Also mal der Reihe nach:
(1) Jesus und die Apostel als vermeintliche Bildungsträger
Lieber @Ambros_Langleb, keiner sagt, dass die Autoren des Matthaeusevg. und Markusevangelium Premiumgelehrte waren
Ich denke, Du hast es hier gesagt, es sei denn der Unterschied zwischen "hochgebildet" und "premiumgelehrt" ist subtiler als ich vermute:
hochgebildeten Autoren der Evangelien schrieben in ihrer Gelehrtensprache
Weiter:
Bedenke aber: Jesus Vater war "technon" Baumeister also, und das war ein guter und hoch angesehener Beruf, also wäre es durchaus möglich, dass er seinen kleinen Jesus zu guten Privatlehrern geschickt hat
Zunächst einmal: an den beiden Stellen, wo Josephs und Jesu Beruf erwähnt wird, nämlich Matthäus 13.55 und Markus 6.3, lautet die Berufsbezeichnung tékto:n (technó:n gibt es nicht; das hieße etwa »Werkstatt«). Das ist dem autoritativen Lexikon von Liddle-Scott-Jones zufolge »any craftsman«; die Interpretation »Zimmermann« ergibt sich, wennn das Wort in Opposition zu Maurer und Spengler tritt. An beiden Stellen wird der Verwunderung des Publikums Ausdruck verliehen, dass Jesus, wiewohl
nur Zimmermann, so gescheit daher reden kann. Von einer besonderen Bildungsnähe des Gewerbes ist keine Rede, vielmehr wird die Inspiration und Gottbegnadetheit Jesu hervorgehoben, die ihn über seinen Stand erhebt, wie man es von einem Propheten eben erwartet.
(2) Sprache
Dann solltest du aber auch keine gewagten Schätzungen abgeben, Wie oft hat Jesus selber das Unverständnis seiner Fischerjuenger beklagt, und die Jünger wegen ihrer Uneinsichtigkeit getadelt? Das Jesus "etwas" verständiger war, ist kaum zu bestreiten.
Von Jesu Sprache können wir uns mangels Originalzitaten (Aramäisch) kein Bild machen, auch weil es ja nur wenige kurze Äußerungen (»Logien«) gibt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ihn zurückgeführt werden können. Hingegen wird in christlichen wie außerchristlichen Quellen ständig hervorgehoben, dass seine und seiner Apostel Sprache die der Handwerker ist (der gängigste lat. Ausdruck ist »sermo piscatorius«, wie schon gesagt). Insofern geben wir keine »gewagten Schätzung« ab, wenn wir im Einklang mit dem Mainstream der Forschung sagen, dass er und seine Jünger eben nicht die Sprache der hellenistischen Rhetorik verwenden. Für einzelnes verweise ich auf G. Horrocks: Greek. A History of the Language and its Speakers, 2011. Vielleicht kannst Du uns nach Lektüre des einschlägigen Kapitels Deine abweichende Meinung ein wenig besser begründen.
Im übrigen wendest Du hier einmal mehr Deinen alten Trick an, wenn Du nicht mehr weiter weißt, die Argumentation einfach auf ein anderes Feld zu verschieben. »Unverständnis« ist ein kognitiver, nicht ein linguistischer Begriff, und dass Jesus »verständiger« war als seine Jünger, werden wir allemal glauben, es trägt aber zum fraglichen Punkt nichts bei.
(3) Verhältnis zu den staatlichen Autoritäten
Dieses Zitat ist aber ohne Auslegung und geistgeleiteter Interpretation hochproblematisch, denn Diktaturen unterfallen hier sicher nicht.
Wer sagt denn, dass dies jesuanisch ist, da haben machtgierige Sünder fortgesetzt gefehlt.
Mich würde interessieren, was Du unter »geistgeleitet« verstehst. Eine
verstandesgeleitete Interpretation ist jedenfalls eine historische. Und da kommen wir zu dem Befund, dass das NT, wenig überraschend, nicht nur Spuren des traditionellen jüdischen Appeasements mit dem römischen Imperium zeigt (neben dem von Dir zitieren Röm. 13.1 z.B. auch das bekanntere Math. 22.21 »gebt dem Kaiser...«), sondern dass die Autoren des frühen Christentums diese Einstellung spätestens dann teilten, als die erwartete rasche Parousie ausblieb und man für die, gleichsam kompensatorisch, sich entwickelnde Kirche das Minimum an Staatsnähe entwickeln mußte, das ihren Bestand sicherte (anfangen tut das, wie oben gesagt schon mit dem 1. Clemensbrief, also früh). Dass die dem Judentum zugestandene Exemption vom Kaiseropfer nicht erreicht wurde, führte über 250 Jahre hinweg immer wieder zu Schwierigkeiten, verhinderte aber nicht, dass die »Staatsnähe« stetig größer wurde und die Kirchenführer ganz sicher glaubten, damit im Sinne Christi zu handeln und die wenigen einschlägigen Äußerungen des NT richtig auszulegen.
(4)
WIR müssen demutsvoll unsere Herzen auf die durch die Jahrtausende hindurch gültig bleibenden Kernaussagen hin wenden
Und das vermutlich »geistgeleitet«? Ich persönlich gewinne aus (3) und (4) sowie aus deinem collagenhaften Jonglieren mit Bibelzitaten den Eindruck, dass dein Bibelverständnis ahistorisch-evangelikal ist (ich weiß nicht, wie das katholische Gegenstück heißt), dass Du den Bibeltext womöglich als direkte göttliche Offenbarung betrachtest und durch introspektiven Zugang mit Gleichgesinnten (»Begegnungskreis«) zu diesem Text hoffst, den richtigen Weg für Dich zu finden. Solange das eine persönliche Übung bleibt, hat niemand daran etwas zu kritisieren, und ich würde subjektiv hinzufügen, schlimmer als Pendelschwingen, Globulifetischismus und andere auf diesem Forum hie und da gepriesene Esoterica ist das keinesfalls. Aber sobald man sich in die Verkündigung begibt -- und ich denke Du tust das hier ja -- und sich dabei auf ein Schriftcorpus stützt, kommt man nicht umhin, bei dessen Interpretation auch seine historischen Voraussetzungen inklusive des Verständnishorizonts seiner ursprünglichen Publikums zu klären, wenn nicht einfach etwas x-beliebiges dabei herauskommen soll. Abss. (1) und (2) oben scheinen mir dafür zu sprechen, dass Du da noch einiges zu tun hast. Tu es, und die Diskussion wird davon profitieren.