Kaufberatung Steinway B: Ein junger aus dem Verleih oder ein älterer mit einem Vorbesitzer

Ach… die Suche nach dem perfekten B. Da könnte man Romane darüber schreiben. Mir wird immer wärmer ums Herz, wenn ich an all die Menschen denke, die durch die Welt toben und nach dem perfekten B suchen. Schön ist es, dass es in dieser ruinierten Welt überhaupt noch Menschen gibt, die sich das leisten können, komplett auf die Idee fixiert sind und in Besessenheit einen Haufen Geld für so ein Meisterstück ausgeben wollen. Etwas Mitleid habe ich mit den Suchenden, weil ich auch mal an diesem Punkt war. Ich wollte das auch mal hier im Forum beschreiben, habe aber inzwischen die Nerven verloren.

Die neuen Bs werden so extrem präzise hergestellt, mit solcher Genauigkeit… haben nur ein grundsätzliches Problem: Sie klingen manchmal etwas scheisse. Wer mal im Steinway-Showroom war und den Kopf schüttelte, weiß, was ich meine. Und ich bin, das muss ich zu meiner Verteidigung gleich hinzufügen, kein Mitglied der „Damals-war-alles-besser“-Partei.

Die Bs werden ja als perfekte, meistverkaufte Steinway-Flügel bezeichnet, und ich bin mir absolut sicher, dass sie wirklich solide gebaut sind. Nun mag ich sie eigentlich nicht so. Mich nervt die Spielweise, so unterschiedlich von D-Flügeln, als ob der B lediglich ein Spielzeug wäre. Man muss an diesen Instrumenten wahnsinnig viel arbeiten, um ein wirklich tolles Ergebnis hinzubekommen. Oder Glück haben.

Was Du kaufen solltest… Ich würde immer einen möglichst neuen nehmen. Aber man wird hier selten rational handeln. Ich habe nach langer Suche zwei zur Auswahl: einen neueren (aus den Nullerjahren) und einen älteren (aus den Neunzigerjahren). 10 Jahre Abstand, der neuere war sogar etwas günstiger. Es wäre dumm gewesen, den älteren zu nehmen. Hab’ ich aber gemacht. Ich denke manchmal nostalgisch und rückblickend: Wie wäre es, wenn ich den neueren hätte? Würde er besser spielen? Und gleich beantworte ich mir selbst: Wenn ich den neueren hätte, würde ich mich doppelt so oft fragen, warum ich nicht den älteren habe.

Diese Instrumente haben mehrere Leben, wie Katzen. Mit jedem Hammerkopfsatz, mit jeder Besaitung ersetzen sich die Seelenteile. Man muss sich fragen, ob man ein Fetischist des neuesten und originellsten Zustands ist oder nicht. Bei mir war es so: Mein Flügel war wie neu, stand jahrelang irgendwo unbenutzt. Glück gehabt.

Ich würde immer empfehlen, möglichst frische und substanzvolle Hammerköpfe zu haben. Und wozu eine solche Empfehlung? Der allerschönste Flügel, den ich auf der Suche fand, war ein runtergespielter A mit komplett abgenutzten Köpfen. Ich habe ihn schon fast gekauft, Hände geschüttelt, Verkäufer in Vorfreude. Und dann wache ich mitten in der Nacht auf und denke: Gott, wozu ein A, wenn ich einen B haben könnte?

Ist ein Flügel aus dem Verleih gut oder nicht gut? Kommt drauf an. Wenn er 10 Mal im Einsatz war, dann ist es nichts, aber wenn er 10 Mal 10 pingeligen Pianisten begegnet ist und jeder sich eine andere Intonation wünschte, dann haben die Köpfe schon einiges erlebt. Nur zum Protokoll.

Du wirst vielleicht den einen finden, so wie Menschen den einen Partner finden und sich nie mehr hinterfragen. Aber vielleicht wird es wie beim Dating: Der hat schöne, blaue Augen, der verdient gut, der hat eine schöne Seele. Etwas ist immer.


Wie in diesem Gedicht von Tucholsky:


Tröste dich
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat –
das ist selten.



Gilt auch für die Flügel.
 
Danke Alpenblick. Das liest sich schön, tut gut und hilft👍
 
Meiner laienhaften Kenntnis nach braucht die Konzertindustrie stets neue Flügel, die noch keinen Charakter herausgebildet haben. Sobald der Klang individuell wird, muss das Instrument weg, weil sowas für Konzerte nicht mehr gewollt wird. Das hat nichts damit zu tun, dass diese Instrumente nicht mehr gut wären.

Es ist so, daß die Konzerthäuser Neuware kaufen müssen, ob sie wollen oder nicht. Und ab und an ist halt mal n neuer Bösi oder Steinway fällig. Immerhin stützt das die guten Klavierbauer, denn Otto Normalverbraucher kann sich kaum nen Flügel für 130.000- 170.000 kaufen. Die charakterlosen Pianisten suchen sich dann eben den charakterlosesten Flügel aus ;-)

Ich fand den neuen Shigeru 188 sehr lebendig, manche FLügel sind allerdings ab Werk schon emotionslos ;-)

@Alpenblick Genauso erging es mir in Krakau im Laden mit einem nagelneuen Steinway B. Irgendwie zu perfekt, zu klinisch, hat mich mit seiner Kühle so gar nicht abgeholt. Keine Ahnung was die in HH da machen. Gibt auch lebendigere Flügel, wie Kawai mir bewies. Nebenbei bemerkt ist m.E. ein Bösi 225 einem S&S B überlegen von der Konstruktion her. Nur in den Hochschulen steht halt überall Steinway B rum. Noch... Von daher sehe ich das als Hype, denn es gibt traumhafte Instrumente anderer Hersteller, die nach wie vor produzieren: Blüthner 210, Steingräber, Bösendorfer, um meine Favoriten zu nennen.


Hab ziemlich schlecht geschlafen und muss gleich zwei Uralt-Klapperklaviere stimmen. Uaaaahhhh, grad so gar keine Lust auf diesen Tag incl.halbe Weltreise nach Falkensee.AAaaber, das heut verdiente Geld dient einem guten Zweck: Urlaub :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bringe hier mal noch einen neuen Yamaha S5 oder S6 ins Spiel. Die Teile sind deutlich günstiger als die deutsche Konkurrenz bei mindestens gleicher Qualität und Klang.
Ich war bei meiner Suche damals auch im Hamburger S&S Showroom und muss Alpenblick uneingeschränkt Recht geben! Nur einer der vielen Bs war fertig, alle übrigen hätten noch massive Zuwendung nötig gehabt…
 
Die neuen Bs werden so extrem präzise hergestellt, mit solcher Genauigkeit… haben nur ein grundsätzliches Problem: Sie klingen manchmal etwas scheisse. Wer mal im Steinway-Showroom war und den Kopf schüttelte, weiß, was ich meine. Und ich bin, das muss ich zu meiner Verteidigung gleich hinzufügen, kein Mitglied der „Damals-war-alles-besser“-Partei.
Das kann ich nur bestätigen: im Steinway-Showroom habe ich 4 verschiedene B angespielt, alle waren verblüffend ähnlich mit äußerst geringen Abweichungen, aber nicht ein einziger hat bei mir Begeisterung ausgelöst. Alle waren irgendwie langweilig. Allerdings dieser 1969er war über den gesamten Bereich brillant und unvergleichlich besser als die nagelneuen aus dem Showroom: https://www.pianovum.de/gespielte_istrumente/2024-steinway-sons-b-211-1974/

Den Ibach F4 hatte ich auch angespielt (allerdings nicht die 214VC), ebenfalls hervorragende Spielart und Klangreichtum, wobei mir der B in den Mitten leicht obertöniger vorkam.

@Graham70: ein anderes interessantes Angebot, wenn auch wieder wohl zu weit weg: ein junger Bechstein C-232 aus 2006: https://www.bechstein.com/centren/e...echstein-fluegel-modell-b-212-baujahr-2011-1/. Ein noch jüngerer D-282 und Shigeru SK-6 gibt da auch noch.
 
Ja, auf dem Preisschild stand eben "Shigeru Kawai SK-6L". Sorry für die Verwirrung.
 

Wie bei Autos...
 
Ihr habt als Alternative den Bösendorfer 214vc gelobt. Ich habe Angebote von jeweils einem 2 Jahre alten 214vc und einem 2 Jahre alten Steinway B ( beide ohne Vorbesitzer, nur Probespielen). Ungeachtet meines konkreten Eindrucks zu den beiden und angenommen, beide sind in tadellosem Zustand: haltet ihr eine Preisdifferenz von etwa 24k euro für nachvollziehbar?
 
Die Preise, die ich gerade auf die Schnelle online finden konnte, sind 132.450 Euro für den 214VC und 136.950 Euro den B 211. Gemessen daran wäre ein Preisunterschied in der Höhe enorm. Ich weiß aber nicht, welche Preise man üblicherweise auf Anfrage vor Ort bekommt.
 
Ich nehme an der 214VC wird der teurere sein, weil den gibt es ja noch kaum gebraucht. Das wäre für mich ein nachvollziehbarer Grund.
 
Nee, umgekehrt, der vc214 ist bei diesen beiden deutlich günstiger
 

Zurück
Top Bottom