Mazeppa nach 3 Jahren - Wo stehe ich?

Nehmen wir z.B. mal Liszts Bearbeitung von Schuberts „Ständchen“. Liszt macht aus einem gerade durch seine Schlichtheit ehrlichen Lied ein aufgemotztes Virtuosenstück
@Demian verwechselst du das nicht mit dem Ave Maria? Gerade das zauberhafte Schubert/Liszt-Ständchen ist alles andere als ein Virtuosenstück.
Nebenbei: die Bearbeitungen der Schubertlieder als teils einfach zugängliche, teils konzertant-virtuose Klavierstücke diente primär der Popularisierung der Schubertlieder - diese waren um 1850 bei weitem nicht so bekannt, berühmt und geschätzt wie heute. Überspitzt gesagt: bedank´ dich beim "Showman" dafür, dass du heute diese Lieder kennst ;-)
 
das kannst du getrost auch entfernen - - und selbst wenn dir kein Zugang zu Liszts Musik fehlen würde, wäre damit nicht garantiert, dass sie dir auch gefällt. Immer wieder schleicht sich das Fehlurteil ein, dass das, was man in der Musik nicht versteht oder was einem missfällt, auch schlecht, oberflächlich, effekthascherisch, konstruiert, inspirationslos sei (die Liste negativer Epitheta lässt sich unschwer erweitern).
"Wer die Schönheit der Norma-Reminiszenzen nicht erkennen kann, der ist noch lange nicht bei Liszt angekommen" (Busoni)

retour zu "Mazeppa nach drei Jahren" und Faszination für akrobatische-virtuose Klaviersachen:
Gottschalk "Banjo" wäre für @gameuno ein perkussives fetziges Stück (auch mit exotischen Sprüngen) das den Vorteil einer überschaubaren Form und Harmonik hat, dabei aber sehr "sportlich" ist.
 
Bis jetzt habe ich hier kein ernstzunehmendes Argument gegen bewußt und absichtlich virtuose Musik erblicken können. Und damit auch nichts gegen das Ansinnen, sich mit solchen Sachen zu befassen.

Ich wollte kein einziges Argument gegen absichtlich virtuose Musik bringen. In meinem Beitrag kannst du lesen, dass ich alle erwähnten Stücke, auch die Campanella gerne höre.
Ich wollte auch schon gar nichts gegen die Beschäftigung mit dieser Musik sagen, da hörst du anscheinend etwas heraus, was du heraushören willst. Ich finde beispielsweise die Aufführung der Transzendentalen Etüden von Berezowsky grandios. Ich wollte darauf hinweisen, dass einem die fast ausschließliche Beschäftigung mit diesen virtuosen Exzessen, insbesondere in einem frühen Stadium, vieles, was die Musik zu bieten hat, entgehen lässt.

Diese in der Sache untauglichen Vergleiche völlig unterschiedlicher Gattungen erklären nicht, was "oberflächlich" sein soll, sie zeigen nur, dass da bei der Suche nach Beispielen völlig unterschiedslos divergierende Gattungen in einen Topf geworfen werden - - sowas wird sonst immer gerne als Äpfel mit Birnen vergleichen gebrandmarkt.

Man kann alles miteinander vergleichen. Bei der Bewertung muss man natürlich unterschiedliche Zielsetzungen berücksichtigen. Ich kann auch Malle-Schlager mit Beethoven-Symphonien vergleichen und dann behaupten, dass die Malle-Schlager weniger Tiefgang haben. Da wird niemand mit einigermaßen E-Musik-Bildung etwas gegen sagen.
Und Fakt ist, dass Liszt eben MEHR Kompositionen in diesen Bereichen komponiert hat, die ich mit einer großen Sonate "nicht vergleichen darf" als Beethoven. Etüden, Transkriptionen, solche Opernfantasien etc. haben in Liszts Schaffen einen größeren Anteil als bei Beethoven. Natürlich soll so eine Opernfantasie oder eine Campanella auch gar nicht den Tiefgang einer h-Moll-Sonate haben, dessen bin ich mir mehr als bewusst.

Und man kann auch Vokalmusik zu Fantasien verarbeiten, die von der Anlage gerade mit der grandiosen h-Moll-Sonate ähnlich sind. Ich denke da an ein berühmtes Beispiels aus Wien aus dem Jahre 1822, dass Liszt zu seinem Schaffen sehr inspiriert hat.

Und zurück zur Mazeppa: Die ist ein sehr ausdrucksstarkes Stück, eine sehr gelungene Komposition. Trotzdem stiftet diese Etüde, erst Recht, wenn man damit etwas überfordert ist, dazu an, Wesentliches zu Gunsten von vielen lauten Tönen in kurzer Zeit zu vergessen.
 
also auch Äpfel mit Birnen ;-)

übrigens in Sachen Tiefsinn und op.106:
- wo ist der Tiefsinn im Scherzosatz? (da ist kaum welcher, aber dafür eine langweilige Imitations"dreschmühle" und ansonsten unnötig widerborstige Grifffolgen im Hauptteil)
- und was die Fuge betrifft: die ist dezidiert hochvirtuos, furios, integriert spektakuläre polyphone "Showpassagen" (non ligato Stelle) und bolzt mit quasi Oktavtrillern und ist im besten Sinne ein schreckenerregendes Virtuosenstück - und genau das soll sie auch sein (Beethoven hat das seinem Verleger geschrieben)

(Mazeppa) wenn man damit etwas überfordert ist
was kann man da sagen? K. Zimerman "bischen üben, dann geht das schon"

@St. Francois de Paola wie denkst du über Ravels Intention bei Gaspard und seiner Umsetzung derselben? Mangelt es diesem ultravirtuosen Zyklus an musikalischem Tiefsinn?
 
Virtuosentum beginnt für mich da, wo sie zum Selbstzweck wird. Man kann viele der Lisztschen Werke so spielen: Man reduziert sich auf den Effekt.
Ich bin eine geläuterte Lisztliebhaberin. Früher fand ich Vieles oberflächlich. Spätestens seit meiner innigen Begegnung mit der h-moll Sonate und auch den Schubert Paraphrasen und zu allerforderst mit den Kunstliedern habe ich mich für mein forsches Urteil geschämt.
Kurzum: Wenn man die virtuosen Stellen in Liszt´scher Musik als eben solche begreift, nämlich Musik, der ein Ausdruck innewohnt, dann werden sie wunderschön.
Es gibt und gab aber immer wieder Klavierspieler, die diesen nicht sehen oder sehen wollen und sich nur auf die Zirzensik beschränken.
Dann ist Virtuosität voll doof!
 
@St. Francois de Paola wie denkst du über Ravels Intention bei Gaspard und seiner Umsetzung derselben? Mangelt es diesem ultravirtuosen Zyklus an musikalischem Tiefsinn?
Nirgendwo habe ich behauptet, dass extreme Virtuosität Tiefgründigkeit ausschließt, schon gar nicht bei Op. 106 oder dem Gaspard. Beide sind über jeden Zweifel erhaben. Balakirews Islamey dagegen z.B. enthält Virtuosität und sonst nicht viel.
Ziemlich seltsam, aus meinen Aussagen, die MANCHEN Virtuosenstücken die Tiefgründigkeit teilweise absprechen, zu schließen, ich halte alle Virtuosenstücke für oberflächlich.
 
@rolf, hihi, verzeih, Deutsch ist eine schwere Sprache, uff, diese Grammatik... :013:
Fall 1: natürlich muss es "es" heißen
Fall2: ja, genau!:005:
 
Ziemlich seltsam, aus meinen Aussagen, die MANCHEN Virtuosenstücken die Tiefgründigkeit teilweise absprechen, zu schließen, ich halte alle Virtuosenstücke für oberflächlich.
hab ich das? Himmel auch, ich habe dir ein paar Fragen gestellt - dass deine "Aussagen" sakrosankt wie eine heilige Schrift sind, konnte ich nicht wissen. Auch konnte ich nicht wissen, dass deine Einteilungen in oberflächlich, oberflächicher usw nebst Etüden-Sonaten Vergleichen auf dem Berg Sinai in Steintafeln gemeißelt sind ;-)
Natürlich dienen Paraphrasen, Etüden, Transkriptionen anderen Zwecken und Intentionen als Sonaten. Allerdings gibt es in allen Gattungen gelungene und weniger gelungene, man könnte evtl auch sagen tiefer gehende und oberflächlichere Exemplare.
Zur Ravelfrage gebe ich selber die Antwort, ehe da noch mehr zornige Wortklauberei kommt. Dem Ravel ist in Gaspard seine Intention umzusetzen in doppelter Hinsicht nicht gelungen: 1. ist der Zyklus nicht das allerschwierigste Klavierwerk, 2. kommt die Absicht einer grotesken Romantikparodie nicht rüber (weder Ondine, noch Gibet und Scarbo wirken komisch) - aber ein grandioser Klavierzyklus ist das trotzdem, vom allerfeinsten.
 
in Strauß unter Donner und Blitz Polka gibt es nichts anderes als pure Orchestervirtuosität - trotzdem ist es ein geniales, umwerfendes Orchesterstück (wenn der virtuose Carlos es dirigiert, alle anderen wirken schlapp dagegen) - ist der Kleiber nun ein Selbstzweck-Pultvirtuose?
...lässt sich halt nicht alles 100%ig definieren, auch nicht mittels Selbstzweckargument (das trifft oft, aber nicht immer zu)
 

@rolf, es ist nicht oberflächlich musiziert. Lebensfreude hat ja auch ihren Platz in der Musik.
Also: nein, er ist überhaupt kein Selbstzweckvirtiose! Er lässt die anderen Spass haben.
Das von Dir erwähnte Stück finde ich auch nicht virtuos, obwohl es der Musiker bedarf, die virtuos ihre Instrumente beherrschen...
 
Ich verstehe nicht, wieso man versucht, arrogant auf Virtuosität herabzublicken.

Da gab es mal den Stylus Phantasticus. Bachs Chromatische Fantasie bleibet schön(!) in alle saecula (vom Willi F. Bach himself).

Tastensport gibt es, seit es Tasten gibt. Die Fulminanz gelebter Virtuosität ist schon selbst ein Ausdruck: con bravura.

Auf YT gibt es sehr viele Aufnahmen von Tastensportlern, die ihren Czerny vorüben.

Oder... da gibt es dieses beknackte französische Stück mit Händeüberkreuzen auf jedem Achtel (wurde hier im Forum besprochen, ich finde es nicht wieder, der Komponist hat so einen dieser typisch französischen Doppelnamen). Die YT-Aufnahme von diesem Überkreuzstück ist auch von so einem Tastensportler, der zudem das Stück m.E. völlig verkehrt auffasst: nämlich als ein basslastiges Classic Jazz Piano Piece statt als eine Art "Choral", begleitet von Akkorden darunter und darüber (kurz: man hört die "Choralakkorde" in der Mitte kaum).

Mir kömmt es nun vor, als ob manchen hierzuforum die Trauben zu hoch hingen und es ihnen daher geboten zu sein scheine, im Sinne einer Kunstreligion einigen beliebigen, möglichst alterationslosen und jedenfalls kontrapunktischen Verquickungen im Epigonal-Palestrina-Stil (eine Musik, wie sie ein päpstliches Dekret für die katholische Kirchenmusik beschied) mehr Tiefsinn zuzusprechen als...als... als im Scherzo von op. 106 dem Übergang (mit diesem lustigen b-h-Wechselspiel [oder ist das erst in der Coda? bin unterwegs, kann nicht nachschauen]) zum Da-Capo-Teil (Ha! :lol:)
 
Zuletzt bearbeitet:
@rolf Banjo gefällt mir tatsächlich recht gut, danke! Dieses Stück wird offenbar neu aufgearbeitet in Hamelins Toccata Grotesca:

Ich denke, es ist häufig schwer, zu beurteilen, ob ein Komponist eine bestimmte Passage virtuos gestaltet hat, einfach, damit sie schwierig ist und eindrucksvoll aussieht, oder, ob er tatsächlich genau den Klang haben wollte, den er mit der Virtuosität erzeugt. Sicherlich kann man aber für sich selbst entscheiden, warum einem selbst eine gewisse Stelle von dieser Art denn gut gefällt (wenn sie es denn tut): Weil sie sich genau so anhört, wie sie es tut, oder weil man es einfach toll findet, einem Pianisten dabei zuzusehen, wie er diese Herausforderungen bewältigt? (Das zweite ist sozusagen der Selbstzweck.)

Für mich persönlich sind an Mazeppa diese beiden Punkte erfüllt, und genau diese Stücke sind es, die ich langfristig spielen möchte. Allein schon, weil man sich dann notwendigerweise sehr viel mit der Bewältigung der technischen Schwierigkeiten beschäftigen muss, wird man weniger Zeit haben, sich mit harmonischen und melodischen Genialitäten einer großen Anzahl an Stücken zu beschäftigen - da die einzelnen Stücke dann sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, muss man sich auf eine geringere Zahl beschränken. Ich werde damit zufrieden sein, wenn ich irgendwann einmal Mazeppa auf eine Weise spielen kann, dass es viel weniger daran auszusetzen gibt, auch wenn dass dann noch hunderte Stunden in Anspruch nimmt und ich insgesamt nicht so viele verschiedene Stücke gespielt habe wie andere.

Warum ich Virtuosität so toll finde, dass ich bereit bin, diesen Handel einzugehen, kann ich nicht rational begründen. Jedenfalls reißt mich ein Video, wo ein Profi ein absurd schweres Stück spielt, häufig direkt mit, dafür habe ich das bei einer Nocturne viel seltener. Bei anderen ist das eben umgekehrt.
 
Wenn man rolfs Argumentation folgt, darf man gar nix miteinander vergleichen, denn auch Äpfel gibt es in unterschiedlichen Sorten. Und die gleiche Sorte kann auf verschiedenen Böden wachsen, an der Nord- oder Südseite des Baums gehangen haben etc...
Wenn man aber nur Gleiches mit exakt Gleichem vergleicht, ist der "Vergleich" sinnlos.
 
Wenn man rolfs Argumentation folgt, darf man gar nix miteinander vergleichen, denn auch Äpfel gibt es in unterschiedlichen Sorten. Und die gleiche Sorte kann auf verschiedenen Böden wachsen, an der Nord- oder Südseite des Baums gehangen haben etc...
Oh @Marlén wie recht du hast, wie scharfsinnig die Formulierung! Ich werde jetzt schuppige Fische mit geweihtragenden Elchen vergleichen und feststellen, dass sie sich sehr ähnlich sind: beide sind Tiere und beide können nicht fliegen. Ausgenommen natürlich die fliegenden Fische und jene wenigen Elche, die sich einen Sprung von einer hohen Klippe gönnen. :-D
 
@rolf Banjo gefällt mir tatsächlich recht gut, danke! Dieses Stück wird offenbar neu aufgearbeitet in Hamelins Toccata Grotesca:

[...]

Hi gameuno,

ja, da könnten sich Teile us Banjo op. 15 ( und evtl. auch Banjo op. 82 ) drin verbergen, aber was mir auffiel war eins von Schumann, ich glaube, aus Kreisleriana, dieses g-Moll-Ding...grad geguckt: ja, das dritte. Ich kenn wenig von Schumann, aber das hab ich ;-)

@rolf / @gameuno :

Schwere Sachen von Gottschalk: Evtl. Etude "Hercule", ferner Bamboula ( ? falls noch nicht zu bekannt :-) ) , oder auch Manchega-Etüde könnten hier erwähnt werden, denk ich.

LG, Olli!
 

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