Lieber Dreiklang,
auf Deine Antwort warte ich seit August letzten Jahres (als Du sie mir in Aussicht
gestellt hattest), und was Du jetzt schreibst, nehme ich als Ausdruck guten Willens,
auch wenn sie kaum etwas von dem klärt, wovon ich gesprochen habe.
Gomez, man kann vieles tun...
Der Schwabe sagt: Man kann sich 'n Loch ins Knie bohren und Gsells neischmiere.
Als Hobbyist kann ich frei wählen, was ich tun mag (manche Leute durchstöbern
auch gerne Youtube u.ä. nach gelungenen Aufnahmen von Musikstücken).
Das sei Dir gegönnt, und das tue ich auch.
[...] man kann auch über die Begriffe Kunst oder Musik öffentlich räsonieren,
ohne beides studiert zu haben [...]
Damit Du Dir keine falschen Vorstellungen machst: Ich hab mal ein paar
Semester an der Uni rumgelümmelt, aus dieser Zeit aber - von zwei Ausnahmen
abgesehen - nichts mitgenommen. Mein Studium bestand aus der direkten Arbeit
mit Noten, Büchern und allem, was dazugehört: Konzert- und Museumsbesuchen,
Gesprächen mit Freunden etc., und hört (hoffe ich) nie auf.
[…] wichtig dabei ist immer, eine handvoll wesentlicher Dinge zu wissen,
oder erkannt zu haben.
Da sind wir vollkommen d'accord - auch wenn sich in der Frage,
was man wissen oder erkannt haben sollte, Abgründe zwischen uns auftun.
Tatsache ist, daß Du in einer derart polemischen und auch diskussionsunfähigen
Art und Weise in Diskussionen einzubrechen pflegst, daß mir schon mal die Lust
auf die Diskussion und den Austausch von Argumenten vergeht bzw. vergangen ist.
Ich nehm's zur Kenntnis, und seh die Ursache gerne in mir - weise nur müde darauf hin,
daß andere diese Schwierigkeit nicht haben. Machen die irgendetwas falsch?
Wirklich kritisch und heikel (!) sind Diskussionen über im weitesten Sinne
nicht-beweisbare oder nicht-eindeutig-entscheidbare Dinge in der Musik.
Zum Beispiel dann, wenn es um deren Schönheit geht - diese liegt im Auge
des Betrachters (oder vielleicht doch nicht?).
Tja - oder vielleicht doch nicht? Mir ging es jedenfalls in allen Gesprächen,
die wir geführt haben, nicht darum, Dir mein Schönheitsempfinden aufzuzwingen,
sondern Dich von einer Haltung wegzuführen, von der Du im anderen Lang-Lang-Faden
gerade wieder auf dramatische Weise Zeugnis ablegst und die der Volksmund
so beschreibt:
Was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht.
Mir war es darum zu tun, daß Du - ob in Literatur, Musik oder Bildender Kunst -
von den Scheuklappen freiwirst, die Dich an der Erkenntnis von allem möglichen behindern,
und so etwas wie eine gesunde Neugierde auf Dir Neues, Unvertrautes entwickelst,
nicht nur in puncto Interpretation, sondern generell in der Herangehensweise an die Kunst:
daß Kunst nämlich die Frucht denkerischen Vermögens und denkerischer Arbeit ist
(was Gefühle einschließt, aber sich darin nicht erschöpft) und die Beschäftigung mit ihr
mehr verspricht als die Möglichkeit, sich von ihr "verwöhnen" zu lassen.
durch erstaunende Argumente, die augenöffnend wirken.
Allerdings fehlen die immer (die kommen regelmäßig von Anderen).
Was noch lange nicht gegen die Qualität meiner Argumente spricht.
HG, Gomez
.