Musikalische Gestaltung als Mittel zur Bewältigung manueller Schwierigkeiten

Ich stelle mir ein hell erleuchtetes Haus vor, zu dem ich gelangen möchte. Ich sehe es in der Ferne leuchten, bin aber noch weit entfernt und muss erst den mehr oder weniger beschwerlichen Weg zurücklegen, um dort hinzugelangen. Das hell erleuchtete Haus ist das Ziel, die Klangvorstellung. Der Weg ist das manuelle Üben.

Ein schönes Bild, das die Situation beim Üben schon recht gut widerspiegelt.

Wenn ich ein neues Stück erlerne, fühle ich mich aber nicht so, als sei das Stück irgendwo weit weg in der Ferne. Nein, ich bin direkt in dem Haus, kenne mich dort aber noch garnicht aus. Ich weiß nicht, wo die Treppe hinführt, was sich hinter den Türen und in den Schränken befindet, wo Falltüren lauern, ob es Geister und Gespenster im Haus gibt. Es steht mir also frei, mich überall im Haus umzusehen, jeden Winkel abzusuchen und in jede Kiste hineinzusehen. Manchmal erschrecke ich auch. Da es aber nur ein virtuelles Haus, eine Art Traumhaus ist, besteht keine reale Gefakr. Ich kann jederzeit meine Erforschung abbrechen und zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufnehmen.

Die Sache mit dem möglichst schnellen Treppen hoch und runter Rennen bzw. Rutschen spar ich mir für später auf. Am Anfang des Übens interessieren mich die geheimen Kammern mehr als die Treppen.
 
hallo,

verzeih mir die Stückelung.

zu 1.:
die vehement wütenden Reaktionen auf den Hinweis, dass manuelles Üben nicht ersetzt werden könne und dass es Momente gibt, in denen die Klangvorstellung zwar vorhanden ist, aber die praktische Realisierung dennoch nicht so ohne weiteres geht, legt nahe, dass da weniger Interpretation vorliegt...

zu 2.
das wirkt so, als ob die unteren Semester eigentlich schon alles können, es aber nur nicht richtig machen... das kann ich nicht komplett bestätigen.

Gruß, Rolf

Das Zitat war von Fips und meine 1.) war doch nicht vehement oder wütend und die Beteiligung des praktischen, also tatsächlichen Spielens wird nirgendwo in Frage gestellt.

und zu 2.)

Das meinte das , was es aussagt. Genauer sollte ich vielleicht sagen, dass sie weder eine genügende Klangvorstellung sich angeeignet haben und darüberhinaus noch nicht mal den Notentextes ausreichend studiert haben.
 
und zu 2.)

Das meinte das , was es aussagt. Genauer sollte ich vielleicht sagen, dass sie weder eine genügende Klangvorstellung sich angeeignet haben und darüberhinaus noch nicht mal den Notentextes ausreichend studiert haben.
Sicher ist nicht das der Grund! Jene haben einfach weniger Übung in der Kontrolle ihrer Nervosität, das ist alles, da kann man ein Stück bis auf das äußerste geübt haben!
Aber auf die Nervosität müssen wir sicher hier nicht eingehen oder? Das wäre dann wieder ein anderes Thema:D

lg clara
 
Oder sagen wir mit der Klangvorstellung hast du sicher recht. Aber das gehört ja zu den Gründen warum viele sehr Nervös sind beim Vortrag eines Stückes. Aber letzteres? nein sicher nicht.
 
meine 1.) war doch nicht vehement oder wütend und die Beteiligung des praktischen, also tatsächlichen Spielens wird nirgendwo in Frage gestellt.

das habe ich extra noch mal nachgelesen (was amüsant war!):
erst nach beharrlichem Insistieren auf den Problemen der praktischen Seite des Klavierspiels wurden von den "Befürwortern der Klangvorstellung" interessante Zugeständnisse gemacht wie "klar muss man üben", "manches kann nicht jeder" und dann auch "das haben wir ja nie bestritten".

warum aber muss man sich dann anfangs so lange und vehement damit aufhalten, den Eindruck zu erwecken, dass mittels der richtigen Klangvorstellung schon gut 80 % der Miete auf dem Tisch lägen? das halte ich für etwas übertrieben bzw, für etwas zu einseitig

das Klangvorstellungsvermögen bietet durchaus fatale Fehlerquellen:
a) man kann sich was vorstellen, aber die Vorstellung ist Quatsch (z.B. die stacc. Doppelgriffe der Pathetique als sentimentale Schmelzmelodie)
b) man kann sich in ein ach wie hübsches Detail verennen und darüber den gesamten Zusammenhang vermurksen
c) man kann eine grundfalsche Vorstellung von einem ganzen Klavierstück haben (z.B. "mit La Campanella zeig ichs allen" anstelle einer "charmanten gracioso Etüde voller Esprit und Witz")
d) ich habe so ein wunderbares rubato...
...die Zahl ist Legion

nicht geringer ist die Zahl fataler Fehlerquellen bei falschem trainieren

wo es heikel wird, sollte man die Klangvorstellung nicht über- und die manuellen Hürden nicht unterschätzen - eigentlich ganz einfach!

und da heikle Stellen in aller Regel nicht unmusikalisch sind (denn sonst wäre fast das gesamte B-Dur Konzert vorn Brahms unmusikalisch :)), bedarf es natürlich einer nicht unerheblichen Musikalität, sich mit ihnen zu befassen: musikalisch, emotional und technisch.

Gruß, Rolf
 
ok, das gehört vielleicht nicht hierher, aber wie haben die eine Aufnahmeprüfung bestehen können?

Würdest du sagen, daß man aufgrund einer Aufnahmeprüfung zu einer realistischen Einschätzung vom Können eines Bewerbers kommen kann? Die am besten dressierten Reitpferde machen das Rennen. Das selbständige Erarbeiten von Stücken wird bei der Aufnahmeprüfung nicht geprüft. Genau diese Fähigkeit ist aber das wichtigste, was ein Musikstudent bräuchte.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zitat:

Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild.

Hat das wirklich einer geschrieben ? Oder war das nur so interpretiert ?

Ich kann es ehrlich gesagt nicht ganz begreifen, weshalb man sich hier so festbeißt an dem Gedanken, irgendjemand hätte behauptet, dass Klangvorstellung alle manuellen Schwierigkeiten in Luft auflöst. Das hat niemand behauptet.
Es würde der Diskussion gut tun, wenn hier nicht von Behauptungen ausgegangen würde, die nie getätigt wurden.

Eben, das wollte ich ja sagen. Klavigen hat mehrmals deutlich gemacht, dass die Klangvorstellung eine innere Orientierung für und während des manuellen Übens sein sollte. Aber dies wurde immer wieder so interpretiert, als ob die Klangvorstellung das manuelle Üben ersetzen könnte. So, als ob man sich im Lehnstuhl sitzend die richtige Klangvorstellung bilden und dann ans Klavier gehen und das Stück spielen könnte. Mit dem Bild von dem Haus und dem Weg wollte ich in Klavigens Sinne noch einmal deutlich machen, das beides zusammen gehört und sich nicht gegenseitig ausschließt.

Und die Klangvorstellung ist nicht einfach da, sondern wird ebenso entwickelt und wird (zum Glück) nie fertig sein. Das ist ein lebenslanger Prozess und so erklärt sich, dass die Biographie des Pianisten in seinen Interpretationen mitgehört werden kann, allerdings verschlüsselt, denn Musik ist nun mal auch Illusion und Magie.

Das Bild vom erleuchteten Haus in der Ferne ist schon ein gutes Beispiel, allerdings ist dann diese Ziel recht gut zu sehen und es wird sich nicht verändern. Aber die Klangvorstellung ist nicht so klar und wird sich im Laufe des Klavierlebens oft verändern.

Stimmt, man sollte das Bild von dem Haus vielleicht noch etwas modifizieren, damit die Entwicklung der Klangvorstellung noch deutlicher wird. Vielleicht könnte man sagen, dass man von der Ferne noch nicht genau sehen kann, wie das Haus aussieht, weil man einfach noch zu weit weg ist. Je näher man herankommt, desto deutlicher sieht man die Konturen und Details. Und wenn man dort ist, dann kann man im Sinne von Haydnspaß auch das Innere des Hauses noch durchwandern und erforschen.

Aber auch dieses Bild trifft es nicht 100%ig, wenn man davon ausgeht, dass die Klangvorstellung sich permanent verändert oder verfeinert und dass der Prozess des Übens und Interpretierens eines Klavierstücks nie zu Ende ist. Ich denke aber, dass das Prinzip der Klangvorstellung, an der man sich beim Üben ständig orientiert, durch dieses Bild deutlich wird.

es ist lernbar, sehr schön, sehr gut und auch virtuos Klavier zu spielen - sehr ausdrucksvoll zu spielen auch? hierauf weiss ich keine Antwort, leider! ich fürchte, dass sich hier (nicht bei der "Technik") erweist, was "Talent" ist und dass sich hier manches als nicht lernbar erweist (man kann Liebe zur Musik schon haben, man kann sie auch nach und nach entwickeln, aber lernen wie Vokabeln kann man sie nicht) - - - aber andererseits besteht das "Talent" ja gerade darin, überhaupt etwas ausdrücken zu wollen, ganz explizit individuell etwas ausdrücken zu wollen. anfangs natürlich auf eine eher imitative Weise, ehe der Mut zur eigenen Emotion und Auffassung entwickelt ist.

Doch, ich denke schon, dass die Fähigkeit zu ausdrucksvollem Spiel lernbar ist. Allerdings in einem anderen Sinne als man den Notentext und das rechtzeitige Niederdrücken der Tasten lernen kann. Lernen heißt hier, sich der psychologischen Seite der Musik zu widmen. Das betrifft die Erforschung der eigenen Gefühlswelt und die Verbundenheit mit sich selbst, die für ausdrucksvolles Spiel notwendig ist. Diese Art von Lernen ist weniger ein kognitives Lernen als vielmehr ein emotionales Sich-entwickeln. Zitat Rolf: "...Mut zur eigenen Emotion und Auffassung...", das kann man mit der richtigen Unterstützung entwickeln.

Dies berührt den Aspekt des Klavierunterrichts, der weniger mit Techniken, Anweisungen, Demonstrationen etc. zu tun hat, sondern mit der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler. Der Lehrer sollte dem Schüler vermitteln können, dass Musikmachen etwas mit emotionalem Ausdruck zu tun hat und sich der Schüler deshalb damit auseinandersetzen sollte, was Musik für ihn bedeutet, was er dabei fühlt, was er ausdrücken und zeigen will, wie er einem Werk auf dieser Basis gerecht werden kann usw. Diese Dinge sind viel schwieriger zu lernen als ein bloßes Einstudieren der Bewegungsabläufe etc., weil sie den Schüler unmittelbar in seinem Selbstverständnis und in seiner Persönlichkeit berühren. Der Lehrer hat deshalb meiner Meinung nach nicht nur die Funktion eines "Wissenden", der dem Schüler zeigen kann wie es geht, sondern auch die Funktion eines "Zuhörers", der für den Schüler da ist und ihm bei der Bewältigung der Fragen hilft, die mit dem Musizieren verbunden sind.

Grüße von
Fips
 
Haydenspaß
Würdest du sagen, daß man aufgrund einer Aufnahmeprüfung zu einer realistischen Einschätzung vom Können eines Bewerbers kommen kann? Die am besten dressierten Reitpferde machen das Rennen. Das selbständige Erarbeiten von Stücken wird bei der Aufnahmeprüfung nicht geprüft. Genau diese Fähigkeit ist aber das wichtigste, was ein Musikstudent bräuchte.

Ich sage jein
Man kann sehr wohl sehen, welche technische Fertigkeiten und zu welchem differenzierten musikalischen Ausdrucksvermögen der zu Prüfende fähig ist. Auch sieht man wie er mit Prüfungsstress oder Konzertstress umgehen kann.

Was man nicht sieht ist lediglich die Auffassungsgabe: wie schnell der Schüler etwas umsetzen kann. Das kann mitunter sehr wichtig sein. Es ist nämlich nicht gleich der best bewertete aufgenommene Bewerber gleich der Beste seiner Abschlussklasse.

Bezüglich der Eigenständigkeit. Der fortgeschrittene Schüler muss schon Eigenständig sein. Wer Chopin Etüden spielt kann dies nur durch fleißiges Üben eben Selbstständigkeit erreichen.
Der Lehrer sagt nur durch welche Türe man gehen soll...oder auf das Bild zugreifen, was wir hatten. Er sagt dem Schüler "Siehe da dort in dem Schrank ist Wäsche drin" Die Tür zum Schrank muss der Schüler jedoch selbst öffnen.

Ich stimme aber jedoch zu dass längst nicht immer die Besten die Aufnahmeprüfung bestehen. Es wird schon des öfteren geklüngelt. Da kann ich ein Lied von singen:D
 
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Bezüglich der Eigenständigkeit. Der fortgeschrittene Schüler muss schon Eigenständig sein. Wer Chopin Etüden spielt kann dies nur durch fleißiges Üben eben Selbstständigkeit erreichen.

Mit Selbständig meinte ich, ob der Bewerber seine eigene Interpretation bringt (ob er also kreativ ist) oder ob er die Interpretation seines Lehrers bringt (guter Imitator - Stichwort: Miniplaybackshow)
 
Mit Selbständig meinte ich, ob der Bewerber seine eigene Interpretation bringt (ob er also kreativ ist) oder ob er die Interpretation seines Lehrers bringt (guter Imitator - Stichwort: Miniplaybackshow)

Naja ich finde manch schon studierter spielt meiner Ansicht recht einfallslos.
Einfallsreichtum
Das ist eine Qualität, die einen sehr guten Musiker ausmachen... und die gibt es nicht zu Hauf.

Was macht es überdies für einen Unterschied ob es die Interpretation des
Lehrers oder des Schülers ist.
Wenn ich etwas so gespielt habe wie es der Lehrer und nicht ich wollte, so hatte ich Probleme die goldene Mitte zu finden. Sobald mich aber so ausdrücken durfte wie ich die Stelle im stück verstand oder aber genau verstand wie der Lehrer das gemeinte meinte so konnte ich mich hineinfühlen und fand die goldene Mitte leichter.

Verstehst du was ich meine? Was ist falsch daran Anregungen anzunehmen. Solange du hinter dem stehst was du machst bist du auch überzeugend. Da ist es egal ob die Interpretation vom Lehrer oder Schüler ist. Letzten Endes ist alles nicht besonders neu, sprich, du kannst dir tausende Aufnahmen von den Beethoven Sonaten anhören und dir von dort Anregungen holen, da ist ein Lehrer nix anderes!

-und man hört ob jemand hinter dem steht was er tut, überzeugend ist.

lg

clara
 

Würdest du sagen, daß man aufgrund einer Aufnahmeprüfung zu einer realistischen Einschätzung vom Können eines Bewerbers kommen kann? Die am besten dressierten Reitpferde machen das Rennen. Das selbständige Erarbeiten von Stücken wird bei der Aufnahmeprüfung nicht geprüft. Genau diese Fähigkeit ist aber das wichtigste, was ein Musikstudent bräuchte.

ich sage dazu lieber gar nichts...

aber diejenigen, die sich auf Prüfungen vorbereiten und diejenigen, die sie bestanden haben, könnte man ja mal interwieven, ob sie sich selber als dressierte Reitpferde empfinden...

Wettbewerbe, Aufnahmeprüfungen etc sind Selektionsverfahren, und gewiss nicht immer optimal, wohl auch nicht immer gerecht - damit wird man sich wohl abfinden müssen.
 
Doch, ich denke schon, dass die Fähigkeit zu ausdrucksvollem Spiel lernbar ist. Allerdings in einem anderen Sinne als man den Notentext und das rechtzeitige Niederdrücken der Tasten lernen kann. Lernen heißt hier, sich der psychologischen Seite der Musik zu widmen. Das betrifft die Erforschung der eigenen Gefühlswelt und die Verbundenheit mit sich selbst, die für ausdrucksvolles Spiel notwendig ist. Diese Art von Lernen ist weniger ein kognitives Lernen als vielmehr ein emotionales Sich-entwickeln. Zitat Rolf: "...Mut zur eigenen Emotion und Auffassung...", das kann man mit der richtigen Unterstützung entwickeln.

ob man wirklich lernen und/oder gelehrt werden kann, "etwas ganz explizit individuell auszudrücken"? damit ist ja kein "nur" schönes, korrektes etc. Musizieren gemeint, sondern ein wirklich persönliches, individuelles - und hier weiss ich nicht, ob das lernbar innerhalb eines Lehrplans ist, oder ob der Wille hierzu nicht schon mitgebracht ist (Talent) und sich diese Fähigkeit während des Lernens/Entwickelns der Grundlagen (Klangvorstellung, Technik) erst herauskristallisiert, zum Vorschein kommt.

"mit der richtigen Unterstützung entwickeln" - das klingt für mich einleuchtender als "lernen". aber was da entwickelt wird, muss zuerst mal als Anlage da sein, sonst lässt sich eben nichts entwickeln. oder es muss quasi "eingeimpft" werden. vielleicht geht auch das?! schwer zu entscheiden.

Gruß, Rolf
 
aber was da entwickelt wird, muss zuerst mal als Anlage da sein, sonst lässt sich eben nichts entwickeln.

Ich glaube, dass das in jedem Menschen als Anlage vorhanden ist und auf Unterstützung von außen quasi "wartet". Das heißt, ich gehe davon aus, dass es ein ganz grundsätzliches Bedürfnis jedes Menschen ist, sich emotional auszudrücken und damit von anderen Menschen individuell "erkannt" zu werden. Es gibt dafür viele Wege. Mit Hilfe von Musik ist es sehr gut möglich, sogar ganz ohne die Mühseligkeiten der Sprache.

Grüße von
Fips
 
Angst und Mut

Fips hat sehr schön beschrieben, dass zum ausdrucksstarken Spiel auch Mut gehört, etwas von sich preiszugeben.
es ist hier tatsächlich nicht der Ort, um zu untersuchen, warum in unserer Gesellschaft Gefühle so stark zurückgehalten werden.

Ich denke, dass es für einen guten Pianisten eben zur Natur gehört ein expressiver Mensch zu sein. Und ich denke schon, dass der Spieler sich in alle Emotionen hineindenken muss. Solches schreibt auch A. Brendel in seinen Essays, wenn er von den psychologischen Linien spricht, die jedes Stück durchziehen.

Und dass man sich genau hineinfühlt heisst ja andererseits nicht, dass man die Kontrolle deswegen verliert. Da darf man Sentiment nicht mit Sentimalität verwechseln.

Der Kandidat in einer Aufnahmeprüfung zeigt auch notgedrungen immer etwas von sich selbst, denn ganz verbergen kann man die eigene Person nicht. Aber meist ist das noch sehr verhalten.

vielleicht gehört zur Entwicklung einer guten Klangvorstellung auch eine Portion Selbsterkenntnis.
 
Ich glaube, dass das in jedem Menschen als Anlage vorhanden ist und auf Unterstützung von außen quasi "wartet". Das heißt, ich gehe davon aus, dass es ein ganz grundsätzliches Bedürfnis jedes Menschen ist, sich emotional auszudrücken und damit von anderen Menschen individuell "erkannt" zu werden.

gewiss, aber ich glaube, dass nicht alle das auf dem nonverbalen, aber extrem emotionalen Weg der Musik tun wollen (zumal diese Ausdrucksform sehr viel erfordert...) und können - sehr heikles Seitenthema...:(

mir wäre lieber, wieder zu den leider real vorhandenen manuellen Schwierigkeiten zurückzukehren. nachdem sich das Thema hier grundlegend gewandelt hatte von "musikalische Gestaltung VERSUS Bewältigung manueller Schwierigkeiten (was sich als unsinnig erwies) zu "musikalische Gestaltung als Mittel zur Bewältigung manueller Schwierigkeiten, hat sich gezeigt, dass der ebenso abstrakte wie weitläufige Begriff der musikalischen Gestaltung bzw. der Klangvorstellung weitaus größere Sympathie genießt, als das manuelle, motorische Training.

( :D ich nehme mal an, wenn hier abgestimmt würde, was man lieber mag, Klangvorstellung oder Techniktraining, gäbe es einen grandiosen Wahlerfolg für die Klangvorstellung :D)

ich bin in diesem Kontext immer noch nicht so ganz zufrieden mit den Antworten, die auf die Frage von Franz kamen (eine Lisztstelle, die unschwer zu verstehen, aber schwer zu spielen ist) - der Hinweis, solche Sachen seien abgehoben, hilft nicht. Denn leider ist sehr viel sehr schöne und sehr gute Klaviermusik in diesem Sinne "abgehoben", also schon auf der praktischen Ebene der manuellen Realisierung sehr schwierig. Der Hinweis, dazu taugen ohnehin bei weitem nicht alle, hilft auch nicht, wenn jemand fragt, wie man damit zurecht kommen könne.

Franz´ Frage bezog sich auf eines der klangschönsten, raffiniertesten und feinsten Klavierstücke des 19. Jhs.: die Lisztsche Transkription der Schlussarie aus Wagners "Tristan und Isolde" - - - und ganz speziell dieses Stück bietet für "Klangvorstellungsvermögen" eine ungeheuere Fülle, sodass ich ehrlich gesagt hierzu gerne manches über diese Methode des Zugangs zu diesem Stück bzw. zu dieser Stelle erfahren hätte - - - - - ich habe lediglich die manuelle Seite erklärt, aber ich mache ja kein Geheimnis daraus, dass ich diese für sehr wichtig halte :)

unbequeme, sehr leise Tremoli, welche den pp-Streichersound des Originals in Klavierklang übertragen; darunter in der l.H. als Melodie ein Zitat von einem Thema aus dem 2. Akt der Oper. leidenschaftlich, sehnsüchtig und liebevoll soll das klingen, mit einer nostalgisch-traurigen Beinote, weil der Trsitan ja schon tot ist und Isolde hier in einen letalen Begeisterungszustand gerät (was im Original nicht anders ist) - - das ist nicht schwer zu verstehen, aber an den Tasten ist es nicht leicht darstellbar. Sicher sind wir alle uns einig, dass man das dann halt üben muss!!! Gar keine Frage!!!

ABER warum sollte man, wenn man nun schlicht nichts anderes probiert (übt, trainiert) als diese pp-Tremoli, währenddessen permanent den immensen emotionalen Aufwand mitfühlen, den dieses Klavierstück als Ganzes braucht? Das hilft den Tremoli nicht, das strengt nur an. Es gibt keinen sinnvollen Grund, sich zusätzliche Mühen zu machen bzw. sich vom angewöhnen einer Spielweise, deren Notwendigkeit ja längst erkannt ist, durch tiefe interpretatorische Absichten abzulenken.

das Klangvorstellungsvermögen reguliert Klangdifferenzierungen, Tempi, Bedeutungen/Emotionen (man steinige mich nicht, wenn ich nicht alles aufzähle), und das kann es am Detail in Zeitlupe und für das fertige Stück als Ganzes. Im Detail ist das im Kopf schnell abgehakt (siehe oben), aber eben nicht notwendig daraus folgend schnell manuell umgesetzt. Für ein Musikstück als Ganzes ist die Klangvorstellung 100%ig notwendig, und sie sollte nicht durch manuell nicht ganz beherrschtes "so ungefähr, beinahe" Spielen gestört werden. Also sollte zur Realisierung der eigenen Klangvorstellung das reibungslose manuelle Können sichergestellt sein.

Ja, Klangvorstellung muss von Anfang an sein und am Ende auch wieder - aber dazwischen, unterwegs, kann sie gerne zeitweilig in die zweite Reihe zurücktreten, denn dazwischen geht es darum, die manuellen Hürden zu beseitigen. Und solchen Mühen sollte man sich nur unterziehen, wenn man das wirklich sehr gerne und sehr intensiv macht.

und das gilt für jede Stufe.

Gruß, Rolf

schade, ich bin meinem Vorhaben, nur noch small-talk zu bringen, abtrünnig geworden... ich gelobe Besserung
 
ich bin in diesem Kontext immer noch nicht so ganz zufrieden mit den Antworten, die auf die Frage von Franz kamen (eine Lisztstelle, die unschwer zu verstehen, aber schwer zu spielen ist)...

... ABER warum sollte man, wenn man nun schlicht nichts anderes probiert (übt, trainiert) als diese pp-Tremoli, währenddessen permanent den immensen emotionalen Aufwand mitfühlen, den dieses Klavierstück als Ganzes braucht? Das hilft den Tremoli nicht, das strengt nur an. Es gibt keinen sinnvollen Grund, sich zusätzliche Mühen zu machen bzw. sich vom angewöhnen einer Spielweise, deren Notwendigkeit ja längst erkannt ist, durch tiefe interpretatorische Absichten abzulenken. ...

Neuhaus gibt einen recht pragmatischen Tipp, man nehme verschiedene Stellen mit ähnlichen Aufgaben aus der Klavierliteratur und bearbeite diese als "Trainingsprogramm" so z.B. das "Tremmolo an sich", die Oktave, schnelle Akkordrepetitionen usw.

So werde ich es nun auch machen.

Franz´ Frage bezog sich auf eines der klangschönsten, raffiniertesten und feinsten Klavierstücke des 19. Jhs.: die Lisztsche Transkription der Schlussarie aus Wagners "Tristan und Isolde" - - - und ganz speziell dieses Stück bietet für "Klangvorstellungsvermögen" eine ungeheuere Fülle, ...

Vielleicht sollten wir für "Isoldens Liebestod" einen eigenen Faden aufmachen, falls allgemeines Interesse besteht.
 
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Ja, Klangvorstellung muss von Anfang an sein und am Ende auch wieder - aber dazwischen, unterwegs, kann sie gerne zeitweilig in die zweite Reihe zurücktreten, denn dazwischen geht es darum, die manuellen Hürden zu beseitigen.


das sehe ich nicht so. Für die Bewältigung manueller Hürden braucht man die Klangvorstellung und auch in der ersten Reihe. Haben wir hier schon geklärt was Klangvorstellung eigentlich ist?
-Vorstellung von dem einzelnen Klang an sich, welcher Ton ist am wichtigsten
-Vorstellung von der Bedeutung der gespielten Phrase in dem Stück (höhepunkt, worauf läuft das ganze hinaus)
-Vorraushören- den Ton hören bevor er gespielt wird, das nimmt auch die Angst nicht zu wissen was als nächstes kommt oder die Angst vor einer schwierigen Phrase
-Vorausfühlen. Wie fühlt es sich an wenn ich leise schnell spiele, staccatis oder große Sprünge und und und...

dieses Vorrausfühlen ist auch eine Vorstellung und das braucht man meiner Ansicht auch dringend, wenn man etwas technisch übt. Genauso aber die Klangvorstellung.

Ich übe derzeit die Bartok Suite op. 14 besonders den 3. Satz. Es gibt dort auch ein paar Sprünge. Das Stück ist noch recht neu für mich und ich versuche nun die vorgegebenen Tempi zu erreichen. Bei den Sprüngen die es dort zeitweilig gibt habe ich deutlich gemerkt, dass ich viel mehr Schwierigkeiten mit ihnen habe, wenn ich sie nicht als ganzes sehe. Als Phrase oder wenn ich nicht Vorraushöre, eben meiner Ansicht die Klangvorstellung in der zweiten Reihe bleibt. Denn dann verkrampfe ich innerlich und das merke ich dann deutlich im Sprung. Der geschieht dann nicht mehr so locker wie er sein sollte...

Ich habe das schon einmal irgendwo geschrieben. Aber das passt hier sehr gut. Der Sänger..und ich weiß das, weil ich auch schon sehr lange singe, wenn er ein Übung technisch denkt, dann geht sie viel schwieriger von der Stimme:D weil man aufgrund der Konzentration "ja alles richtig zu machen" zu angespannt ist um einen weichen freien Klang zu erzeugen...manchmal kann das zum Stimmbruch führen! Beim Pianisten wird das nicht viel anders sein. Sicher Technik ist sehr wichtig, das sehe ich auch so, doch man sollte keine Übung nur technisch sehen. Das fällt mir manchmal etwas schwer. Aber daran kann und sollte man arbeiten.
unsere Tremolos oder Triller ^^ die gehen auch einfacher wenn man nicht daran denkt..."gleichmäßig gleichmäßig ja gleichmäßig stränge dich an damit sie gleichmäßig sind"

Was ist eigentlich bei den Pianisten der Unterschied zwischen Tremolo und Triller? Bei den Sängern ist ein Tremolo ein unkontrolliertes Vibrato, was vom Triller nicht zu unterscheiden ist. Besonders Wagnersänger haben ein Tremolo entwickelt (eine Fehlentwicklung) um sich deutlicher über dem Orchester abheben zu können. Bei Ihnen hört man dann nicht wenn sie einen Triller singen.

Ich meine ich hätte von dir Rolf gelesen, das sowiso alles im Kopf abläuft das spielen. Es wundert mich darum, dass du sagst die Klangvorstellung könne zeitweilig in die zweite Reihe geschoben werden.

lg Clara
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich meine ich hätte von dir Rolf gelesen, das sowiso alles im Kopf abläuft das spielen. Es wundert mich darum, dass du sagst die Klangvorstellung könne zeitweilig in die zweite Reihe geschoben werden.

lg Clara

hallo,
also ganz so pfennigfuchserisch müssen wir nicht vorgehen :)

ja, es spielt sich alles im Kopf ab - aber dieser Satz ist soooo allgemein und abstrakt, dass man sich da kaum sonderlich viel drunter vorstellen kann. aber man kann ja etwas konkreter schaun, was so alles passiert beim spielen und üben: es "arbeitet" im Denkgehäuse, und an den Tasten "arbeitet" es auch :)

Srpünge in Bartoks Suite - die habe ich nicht gespielt (meine Bartoksachen bislang: Rhapsodie, allegro barbaro, rumänische Tänze, paar Einzelstücke); was anspruchsvolle Sprünge betrifft: bei nächtlichem Stromausfall ohne Kerzen oder Taschenlampe haut jeder im Mephistowalzer daneben, sofern es dort im Tempo zugehen soll (ich meine die berühmte Sprungsequenz). also wird "sehen" schon mal mitbeteiligt sein, sodass pfennigfuchserisch ALLEIN fühlen, denken, klangvorstellen usw nicht so ganz alles abdecken, was zum gelingen dazugehört.

ich sehe beim besten Willen keinen Grund, beim üben/trainieren irgendeiner Sprungstelle permanent bewußte, kontrollierte, aktive Aufmerksamkeit auf interpretatorische Absichten zu richten - "zeitweilig in die zweite Reihe zurücktreten" heisst doch nicht, im dunklen Kerker weggeperrt zu sein :D! Dass Klangkontrolle (z.B. nicht draufhauen, weil pp oder sowas) vorab und dabei vorhanden ist, ist klar - aber wenn ganz pragmatisch das "treffen" trainiert wird (und das muss man bei sehr schnellen Sprüngen), dann kann in der ersten Reihe ruhig das treffen sein, und von der zweiten Reihe aus hat die Klangvorstellung immer noch einen guten Blick auf die Bühne

Gruß, Rolf
 
Irgentwo hast du im Grunde auch recht, doch ich kann dir immer noch nicht ganz zustimmen, denn wie gesagt, wenn man zu technisch denkt, dann klappt es nicht. . .
Aber es ist nun sicher auch wieder Haarspalterei. Ob erste Reihe oder zweite...

habe übrigens meinen vorherigen Eintrag noch erweitert. Ich habe mal wieder den Sänger als Beispiel genommen :D
 

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