Ich will mir nicht vorstellen, dass jemand die Inventionen mit Pedal spielt. Und ich finde, dass dessen Gebrauch auch nicht in Kriegers Menuett gehört. Aber das ist "Geschmackssache".
Es ist nicht nur eine Frage des "Geschmacks", sondern hat mit dem Umstand zu tun, dass heutzutage ein anderes Instrumentarium als zur Entstehungszeit dieser Literatur bespielt wird. Der Hammerflügel als Frühform des heutigen Flügels wurde erst im frühen 18. Jahrhundert, also in spätbarocker Zeit, entwickelt - und frühere Tasteninstrumente verfügten zum einen nicht über die Einrichtung eines Haltepedals zur Tonverlängerung und zum anderen klangen schwingende Saiten einst nicht annähernd so lange nach wie heute. Nach verklungenen Tönen ergaben sich Stille und akustische Löcher, die in der Praxis ausgefüllt wurden. Je kürzer die Ausschwingdauer der gespielten Töne, desto reichhaltiger pflegte man vielfach zu ornamentieren und eine Melodielinie auszuzieren.
Der verständige Pedalgebrauch dient der Klanggestaltung der bereits angeschlagenen Töne und nicht der Kaschierung des Unvermögens, sauber und differenzierend zu artikulieren und zu phrasieren. Selbst wenn es punktuell gelingt, das eine oder andere akustische Loch durch Betätigen des rechten Pedals zuzuschmieren, bleibt das Ergebnis musikalisch unbefriedigend. Ähnliches gilt für das linke Pedal: Etwas leiser und weicher wird der Klang zwar schon, aber die Unfähigkeit, ein sauberes und differenziertes Piano zu spielen, wird dann eher noch offensichtlicher als dies ohnehin bereits der Fall sein mag.
Da Krieger eher ein Komponist des späten 17. als des frühen 18. Jahrhunderts war, gab es die Unterscheidung zwischen Cembalo und Klavier nicht in dem gleichen Kontext, wie dieser etwa für Johann Sebastian Bachs Instrumentalwerk gegolten haben mag. Der klangliche Ausgangspunkt lag hier bei Clavichord und Cembalo - beim Frühbarock ist die Satzweise oft noch nicht allzu weit von der der Zupfinstrumente (Gitarre, Laute) entfernt zu lokalisieren (auch aufgrund des kleineren Tastaturumfangs). Dass das Cembalo bis heute mit einem Lautenzug ausgestattet ist, geht sicher auf frühbarocke Klangvorstellungen zurück.
Solche Überlegungen spielen gerade dann eine Rolle, wenn diese Literatur auf dem modernen Flügel interpretiert wird. Deshalb ist es auch eher fragwürdig, allzu munter über stilistische Grenzen hinweg zu musizieren, obwohl die von mick gezeigte hemiolische Wendung etwa bei Brahms und späteren Komponisten in anderem Kontext oft zur Anwendung kommen sollte. Wechsel zwischen Zweier- und Dreiermetren mit rhythmischer Schwerpunktverlagerung gab es im Gegenzug bereits in der Ars-Nova- und Ars-Antiqua-Zeit, also nochmals mehrere Jahrhunderte früher.
LG von Rheinkultur