dann sollte, mit Rachmaninovs g-Moll Prelude im Tornister, das Prelude "La Cathedrale engloutie" von Debussy kein Problem für Dich sein - und da macht es eklatant und enorm wumms (wenn auch quasi sakral: es enhält einen ff-Choral, der seinesgelichen sucht)
Gruß, Rolf
Hallo Rolf,
es mag ja sein, dass jemand wie Du, dessen Hauptberuf die "Pianistik" ist (auch im Sinne der Lehre gemeint), hier mit der einen oder anderen Erfahrung aufwartet. Gleichwohl möchte ich in meinem Fall sagen, dass ich mir Stücke aussuche, die mir etwas bedeuten (weil ich die Melodie gerne mag). Da frage ich dann auch nicht nach, ob das jetzt unbedingt schwer oder leicht ist. Ich übe es konzentriert so lange, bis ich es anhörbar spielen kann.
Mit so einer Haltung würde ich sicherlich "keine fünf Minuten" in einem Musikstudium "überleben", aber das muss ich ja auch nicht (niemand zwingt mich, eine Prüfung o. ä. abzulegen). Es ist die Liebe zur Musik und zu schönen Stücken, die mir persönlich gefallen, die mich täglich 1 - 2 Stunden spielen läßt. Ich wähle mir für das Jahr immer Stücke aus (manchmal mit regionalem, also in meinem Fall sächsischen Bezug im Zusammenhang mit dem Stück oder dem Komponisten), da ich dann auch gleich ein bisschen "die Story im Hintergrund" aus Interesse recherchiere. Rachmaninow z. B. war ja Dresden-Fan. 1902 - 1906 war er immer zur Kur im berühmten Sanatorium von Dr. Lahmann am Weißen Hirsch in Dresden-Bühlau. Und seiner Familie (und seinen Nachfahren) gehörte bis 1995 ein großes Gründerzeit-Mehrfamilienhaus am Trachenberger Platz.
Diese locker-entspannte Haltung kann ich mir eben leisten, da ich beruflich etwas ganz Anderes mache: Im östlichsten deutschen Freistaat sorge ich mit meiner ministeriell-konzeptionellen Arbeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im polizeilichen Sektor im Rahmen einer beamteten Stabsfunktion. Da dient mir die Musik auch zur Erholung und zum Loslassen, denn im Gegensatz zu mancher volkstümlicher Wandersage über "das Beamtentum im Allgemeinen (und Besonderen)" ist meine Arbeit geistig sehr fordernd und verlangt schnelle, vor allem rechtlich-fundierte und geistige Beweglichkeit. Möglich, dass ich mir diese dienstlich notwendige Fähigkeit (im Sinne der vollen beamtenrechtlichen Hingabe an den Dienstherrn => Zitat aus dem Sächsischen Beamtengesetz) auch durch das Klavierspiel entsprechend regelmäßig fördere, auffrische und bewahre.
Nun zu Debussy: Ein Fachmann wie Du wird mir sicherlich gleich 1000 Gründe liefern, warum meine Ansicht ggf. fehlgeht, aber Debussy ist mir regelmäßig zu schräg. Ich finde, er klingt nicht gut in meinen Ohren. Daher habe ich auch nur ganz Weniges von ihm, was ich mag, gespielt habe oder derzeit spiele (z. B. la fille aux cheveux de lin; aber da gefällt mir die zweite Seite, insbesondere die Klänge der Läufe im Diskant nicht so wirklich) und jetzt The little negro (der klingt nicht schlecht, na ja, ein Ragtime eben)).
Mit Satie ist´s ähnlich, aber eben wieder ganz anders. Seine Stücke sind in meinem Ohren deutlich melodischer als Debussy, aber er hat auch einiges Schräges zu bieten, das ich ehrlich gesagt richtig schlimm finde (z. B. die gnosiennes Nr. 1 - 6, besonders die erste ist grauenvoll). Da habe ich dann einfach keine Lust und hey - mich zwingt keiner - ich muss das nicht können - ich erarbeite mir das selbst (ich hatte mal sechs Jahre Unterricht, habe dann 13 Jahre autodidaktisch gespielt, nach 10 Jahren Pause und gelegentlichem Spiel fing ich vor 2 Jahren wieder an; klappte aber ganz gut).
Genau aus dem Grunde würde ich, abgesehen von meinen Zeitproblemen, mich auch von regelmäßigem Unterricht nicht unbedingt "bevormunden" oder zwingen lassen. Ich hatte da ein Erlebnis nach einer Probestunde / Vororientierung bei einer Klarinettenlehrerin, die auch Klavier unterrichtet, dass sie mich in eine ganz bestimmte Richtung zwingen wollte (nämlich Boogie-Woogie, weil sie keine klassisch ausgebildete Pianistin ist, ich aber meist romantische Stücke, sowie ab und zu sowas "Rachi-Mäßiges auch" liebe). Das hat sie auch gleich gesagt (immerhin, so ehrlich war sie, aber ich hätte es eh selbst gemerkt). Aber sie wollte mich halt zwingen. No way, sowas bezahle ich nicht auch noch und habe eigentlich daran keinen Spaß. Ich will mir beim Üben auch Zeit lassen und nicht jede Woche Rechenschaft ablegen müssen (einschließlich des Unmutes, wenn was mal nicht so klappt, sie fing nämlich so an - kann ich echt leiden :().
An den beiden Mendelssohn-Stücken habe ich jeweils ca. 1,5 Monate geübt, um sie schön ausdrucksstark spielen zu können und um vorallem das erforderliche Spielgefühl zu verinnerlichen (und eines davon in Berlin gespielt) und hey, melodisch-zusammenhängendes Spiel von vier Seiten Rachi in fünf Wochen ist auch so schlecht nicht, wie ich finde. Das mit der Gesanglichkeit habe ich mir auch selbst beigebracht, indem ich darauf geachtet habe, wo Phrasen beginnen und enden. Immerhin habe ich dafür in der Piano-Bar Applaus, auch von Nicht-Clavianern, nämlich englischen Touristen, bekommen. Also wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen. Es soll Spaß machen.
Deswegen spiele ich auch nicht auswendig, da ich die Gefahr kenne, so einfach zu schnell zu werden, und aus psychologischen Gründen gerne das Gespielte immer mitlesen will, um sicher zu gehen, dass ich nichts vergesse oder grandios verkehrt mache. Außerdem notiere ich mir gerne etwas zu Anschlagstilen und zum Spielgefühl (damit ich es reproduzieren kann, denn dann wird das Stück gut, diese Erfahrung habe ich einfach gemacht, sorry: z. B. Thema "Frauenhände" und der Versuch, ganz tief und intensiv in die Hände hineinzuspüren und die Finger so zu strecken und "auszudrehen", um jeden Ton sicher und bewußt erreichen zu können). Ich will eben nicht darüber hinweghudeln, nur weil ich es unbedingt auswendig spielen "mußte" und dann (was Wunder auch!) immer abbreche, weil es total verunglückte und weil ich mich verhedderte.
Dann vermerke ich mir an besonderen Stellen Betonungen oder Hinweise zum Thema Gesanglichkeit. Selbst an einzelnen schwierigen Stellen, wo auf schlechten Kopien oder Drucken gemeinfreier Noten (z. B. Wikipedia) aus dem Internet zu viele Hilfslinien und Vorzeichenwechsel lauern, schreibe ich mir halt die Vorzeichen zu den entsprechenden Noten dazu, so what. So spiele ich wenigtens fehlerfrei über diese schwierigen Stelle und stottere nicht immer rum. Oder ich notiere mir Hinweise zur Gesanglichkeit (habe da gewisse Symbole) dazu. Und im Rahmen der Gewandheit (wenn ich das Stück oft wiederhole), merke ich es mir eben: Aha, da war doch was ...! What ever! Den Fingersatz schreibe ich jetzt nicht unbedingt dazu. Ich probiere ja langsam beim Üben, welcher Fingersatz passt (wenn nichts geschrieben steht) und präge mir das eben ein, um das Stück flüssig spielen zu können.
Auch hier zwingt mich niemand, das schnell (und dann sicher falsch) runterzurattern. Daher ist Prima-Vista (gemeint nur im Fall von schweren Stücken) eher nichts für mich. Für Dich sicher eine Deiner leichteren Übungen, aber Du machst das ja auch berufsbedingt - ich eben nicht - that´s the reason why ....
Das wollte ich einfach mal loswerden, um die Überzogenheit Deinerseits, die aus Deinen Worten unverkennbar spricht, mal deutlich runterzubremsen. Im Übrigen kenne ich das Stück gar nicht und mache jetzt erst mal den Rachi fertig. Dann will ich mir die Op. 10/6 in Es-Moll von Chopin unter die Finger nehmen. Das ist mein letztes Neuvorhaben für dieses Jahr. Daher kann das ruhig ein paar Monate dauern, bis ich es kann, aber dann klingt es auch sicher gut.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich autodidaktisch anhand schwerer Stücke mehr lerne als durch solchen Kram wie z. B. Boogie-Woogie. Da lese ich mir Vieles auch so mal durch (Internet usw.) und höre mir sehr oft entsprechende Referenzaufnahmen an. Dann versuche ich es, so zu spielen, wie ich es gehört habe. Das geht nicht ohne Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Zielstrebigkeit ab, aber diese guten Eigenschaften brauche ich ja auch beruflich - so what?
Gruß Razo,
der jetzt nach Dresden ins Sächsische Staatsministerium des Innern fährt!