorbehalten.

Da verlasse ich mich lieber auf mein motorisches Gedächtnis und wiederhole Stücke regelmäßig.

Reicht mir völlig.
 
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Dafür sind wir einfach zu blöd.

Das bleibt dann eben einer kleinen, musikalischen Elite vorbehalten.

Mimimi... :015:

Wenn man aufgibt ehe man es richtig versucht hat, ist man schlicht und einfach SELBST schuld an seiner eigenen Selbsterniedrigung.

Mehr als ein halbes Jahrhundert Lebenserfahrung sagt mir: Man kann alles lernen, was man lernen will. Das Ergebnis findet seine Grenzen nur in der Hardware (Intelligenz) und im Fleiß/Beharrlichkeit (= echtes WOLLEN).

Diese Grenzen kennt man aber gar nicht!

Selbst wenn man noch irgendwo auf dem Weg Richtung Ziel ist, ist man bedeutend weiter als derjenige, der gar nicht erst losgewatschelt ist, sondern bereits vor der ersten Wegmarke "Mimimi" jaunert. :015:

Wenn man es sich nicht von Kindesbeinen an angeeignet hat, so wie geschildert an die Musik heranzugehen, muss man es "später" halt (mühsamer) nachholen. Das kann man üben wie das Prima-vista-Spiel: Mit einfacheren, weniger komplexen Stücken.

Nota bene: Man MUSS sich damit nicht abmühen, wenn man keine Lust hat. Man kann auch "ohne" ein sehr glückliches Leben führen. Nur wenn man es können will. Dann jammert mal aber nicht rum und faselt was von den pöhsen "Eliten", sondern handelt nach Horatius: Dimidium facti qui coepit habet.

Das ist für uns Amateure so was von frustrierend, wenn man das liest

Kursives Wort ersetzen durch: Anspornend! :026:
 

Das ist, mit Verlaub, Quark.

Denn einen Grund dafür, warum das nicht allen in den Schoß fällt, nennst du ja selbst:
die vielleicht nur eine Stunde am Tag für Musik Zeit haben

Da muss man sich überhaupt nicht selbst kasteien, sondern das für sich selbst sinnvollste draus machen. Würde man von der Stunde täglich fünf Minuten für Thema X reservieren, hätte man sich am Monatsende auch schon zweieinhalb Stunden damit befasst. :-)
 
Doch, doch, ich kenne meine Grenzen schon.

Ich werde selbst mit 8 Stunden Üben am Tag kein Berufsmusiker, egal, wie sehr ich will oder wieviel ich übe.

Genauso werden Millionen Amateurfußballer niemals Zweit- oder gar Erstliga Niveau erreichen, selbst, wenn sie jeden Tag 10 Stunden trainieren würden.

Es fehlt eben bei Ihnen das gewisse Etwas, was nun mal die Spreu vom Weizen trennt.
Da ist es mit "mehr Üben" allein einfach nicht getan.


Wir können nicht alle Starpianisten sein.
Es müssen auch Leute im Saal sitzen, die ihnen zuhören. :-D
 
Ich sehe schon, rolf und mick können dem gemeinen Fußvolk nicht wirklich praxisnahe Tipps geben bzgl. Auswendiglernen.

Die Tipps sind doch reichlich gegeben worden: Lerne verstehen was du spielst, dann kommt das Auswendiglernen automatisch.

Ich kann mich da gut reinversetzen. Es ist wie in der Mathematik: Wenn man verstanden hat, woher die Formeln kommen (wenn man sie selbst herleiten kann), dann kann man Aufgaben wie von selbst lösen (ich weiß, Mathe ist wieder ein Thema bei dem viele abschalten, es ist aber ganz genau so wie in der Musik!).
 

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Hinweise wie "das Stück erfassen, seine Noten und den Komponisten verstehen und mit ihm eins werden und Harmonielehre pauken", hilft uns da (die vielleicht nur eine Stunde am Tag für Musik Zeit haben) nicht wirklich weiter.

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doch, das hilft mir schon weiter! Und wenn es auch nur dazu hilft, zu begreifen, dass uns Normalos nie gelingen wird, was @mick und @rolf und @Stilblüte und all die anderen Profis schon seit x Jahren jeden Tag bis zum Exzess betreiben (müssen), um dorthin zu gelangen, wo sie jetzt sind.

Die Profis haben wahrscheinlich angefangen wie wir Alle auch: Üben, üben, üben. Aber bereits damals übten sie schon x mal häufiger als wir und entwickelten bereits damals ein Gespür für Akkorde, für Läufe u.s.w. und auch schlussendlich für die ganze Musik. Wenn Du das 1000 mal geübt hast, dann bist Du eben nicht mehr überrascht, wenn Du plötzlich vor einem schwierig zu spielenden Akkord oder einer Notenfolge stehst, sondern Du spielst einfach weiter, weil Du antizipieren kannst und den Akkord oder den Lauf als zwingende Konsequenz aus den vorangegangenen Passagen erwartest. Weil Du weißt, wie der Komponist getickt hat und wie er z.B. eine Passage aufgelöst oder weiter geführt hat. Dann brauchst Du dazu keine Noten mehr. Die Profis wissen wahrscheinlich auch beim Prima Vista spielen, wie ein Stück weiter gehen wird, noch bevor sie zur nächsten Seite umblättern.

Ich vergleiche dies z.B. mit einem Profi-Tennisspieler, der gegen mich spielt. Der Profi weiß oft schon bereits aufgrund der Ausholbewegung von mir, wo der Ball beim Aufschlag landen wird. Und auch während eines Ballwechsels bewegt er sich schon vor meinem Schlag in die richtige Richtung, weil er antizipieren kann. Spannend wirds erst dann, wenn sein Gegner auf demselben Niveau spielt.
 
@Steinbock44 du kannst dir den spöttischen Unterton sparen: deine noch präsenten oder vergessenen Integralrechnungen wirst du sicher nicht vor Publikum auf dem Klavier spielen...

Was ich am Klavier als Kind und Jugendlicher gründlich gelernt hatte, das hab ich jederzeit präsent und brauche da keine Noten. Ich kann nur aus eigener Erfahrung bestätigen, was @mick mitteilt: ich vergesse nichts am Klavier, was ich gründlich gelernt habe. ...bei mir sind das durchaus recht schwierige Sachen: da muss ich nach paar Jahren nicht anfassen die wüsten Stellen erneut trainieren, aber die Noten brauche ich da nicht. Und ich halte das auch für keine nennenswerte Gedächtnisleistung, sondern für völlig normal in dem "Job" namens Musik machen.

Tja, Rolf … dann habe ich halt meine erste Sprache schluderig von meinen Elter und in der Schule gelernt. Meine Eltern sind nicht mehr unter lebenden, sonst würde ich recht mit denen schimpfen. Wenn man sich halt mit der Materie beruflich befasst, dann ist es nicht das Gleiche …. dies auf Amateure/Hobbyspieler zu projizieren ist vorsichtig gesagt ein bisschen vermessen. Dazu kommt noch, dass etliche hier mit erwachsenen Alter mit dem Spielen angefangen haben.
Und wie ist es mit dem Fingergedächtnis, ich dachte dies kann man nur durch ständiges Wiederhohlen der Passagen in das Gehirn einbrennen. Ja nu, @mick hat es irgendwie mental eingeübt oder doch nur durch das Studium des Stückes ;-). Ich finde die pauschale @mick Aussage: Stücke oder Stellen zu wiederholen bis man es intus hat sei unsinnig. Wenn es bei dir oder bei @ mick anders funktioniert …. ja dann ist alles gut. Ich selbst sehe Noten Bildlich von mir (Bildgedächtnis) und sehr viele Stellen habe ich im (Fingergedächtnis) .... da wird so gut wie nichts vorher analysiert … höchstens die Tonart und paar Spitzfindigkeiten die in dem Stück eingebaut sind. Ferner bin ich guter Prima Vista Spieler (= ein Kurze Blick auf die Noten und so sind die ersten paar Zeile Bildlich mit den entsprechenden Fingerläufen im Kopf. So weit ich mich auf einer @micks Aussagen erinnere, hat er mit Bildgedächtnis Probleme. Also laufen bei ihm andere Vorgänge im Kopf als z.B. bei mir.
 
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Es fehlt eben bei Ihnen das gewisse Etwas, was nun mal die Spreu vom Weizen trennt.
Da ist es mit "mehr Üben" allein einfach nicht getan.

Das mag ja sein, aber es ist im Rückblick auf einige Jahre Leben eben wesentlich erfreulicher sagen zu können, ich habe meine Begabungen bis zu einem gewissen Grad entwickelt und etwas erreicht (muss ja nicht immer op. 111 und/oder Mephistowalzer sein), als sich eingestehen zu müssen, wenn ich ... , dann ... ! Aber letztlich zu wenig erreicht zu haben.
Natürlich gilt das nur auf den Gebieten unserer Begabungen, die eine gewisse Wichtigkeit für uns selbst haben. Andere Gebiete fallen hinten runter und das ist dann auch so akzeptiert.
 
Und wenn es auch nur dazu hilft, zu begreifen, dass uns Normalos nie gelingen wird
Das ist doch die entscheidende Erkenntnis. :super:

Man muss auch verlieren können.

Da bringt es nichts, wenn andere versuchen einem einzureden "du kannst alles erreichen, wenn du nur willst"

Nee, kann man nicht!

Erst recht nicht, wenn man die ersten 30 Jahre seines Lebens nichts mit Musik am Hut hatte.

Dann muss man sich auch 'mal mit weniger zufrieden geben als flüssiges prima vista oder "100 Stücke auch nach 10 Jahren noch auswendig können".

Ist ja nicht schlimm.

Finde ich jedenfalls.
 
Was ich unterschlagen hab:

Es ist gar nicht so schwierig die Formeln herzuleiten!
Wenn man das Schülern sorgfältig erklärt verstehen es fast alle und können es entsprechend anwenden. Immer auf dem aktuellen Lern-Niveau.

Genauso funktioniert es mit der Musik: die kleinen Stückchen am Anfang lassen sich einfach verstehen, mit steigendem Schwierigkeitsgrad kann man besser spielen und immer mehr verstehen weil man ja die Vorkenntnisse aus den vorigen Stücken hat....

(Auch wenn man vermutlich nie auf das Level der Profis kommen wird, aber meist sollte es doch für den eigenen Lernstand reichen).
 
Und wie ist es mit dem Fingergedächtnis, ich dachte dies kann man nur durch ständiges Wiederhohlen der Passagen in das Gehirn einbrennen.

Ich denke wirklich, dass auch @mick wenn er Stücke im Konzert spielt nicht nur und ausschließlich auf die bewusste mentale Repräsentation setzt, und insbesondere bei technisch sehr anspruchsvollen Stellen sein auditives Gedächtnis und auch sein Fingergedächtnis mitarbeiten, zumal niemand jahrelang auf hohem Niveau Klavier spielt, ohne auch motorisch hochbegabt zu sein. Aber professionelles Spiel ist niemals von nur einer Quelle für die aktuell gespielte Musik abhängig. Hören, Tastenfühlen, Denken, Phrasieren, .... alles wirkt zusammen.
Und wahrscheinlich muss sogar @mick zugeben, dass er bei Stücken, wie op. 11,3 von Schönberg im vollen Tempo nicht jeden Akkord analytisch voraus denken kann, bevor er gespielt wird.

DENNOCH! Das Reinprügeln von Stücken nur über den motorischen Ablauf ist unmusikalisch und letztlich - insbesondere, wenn man nicht mehr 17 ist - recht fehleranfällig und zeitaufwändig. Dazu stehen Aufwand und Wirkung in einem sehr ungünstigen Verhältnis.
Da ist es besser ein bisserl Theorie zu lernen und zu kapieren, was da eigentlich vorgeht.
 
Ich finde die pauschale @mick Aussage: Stücke oder Stellen zu wiederholen bis man es intus hat sei unsinnig.

Kann mich nicht erinnern, dass das von @mick so gesagt worden ist...

Da ist es besser ein bisserl Theorie zu lernen und zu kapieren, was da eigentlich vorgeht.

Genau - und selbst wenn man kein Konzertrepertoire erarbeitet oder tatsächlich auswendig spielen möchte, hilft einem das für die eigene musikalische Betätigung weiter. Womit wir wieder beim Ausgangspunkt des Notenlesens wären. Ja, ist sinnvoll, und ja, kann man lernen und ja, auch als Amateur lohnt es sich.
 
Da ist es besser ein bisserl Theorie zu lernen und zu kapieren, was da eigentlich vorgeht.

Ja, aber natürlich.

Bei mir war die intrinsische Motivation, dass ich schon immer wissen wollte,, wie die Musik so funktioniert. Und war schnell gelangweilt vom Sonatinenalbum, das war mir immer zu trivial. Bei Bach war da für mich einfach mehr los.

Ich habe das immer automatisch gemacht, aber das wäre vielleicht eine Übung: Bei jeder Musik hören: Was passiert da? Wo geht es hinß Ah, da wird in die parallele Molltonart moduliert. Ah, hier ist das tonale Zentrum in die Dominanate gewandert (deswegen auch die erhöhte vierte Stufe: Doppledominante!). Das hört man, das springt einem quasi mit dem nackten Arsch ins Gesicht: Ah, ein skalenfremder Ton, der aber kein chromatischer Vorhalt ist. Da passiert was!

Und so weiter.

Grüße
Häretiker
 

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