So ich bin gerade zurück von der nächsten Teststunde. Diesmal eine Frau Mitte 40 (denke ich mal).
Nach dem "Anquatschen" habe ich Beethoven 27/2 1.Satz und Mozart KV 545 1. Satz teilweise angespielt. Sie hat mir sofort ein komplettes Programm für die nächsten Jahre dagelegt.
Ich soll mir zulegen:
-Brahms 51 Uebungen
-ein Theoriebuch "Théorie musicale Volume 2 par Sophie Jouve-Ganvert"
Schwerpunkt wird auch Technik und Fingerübungen sein (Tonleitern, Arpeggios, etc sie findet Czerny toll)
-wir werden zuerst an besagten vorgespielten Stücken arbeiten
- später Bach-Inventionen und Stücke zu 4 Händen
- kleine Dechiffierungesübungen blind auszuführen
Erste Stunde Ende August. Bis dahin soll ich vorbereiten:
- Tonleitern C-Dur, Cis moll
- Burgmüller La candeur
Zielpunkt eines jeden Stückes ist die komplette Ausführung, auswendig mit allen möglichen Gestaltungsdetails
Fazit:
+ gefällt mir vom Gesamtkonzept, so stelle ich mir Gesamtheitsklavierunterricht vor
+ Person ist sympathisch
- das Fixieren auf Auswendigspielen verschleppt eventuell eine Verbessung des Notenlesens
- Arbeiten zu sehr im Detail führt eventuell zu Frustrationen (für mich)
- sie ist nur zwei Tage in der Woche in der Gegend und will die Stunde in einem (kleinen) Klavierladen abhalten (sehr eng, Spiel auf kleinem aufrechten Klavier Kawai) eventuell Unterricht bei mir zu Hause als Option (Aufpreis)
Gesamtfazit zu beiden Lehrern:
Sie sind sehr unterschiedlich in Musikstil und Unterrichtsstil. Der erste eher Richtung "moderner individueller Fun beim Spielen", die (zweite) Lehrerin eher Richtung allumfassende Klassikausbildung. Sie könnten sich eventuell sogar (teilweise) komplementieren.
Ich fange mal mit beiden zeitlich verschoben an, der erste ab sofort und werde mich dann mittelfristig für einen entscheiden (müssen).
Grüsse
Ludo
Sorry dass ich da vielleicht jetzt etwas harsch klinge. Aber die Frau hat dich 45, vielleicht 60 Minuten gesehen. Mit 2 Stücken, nicht mal ganz. Und dann schreibst du
"Sie hat mir sofort ein komplettes Programm für die nächsten Jahre dagelegt."
Ich habs schon gedacht, wo du beim anderen Lehrer sein "Gesamtkonzept" vermisst hast: Wer dir nach einer Lektion "ein komplettes Programm über Jahre vorlegt", ist weder ein guter noch kompetenter Lehrer. Das ist unseriös. Auch wenn das deine Vorstellung eines guten Unterrichts sein mag. Ich habe bereits früher in anderen Fäden detailliert beschrieben, wieso Lehrer, die gleich ein super tolles Konzept haben, nicht wirklich gut sein können. Und dass dir das auch noch gefällt (weil du ja bereits von Anfang an irgendwelche Konzepte suchtest und Lehrer "auf Herz und Nieren" prüfen wolltest), macht es für wirklich hervorragende, erfahrene, kompetente Lehrer schwierig.
Eine Lehrperson, die mir gleich nach einer Probelektion ein fertiges Konzept präsentiert, hat - zumindest aus meiner Sicht - bereits mal die gelbe Karte. Mag sein, dass ich da nicht so viel Ahnung hab. Äh, doch, hab ich.
Ich kenne einige absolut hervorragendste Lehrpersonen, die gleichwohl mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen super tollen Unterricht machen und auch viel Erfolg haben. Keiner von denen hat ein solches Konzept "für die nächsten Jahre". Gute Lehrer haben eine riesige Literaturkenntnis, sind fähig, Schüler stets am richtigen Ort einzuschätzen und legen sich nie auf einen fixen Weg (zB "komplettes Programm für die nächsten Jahre") fest.
Ich habe natürlich auch ziemlich klare Vorstellungen (und Skills wie Theorie, Sightreading, Literaturbreite etc), was jeden individuellen Weg meiner Schüler angeht. Aber diese Wege überdenke und bespreche ich mit jedem einzelnen immer wieder, in Abständen von ungefähr 4-6 Monaten. Wir blicken zurück, schauen vorwärts. Selbst meine Cracks, die jedes Jahr mehrere Wettbewerbe spielen und erhebliche Teile ihrer Literaturauswahl deshalb teilweise bereits 6-12 Monate im Voraus relativ fix sind, haben
kein komplettes Programm. Obwohl die alle sogar ein Übetagebuch führen und ich für jeden ein Portfolio angelegt habe.
Da wird dir also schon Brahms (find ich gut!), Czerny (ist okay, aber muss das sein), sowie Bach Inventionen vorbestimmt. Mir scheint, das ist etwa das, was sie kennt (und mit jedem macht). Dass nach einer Lektion der "Schwerpunkt auch Technik" sein soll, würde mir zusätzlich etwas komisch vorkommen. Eben, die Dame findet Czerny toll. Ich auch (und ja, ich kenne ziemlich alle gängigen Etüdenwerke von ihm). Wenn man pro Tag 90 Minuten üben kann, dann darf man ruhig 1/3 davon nur Czerny machen (muss man aber nicht). Die restliche Stunde würde ich richtige Konzertliteratur machen. Wenn du weniger Zeit hast, frage ich mich, ob Czerny Sinn macht. Ausser du findest Czerny auch toll. Ich hab übrigens in meinem Leben vielleicht 5-8 Czernyetüden je ganz fertig geübt. Und hab trotzdem gelernt, einigermassen Klavier zu spielen.
A propos Etüden: Sprich sie mal auf
Heller und
Cramer an. Die Etüden dieser Herren sind mindestens so gut,
je nachdem, wo man steht und was man braucht. Ich halte Heller und Cramer musikalisch oft für spannender, die kann man sogar vorspielen, was bei Czerny allzu oft leider weniger prickelnd ist. Wenn sie Heller und Cramer nicht kennt, wär das zB für mich übrigens auch eine Aussage.
Die Vorschläge an sich sind einzeln (Brahms, Bach, Czerny wenns denn sein muss...) sinnvoll. Gleich beim ersten Termin als "für die nächsten Jahre" zu gehender Weg scheint mir jedoch wie gesagt etwas unseriös.
Übrigens halte ich deine ersten beiden Minuspunkte (Auswendigspielen, Detailarbeit) für die besten Argumente
für diese Dame (und zeigt, dass du eine spezielle Vorstellung von gutem Klavierunterricht hast bzw. etwas eigene Prioritäten). Der letzte Minuspunkt ist weniger gut; ein optimaler Unterrichtsort und -atmosphäre sind mE notwendig (auch darüber habe ich andernorts schon geschrieben).
Schlussendlich ist es aber so, dass du (wenn ich deine Posts so lese), was du von einem guten Lehrer erwartest und wie du guten Klavierunterricht definierst, bei dieser Dame vielleicht sogar sehr gut aufgehoben sein wirst.
Nachtrag: Zum Herrn mit dem Digitalpiano und den tausend Gitarren hab ich ja nix geschrieben. Also: Die Dame ists! Geh zum Gitarrentyp und ab September zur Dame. Das scheint mir für dich ein guter Weg zu sein. (Meine ich ernst, ohne Ironie oder so).