Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?

(1)
Ich finde, das ist doch ein interessanter Punkt. Dahinter steht doch die Ansicht, dass ein Werk eines großen Komponisten genauso wie es notiert ist quasi "perfekt" ist und die beste von allen musikalischen Lösungen darstellt.
(2)
Liszt scheint dieser Ansicht nicht gewesen zu sein. Zahlreiche Werke enthalten Varianten, in der Faust-Sinfonie soll er ja auch den Schlusschor freigestellt haben (also kann man auch weglassen).
Desweiteren hat Liszt seine Werke teils mehrfach umgearbeitet. D.h. nach einigen Jahren oder Jahrzehnten hat er offenbar eine abweichende Auffasung entwickelt (hat sich sein kompositorisches Können verbessert? oder hat er nur eine andere Meinung?) und demnach ist der Notentext eben nicht unantastbar, sondern repräsentiert den "Wissensstand" eines Komponisten zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Wie gesagt, soll nur ein Angebot sein, das Problem mal von dieser Warte aus zu betrachten.

(1)
in aller Regel entscheidet der Urheber, wie sein Werk publiziert wird (es sei denn, Setzfehler pfuschen hinein oder Zensur hindert ihn) - speziell heutzutage (copyright) ist das auch rechtlich geregelt.

(2)
ossia Varianten haben bei Liszt unterschiedliche Gründe:
- manche erleichtern den Klaviersatz, damit auch Laien was davon haben - ossia piu facile, gelegentlich auch version primitive genannt (z.B. letzteres in Chopins Don Giovanni Variationen)
- manche bieten Alternativen für Instrumente mit geringerem Tonumfang
- manche vergrößern virtuose Effekte - ossia piu difficile genannt
Diese Varianten sind als Abweichungen vom Haupttext vom Urheber selber angeboten, die Gründe sind offensichtlich

alternative Fassungen
- manche bedeuten in der Tat spätere Verbesserungen: z.B. die Entwicklungsgeschichte der Tranzendental- und der Paganinietüden
- manche dokumentieren quasi das "work in progress"

Beachtenswert ist, dass im von Dir angeführten Fall der Urheber selber - Liszt - an seinem geistigen Eigentum die Änderungen durchführt.

Wer auch immer sich für welche Alternative auch immer und aus welchen Gründen auch immer entscheidet: nach der Entscheidung sollte gespielt werden, was in der Partitur steht (die Gründe dafür habe ich genannt)

Es gibt manche musikalischen Werke, bei denen es zu keiner autorisierten Fassung seitens des Urhebers/Autors gekommen ist: z.B. Wagners romantische Oper Tannhäuser. Hier kann man sich über die aufführungshistorischen Gründe (Uraufführung in Dresden, Neufassung mit Ballett in Paris) informieren: diese sind gänzlich anderer Natur, als dass sie zu willkürlichen Eingriffen animieren!
 
Hallo Rolf [..................................] Man bleibt an der Oberfläche.
(...)
liebe Chiarina,
da tuten wir ins selbe Horn (sogar die Wortwahl ist teilweise identisch) :)

(...)
Ich glaube nicht, Rolf, dass man damit den Stücken Gewalt antut. Man kann Stücken, auch wenn man alle Parameter beachtet, durchaus Gewalt antun .... . Im Gegenteil, finde ich, machen die Schüler dadurch sogar wichtige Erfahrungen. (....)
ein paar piano Akkorde zunächst forte zu spielen, um von da aus zu reduzieren und die richtige taktile wie klangliche Balance zu finden - das ist völlig ok. Aber das meinte Dreiklang nicht - vielmehr erzählt er, wie schön er es daheim findet, wenn er nur Tondauer und Tonhöhe respekiert und wünscht sich, dass man diese Verfahrensweise adelt oder legitimiert und ihr einen eigenen Namen gibt... :D
hierzu erneut (weil ich´s nun mal als running gag einsetzen mag) die Stubenreinheit:
es kann vorkommen, dass man in einem ewig langen Opernakt sitzt und lästigerweise ganz furchtbar muss... beherrscht man die Lösung dieses Problems erst, wenn man sich in einer solchen Situation ein oder zweimal zum Entsetzen der Nebensitzer lautstark und würzig die Hosen vollgerappelt hat?
:D :D
ich auch

herzliche Grüße,
Rolf
 
also an DER Stelle hab ich m.o.w. schreiend das Zimmer verlassen. Möchte bloß wissen was die Nachbarn über das "Gelächter nebenan in letzter Zeit" denken. Sofern mans hört.

Kann mich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass du dir da wieder mal erhebliche interpretatorische Freiheiten eingeräumt hast. :D:D

=> das kann ich bestätigen. Allerdings äußern sich die bösen Mächte dahingehend, daß ich ständig und immer wieder
- Begriffe defniert haben will
- neue Begriffe einführe, alte über den Haufen werfe
- und nebenbei mal eben so fröhlich an den Fundamenten unserer schönen Klassischen Musik rüttele

Die Einführung neuer Begriffe oder die Neudefinition von alten führen aber nicht zwangsläufig zur besseren Verständigung, manchmal ist es wohl besser die alten zu akzeptieren und verstehen zu lernen. Wenn es dann aber wirklich eine neue und revolutionäre Verfahrensweise gibt, wird sich sicher auch leicht ein Wort dafür finden. ;)

ich würde mich nicht so negativ selbst programmieren

Ich empfinde das nicht als negativ, sondern denke, dass es durchaus realistisch gesehen ist. Natürlich gibt es auf dem Weg zu diesem grossen Ziel unzählige kleine Etappenziele in meiner "Meilensteinplanung", denn 10 Jahre auf etwas zu warten, wäre dann doch etwas frustrierend. :D


Das klingt harmlos, ist aber nicht ganz untrivial. Bzw. Du sagst es ja auch schon selbst mit "eigenem Anspruch". Wenn man in seiner Entwicklung steckenbleibt und sieht daß man nicht mehr vorankommt, oder in den eigenen Augen zu langsam, kann die Freude so sinken, daß man drastisch reduziert oder pausiert.

Ja, das kann passieren, wenn man die Ziele zu hoch ansetzt - wenn man etwas erreichen will, ist das Scheitern immer eine Möglichkeit, die man in Betracht ziehen sollte. Umso wichtiger sind gut definierte Etappenziele die ständig evaluiert und bei Bedarf auch entsprechend angepasst werden, dann macht sich auch kein Frust breit.

Wichtig ist doch nur, für sich selbst zu erkennen, was man wirklich will, und dann sollte man das konsequent verfolgen - ganz ohne süsse Zitronen und saure Weintrauben, und ohne aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn es nicht so klappt, dann muss halt die "Politik der kleinen Schritte" her.

LG, PP
 
Die Einführung neuer Begriffe oder die Neudefinition von alten führen aber nicht zwangsläufig zur besseren Verständigung, manchmal ist es wohl besser die alten zu akzeptieren und verstehen zu lernen. Wenn es dann aber wirklich eine neue und revolutionäre Verfahrensweise gibt, wird sich sicher auch leicht ein Wort dafür finden. ;)
Uneingeschränkte Zustimmung.
Natürlich gibt es auf dem Weg zu diesem grossen Ziel unzählige kleine Etappenziele in meiner "Meilensteinplanung", denn 10 Jahre auf etwas zu warten, wäre dann doch etwas frustrierend. :D
Ach so - Du hast den Meilensteinplan sowieso schon ganz stark gekürzt. So ist das also :)

Wichtig ist doch nur, für sich selbst zu erkennen, was man wirklich will, und dann sollte man das konsequent verfolgen

(Du erlaubst, daß ich nur das was mich beeindruckt, und wovon ich etwas ableite, zu markieren?)

Die Logik hinter dieser Aussage ist zwingend. Was ich klavierspielerisch erreichen will, wußte ich tatsächlich - irgendwie, und nebulös. Aber jetzt formte es sich mehr oder weniger gerade plötzlich viel konkreter bildlich aus. Damit ist irgendwie ein "Defizit" behoben worden - und ein Motivationsschub ist hinzugekommen. Das nächste wäre, nun das Ziel konsequent zu verfolgen. Ich muß allerdings sehen, inwiefern meine Zeit und meine Lust am musizieren dafür ausreichen. Aber EINE Sache fehlt noch dabei, denke ich, und zwar:

absolut fest daran glauben, daß man auf dem Weg den man eingeschlagen hat, und den man gehen will, Erfolg haben und sein Ziel erreichen wird.
!!!

Und dieses Ziel wäre bei uns beiden, sich klavierspielerisch kontinuierlich bis zu einem, individuell definierten, Hochmaß weiterzuentwickeln. Der Weg ist das Üben an sich, wodurch man dann besser wird, ich meine nicht Übungstechniken, die man im Laufe dieses Wegs auch ändern und anpassen kann. Finde ich alles erstaunliche Erkenntnisse.
 
Die Einführung neuer Begriffe oder die Neudefinition von alten führen aber nicht zwangsläufig zur besseren Verständigung, manchmal ist es wohl besser die alten zu akzeptieren und verstehen zu lernen. Wenn es dann aber wirklich eine neue und revolutionäre Verfahrensweise gibt, wird sich sicher auch leicht ein Wort dafür finden. ;)

:kuss:

volle Zustimmung!!!

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Hallo chiarina,

nochmal kurz zu dem, was Du über das Variieren von Repertiore-Stücken bei Deinen Schülern gesagt hast

Bei meinen Schülern mache ich das Variieren bzw. Experimentieren mit Stücken nur beim Repertoire.... ff

Mir scheint, das ist ganz gut so, daß Du die Schüler die Repertiore-Stücke "ein wenig" und auch nur "ab und zu" mit einem abweichenden Ausdruck spielen läßt. Noch dazu wenn sie Spaß dabei haben. Sozusagen als Zuckergruß, zum Übealltag. Müßtest Du aber letztlich "Zustimmung" von anderen KLs einholen - ich bin ja kein KL, und ich habe auch keinen :) (wenn ich wollte, würde ich mir schon einen suchen, aber meinen Trotzkopf scheinst Du ja schon erkannt zu haben :)) - Allerdings, daß jemand einen Satz von mir nimmt und mit den Worten jongliert, ist mir glaube ich noch nicht untergekommen! ;)

Viele Grüße, DK
 
Allerdings, daß jemand einen Satz von mir nimmt und mit den Worten jongliert, ist mir glaube ich noch nicht untergekommen! ;)


Oh je, lieber Dreiklang,

bist du sauer?!! Bin ich übers Ziel hinausgeschossen??

Wenn ja, dann tut es mir wirklich leid!!! Ich wollte nur demonstrieren, dass man durch das Umstellen die Aussage deines Satzes völlig verfälscht und dass eine Missachtung von Vortragszeichen etc. in einem Stück einen ähnlichen Effekt hat.

Liebe Grüße :kuss:

chiarina
 
Oh je, lieber Dreiklang,

bist du sauer?!! Bin ich übers Ziel hinausgeschossen??

Nein nein nein, gar nicht! ;);) im Gegenteil, ich fand die Idee lustig, und ich hab den Wortwitz glaube ich auch richtig verstanden!

Lieben Gruß,

und bei mir kannst Du immer davon ausgehen, daß ich es deutlich zeige wenn mir was nicht behagt. Alles o.k.? :)
 

Aber warum denn? Absolut und feste Glauben hat doch eine altehrwürdige Tradition im Abendland, steht sogar im Verdacht, Berge zu versetzen!*ich brauch die Smileys grade*

Hm... weil weil weil...

wie soll man das umsetzen? Naja, dann glaub ich eben jetzt mal ganz kräftig und absolut daran, daß ich der Pianist werde, der ich sein möchte :confused:.
Soll vielleicht Leute geben, die ganz gerne glauben, daß sie sind, was sie gern sein möchten - Thema: geistige Stubenreinheit et Konsorten :D - (Kunstpause einleg) -
Aber im Moment gerade glaub ich alles andere als daß ich jemals gut Klavierspielen könnte. Die Hände sind grad ungelenk und unaufgewärmt, ich würde kaum eine Note vernünftig hinbekommen. Ausserdem gabs da auch mal diese komischen Tschakka! - Kurse (keine Ahnung was das war), auf jeden Fall habe ich schon gehört, die Leute wurden teils so aufgeputscht... einer soll am nächsten Montag seinem Chef die Kündigung an den Kopf geschmissen haben. Das kann nicht gesund (gewesen) sein. Also, Du siehst, man sollte ein bischen aufpassen was man glaubt (gleich zwei Beispiele sogar!;)).

Und von dem her bin ein bischen "Rudi Ratlos"...
 


Welch ein Konsens! Vielleicht sollte ich das Satzerl in den Pedalthread übernehmen, aber ich fürchte, dort würde man dessen Aussage nicht so goutieren. :D


Ach so - Du hast den Meilensteinplan sowieso schon ganz stark gekürzt. So ist das also

Aber nein! Da wurde nix gekürzt, ein langfristiges Ziel wurde auf viele, viele kleine Ziele heruntergebrochen, aber das hehre, große Ziel strahlt hell in die Gegenwart rein und erhält die Motivation :p


Aber jetzt formte es sich mehr oder weniger gerade plötzlich viel konkreter bildlich aus.

Jetzt bin ich wieder neugierig - beinhaltet das auch ein wenig mehr, hm, sagen wir mal, Werktreue? ;)



Buhuhuu, der Rolf ist ja so gemein, hat mir die ideale Replik vor der Nase weggeschnappt! Absolutismus und Glaube - das war ja so einladend!!!

So aber jetzt wieder ernst, stimmt schon, was du sagst, ein wenig Vertrauen gehört dazu, sonst bräuchten wir ja so ein Unternehmen gar nicht erst zu starten.

Und dieses Ziel wäre bei uns beiden, sich klavierspielerisch kontinuierlich bis zu einem, individuell definierten, Hochmaß weiterzuentwickeln.

Amen - im wahrsten Sinne des Wortes, das hat ja so etwas Beschwörendes an sich. ;)

LG, PP
 
Uneingeschränkte Zustimmung.
volle Zustimmung!!!

Also PP, wenn ich schon weder klavierspiele - im Moment, noch meine Bude aufräume - so erhalte ich auf jeden Fall sehr fundiertes Zwerchfell-Lachmuskel-Training.
Das is auch schonmal was.

Aber nein! Da wurde nix gekürzt, ein langfristiges Ziel wurde auf viele, viele kleine Ziele heruntergebrochen, aber das hehre, große Ziel strahlt hell in die Gegenwart rein und erhält die Motivation

Ach so - alles klar

Jetzt bin ich wieder neugierig - beinhaltet das auch ein wenig mehr, hm, sagen wir mal, Werktreue? ;)

Ne eher das "alte" Ziel mal so richtig erreichen - gewisse Dinge im Achterbahntempo "runterdreschen" - aber jede Note dabei mitnehmen

Tja, man möcht es gar nicht glauben, die Chiarina, die hat's faustdick hinter den Ohren! :D:D:D

und bezüglich Beschwörung, obskuren Aberglauben und so: ja, wußtest Du noch NICHT daß jeder der ein Klavier berührt, magische Fähigkeiten erhält??? Das wollten wir Dir eigentlich erst in drei Jahren sagen, wenn Du in den Inneren Zirkel der Klaviatoren aufgenommen werden solltest

(Achtung: nix davon gibts ansatzweise - alles klar, oder!)

Gruß!
 

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