Fortschrittsfragen

Für mich ergänzen sich @ellis und @micks Positionen wunderbar. - Mir ist beim Durchlesen des Fadens ein Gedanke durch den Kopf geschossen, der es zwar auch nicht ganz trifft, aber trotzdem etwas hat, finde ich: Vielleicht setzt @elli eher da an, wo der Körper zu viel macht, und @mick da, wo er zu wenig macht?

Mir geht es nämlich oft so, wie es @Andre73 so schön beschrieben hat: Dass eine Klangvorstellung da ist, die der Körper aber nicht umsetzen will. - Meistens kann ich dieses Umsetzungssproblem auf irgendwelche "störenden Zusatzaktivitäten" runterbrechen. Die Rechte soll laut spielen, die Linke leise, aber die Rechte reißt die Linke mit, sie spielt zu laut. Dieses Problem findet sich auch im Kleinen, und im ganz Kleinen. (Bei der Bachsinfonie hab ich so Zeugs gerade haufenweise, gegenläufige Stimmen in einer Hand, wo ein Finger den anderen mitreißt.) Wenn ich da ständig mit musikalischer Vorstellung versuchen würde, das Problem aus der Welt zu schaffen, würde mich das ermüden und die Vorstellung an Qualität verlieren. Da bin ich mit reduziertem mechanischem "Herumprobieren" einfach näher am Hindernis dran und bekomme es dadurch besser aus dem Weg geräumt.

Und @mick setzt für mich halt eher da an, dass der Körper nichts umzusetzen hat, wenn die Vorstellung fehlt (und dadurch zu wenig macht)... und betont dabei, wie viele unterschiedliche Voraussetzungen seiner Meinung nach nötig sind, um zur idealen Klangvorstellung zu kommen.

Ist nur ne auf persönlicher Erfahrung aufbauende Sichtweise und ein bisschen dahergesponnen...


@ha_pe: Ich sehe das meiste so wie @FünfTon im #3-Beitrag. - Wenn sein letzter Satz nicht gewesen wäre, hätte ich den geliked. (Aber ich mag es einfach nicht, wenn man sich von vornherein gedanklich einschränkt, selbst, wenn er Recht mit seiner Ansicht hat.)

Vielleicht noch zusätzlich: Mir hat es bei Zweifeln geholfen, einfach auf meinen Lehrer zu vertrauen...


LG Wil
 
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Ich finde den Beitrag von jk82 sehr gut. Von Brückner stammt der Spruch: "Wer Höhe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen." Viele meinen aber offenbar, wenn sie nur lange genug am 5. Stock herumbauen, wird es auch mit minimalem Fundament funktionieren. Und sie machen die gleiche Erfahrung wie der Turmbauer: Es bleibt wackelig.
 
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Mir geht es nämlich oft so, wie es @Andre73 so schön beschrieben hat: Dass eine Klangvorstellung da ist, die der Körper aber nicht umsetzen will. - Meistens kann ich dieses Umsetzungssproblem auf irgendwelche "störenden Zusatzaktivitäten" runterbrechen. Die Rechte soll laut spielen, die Linke leise, aber die Rechte reißt die Linke mit, sie spielt zu laut.

Aber das ist doch ein musikalisches und kein technisches Problem! Wenn du die Linke allein leise spielen kannst, dann kannst du alle notwendigen Bewegungen ausführen. Wenn es zusammen mit der Rechten nicht klappt, liegt es daran, dass dein Gehirn die Stimmen nicht klar auseinanderhalten kann. Die Klangvorstellung ist dann tatsächlich nur grob vorhanden, aber noch längst nicht präzise genug. Eine klare Klangvorstellung löst auch eine Bewegungsvorstellung auslösen - kannst du dir Klang und Bewegung der linken Hand alleine schon genau vorstellen? Kannst du jeweils einen Einzelton rechts und einen Einzelton links auf Anhieb gleichzeitig in unterschiedlichen Lautstärken spielen?

Wenn ich da ständig mit musikalischer Vorstellung versuchen würde, das Problem aus der Welt zu schaffen, würde mich das ermüden und die Vorstellung an Qualität verlieren. Da bin ich mit reduziertem mechanischem "Herumprobieren" einfach näher am Hindernis dran und bekomme es dadurch besser aus dem Weg geräumt.

Tja, üben ist nun mal anstrengend. :-) Aber ich glaube nicht daran, dass man mit mechanischem Herumprobieren zu einem wirklich guten musikalischen Ergebnis kommen kann. Vor allem - was bringt es für das nächste Stück? Da fängst du wieder von vorne an. Dinge, die man wirklich mit Verstand gelernt hat, kann man beim nächsten Stück anwenden, ohne sie je wieder üben zu müssen.
Versuch doch mal, pro Tag nur eine kurze Passage (nur ganz wenige Töne!) mit wirklich klarer Klang- und Bewegungsvorstellung hinzubekommen. Du wirst schnell merken, dass es am Anfang zwar mühsam ist und eine sehr hohe Konzentration erfordert, aber letztendlich viel schneller zum Erfolg führt.

EDIT: Bei Bach-Inventionen ist es eine sehr gute Übung, eine Stimme zu spielen und die andere zu singen. Das ist wahrscheinlich auch erstmal schwierig, hilft aber weit mehr als jede mechanische Überei. Denn bei der Klangvorstellung kann man sich so nicht mehr selber beschummeln.
 
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Aber das ist doch ein musikalisches und kein technisches Problem! Wenn du die Linke allein leise spielen kannst, dann kannst du alle notwendigen Bewegungen ausführen. Wenn es zusammen mit der Rechten nicht klappt, liegt es daran, dass dein Gehirn die Stimmen nicht klar auseinanderhalten kann. Die Klangvorstellung ist dann tatsächlich nur grob vorhanden, aber noch längst nicht präzise genug. Eine klare Klangvorstellung löst auch eine Bewegungsvorstellung auslösen - kannst du dir Klang und Bewegung der linken Hand alleine schon genau vorstellen? Kannst du jeweils einen Einzelton rechts und einen Einzelton links auf Anhieb gleichzeitig in unterschiedlichen Lautstärken spielen?

Das muss nicht zwangsläufig an der Klangvorstellung liegen. Einfaches Experiment: Male mit der rechten Hand Kreise auf ein Blatt Papier! Wahrscheinlich kein Problem. Jetzt male mit der linken Hand Striche! Wahrscheinlich auch kein Problem. Und jetzt beides gleichzeitig! Der Großteil der Menschen scheitert ohne Übung daran. Und das nicht wegen fehlender Klang-, oder in diesem Fall, visueller Vorstellung, sondern schlicht aufgrund motorischer Fähigkeiten.
 
Das muss nicht zwangsläufig an der Klangvorstellung liegen. Einfaches Experiment: Male mit der rechten Hand Kreise auf ein Blatt Papier! Wahrscheinlich kein Problem. Jetzt male mit der linken Hand Striche! Wahrscheinlich auch kein Problem. Und jetzt beides gleichzeitig! Der Großteil der Menschen scheitert ohne Übung daran. Und das nicht wegen fehlender Klang-, oder in diesem Fall, visueller Vorstellung, sondern schlicht aufgrund motorischer Fähigkeiten.

Ein gutes Bildnis, um eines der Probleme zu zeigen.
Allein schon einen Kreis sauber hinzubekommen, wenn wir bei dem Bildnis bleiben, ist anfangs schwer und je nach gewünschtem Perfektionsgrad ggf. sehr schwer.
Dazu dieses Video ;)

 
Dass eine Klangvorstellung da ist, die der Körper aber nicht umsetzen will.

Genau das kenne ich sehr gut - und höre das auch von vielen anderen erwachsenen Späteinsteigern. Dass man das nicht ganz nachvollziehen kann, wenn man von schon klein auf selbstverständlich Klavier spielt, mag sein. Aber es gibt in jedem Fall technische Grenzen, genauso wie es (zumindest bei mir) auch Grenzen des vollständigen musikalischen und theoretischen "Durchdringens" und tiefen Verstehens der erlernten Stücke gibt. Da ich voll berufstätig bin, habe ich als Hobbyklavierspielerin aber nunmal auch ein zeitliches Limit: Wollte ich abends nun auch noch die Berge von Musiktheorie durchackern, die ich bräuchte, um das alles nachzuvollziehen, hätte ich keine Zeit zum Klavierspielen mehr. Außerdem möchte ich in der Klavierstunde auch ungern den Fokus auf langwierige, theoretische Erläuterungen legen - dort möchte ich dann doch eher aktiv musizieren. Irgendwo muss man eben Abstriche machen. Fortschritte gibt's ja dennoch, wenn man dranbleibt!
 
Das muss nicht zwangsläufig an der Klangvorstellung liegen. Einfaches Experiment: Male mit der rechten Hand Kreise auf ein Blatt Papier! Wahrscheinlich kein Problem. Jetzt male mit der linken Hand Striche! Wahrscheinlich auch kein Problem. Und jetzt beides gleichzeitig! Der Großteil der Menschen scheitert ohne Übung daran. Und das nicht wegen fehlender Klang-, oder in diesem Fall, visueller Vorstellung, sondern schlicht aufgrund motorischer Fähigkeiten.

Kann ich auf Anhieb. Ich kann allerdings auch gleichzeitig mit der rechten Hand mein Handy bedienen und mit der linken in der Nase bohren. Bin ich ein Naturtalent? :lol:
 
Das muss nicht zwangsläufig an der Klangvorstellung liegen. Einfaches Experiment: Male mit der rechten Hand Kreise auf ein Blatt Papier! Wahrscheinlich kein Problem. Jetzt male mit der linken Hand Striche! Wahrscheinlich auch kein Problem. Und jetzt beides gleichzeitig! Der Großteil der Menschen scheitert ohne Übung daran. Und das nicht wegen fehlender Klang-, oder in diesem Fall, visueller Vorstellung, sondern schlicht aufgrund motorischer Fähigkeiten.

Ich kann das auch sofort. Ich bin nur vorher mental die gleichzeitige Bewegung beider Hände durchgegangen. Ich habe also erst gezeichnet, als ich genau im Kopf wusste, wie ich beide Hände gleichzeitig bewegen muss, um rechts einen Kreis und links Striche zu zeichnen.

Und das ist, denke ich, auch ein großer Grund für Missverständnisse. Natürlich kann jeder erwachsene Anfänger eine genaue Vorstellung von der Melodie des Stückes haben. Aber diese Vorstellung ist eben nicht an die entsprechende Bewegung gekoppelt. D.h., ein Anfänger kann nicht oder nur ungenau benennen, wie sich eine bestimmte Bewegung auf den Klang auswirkt oder welche Bewegung nötig ist, um einen bestimmten Klang zu erzeugen. Seine Klangvorstellung ist immer solitär - ohne Bewegungsvorstellung.

Für musikalisches Üben ist es aber nötig - wie Mick auch schreibt-, sowohl eine klare Klang- als auch eine klare Bewegungsvorstellung zu haben. Sobald ganz klar ist, wie Bewegung und Klang in einer Passage zusammengehen, wird die Passage spielbar.

Versuch doch mal, pro Tag nur eine kurze Passage (nur ganz wenige Töne!) mit wirklich klarer Klang- und Bewegungsvorstellung hinzubekommen. Du wirst schnell merken, dass es am Anfang zwar mühsam ist und eine sehr hohe Konzentration erfordert, aber letztendlich viel schneller zum Erfolg führt.
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Das bringt es auf den Punkt.
 
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Eine klare Klangvorstellung löst auch eine Bewegungsvorstellung auslösen - kannst du dir Klang und Bewegung der linken Hand alleine schon genau vorstellen? Kannst du jeweils einen Einzelton rechts und einen Einzelton links auf Anhieb gleichzeitig in unterschiedlichen Lautstärken spielen?
Ja und ja. War nur ein leicht nachvollziehbares Beispiel, das den Grundgedanken zeigen sollte.

Aber ich glaube nicht daran, dass man mit mechanischem Herumprobieren zu einem wirklich guten musikalischen Ergebnis kommen kann.
Da bin ich ganz bei dir, ich habe nie das Gegenteil behauptet. Mechanisches Üben bringt musikalisch null komma garnichts.

Vor allem - was bringt es für das nächste Stück? Da fängst du wieder von vorne an. Dinge, die man wirklich mit Verstand gelernt hat, kann man beim nächsten Stück anwenden, ohne sie je wieder üben zu müssen.
Also wirklich, üben mit Verstand, was hast du denn für Ideen... ;-)

Bei Bach-Inventionen ist es eine sehr gute Übung, eine Stimme zu spielen und die andere zu singen. Das ist wahrscheinlich auch erstmal schwierig, hilft aber weit mehr als jede mechanische Überei. Denn bei der Klangvorstellung kann man sich so nicht mehr selber beschummeln.
Danke für den Tipp, das werde ich mal ausprobieren, klingt interessant! :-)
 
@Ludwig, darf ich fragen wie viel du täglich oder wöchentlich übst wenn du nach zwei jahren schon so schwere stücke einübst?

danke violetta
 
@Ludwig, darf ich fragen wie viel du täglich oder wöchentlich übst wenn du nach zwei jahren schon so schwere stücke einübst?
Also erst mal muss gesagt werden dass ich jetzt auch langsam Richtung drei Jahre gehe :-)

Ich übe etwa eine Stunde täglich. Mal mehr mal weniger. Unter der Woche wahrscheinlich eher weniger, am Wochenende mal auch mehr, aber ich stoppe die Zeit nicht.

Schwer ist relativ - ich finde keines dieser Stücke technisch schwer, wohl aber musikalisch, sprich: Diese Stücke hören sich an, wie als ob sie ein Anfänger spielte, und das bin ich ja bekanntlich auch.

Ich persönlich halt meinen Fortschritt für nicht sonderlich ungewöhnlich - sicher, es gibt viele, die in der gleichen Zeit noch mit der (sehr wertvollen und schwierigen) russischen Klavierschule beschäftigt sind, allerdings gibt es wohl auch einige, die in gleicher Zeit wesentlich besser spielen und bereits mit dem WTK (das möchte ich gerne dieses Jahr beginnen) gut voran kommen.

Dass es einigermaßen gut klappt liegt wohl daran, dass ich gerne Klavierspiele, musikalisch vielseitig interessiert bin und auch zu Arpeggien, Skalen und Tonarten nicht nein sage.

LG
Ludwig
 
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ohhh, danke. ich hab schon an mir gezweifelt :-D denn ich finde für mich persönlich das ich auch einen guten fortschritt mache, die liegt allerdings meiner meinung nach weniger am talent, sonder viel mehr an meiner übezeit ;-) (auch durschnittlich 1 - 1/2 stunden täglich) mal schauen wie weit ich dann bin wenn ich auf das ditte jahr zugehe :-)
 

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