Mooooment, hier geht in puncto Spracherwerb einiges durcheinander...!
Du sagst Sprechen lernen ist angeboren, (Musik machen wohl auch), der Erwerb der Sprache erfolgt sicherlich spielerisch, aber dennoch ist es ein recht langer Prozess, in dem das Kind erst lernt, die Kontrolle über seine Organe zu bekommen und sie gezielt einzusetzen.
Ohhhh, das wirkt nur spielerisch. In Wahrheit ist es für ein normal entwickeltes Kind ein elementares Grundbedürfnis, sich mitzuteilen, zu verstehen und auch verstanden zu werden. Es ist auch kein langer Prozess, sondern es erfolgt mit atemberaubender Geschwindigkeit, stellt man die Komplexität des Prozesses in Rechnung.
würde mich interessieren, ob sprechen, im Sinne von Sprache äußern, wirklich angeboren ist.
Ja. Die Fähigkeit, die Reziprozität von Benennung und Benanntem (Signifiant und Signifié = Semantik) herzustellen und das Alles auch noch in eine mehr oder minder sinnvolle Ordnung zu bringen (Grammatik), ist angeboren. Diese Fähigkeit ist sozusagen der entscheidende evolutionäre Unterschied in der Menschwerdung. Andere Säugetiere können zwar auch "Semantik", aber allein schon aufgrund mangelhaft ausgeprägter Sprechorgane nicht sprechen (und höchstwahrscheinlich auch keine Grammatik, sondern gedanklich nur Lexeme aneinanderreihen). Es ist nicht nur das Hirn, das "sprechen" können muss, sondern es muss auch anatomisch möglich sein. Einem Schimpansen kann man fast alles beibringen, aber nicht das Sprechen, denn seine Anatomie gibt den Sprechakt nicht her. Ein Hund kann 100 Lexeme verstehen, aber kein Wort sprechen.
WELCHER Laut (bzw. welche Lautgruppe) WIE und WOFÜR verwendet wird, hängt von der Umgebungsgruppe ab. Wenn die Familie sich nur mit Grunzlauten verständigt, übernimmt das Kind diese Art der Kommunikation. An dieser Stelle drängt sich sofort die Frage auf: "In welcher Welt leben die?" Sie können nur überleben, wenn andere Mitglieder des gesellschaftlichen Umfelds die BEDEUTUNG der Grunzlaute ebenfalls verstehen.
Kann ein Mensch sprechen lernen, wenn man ihn isoliert von anderen Menschen aufwachsen lässt?
Diese Frage wurde schon vor Jahrhunderten abschließend geklärt. Es gibt keine Ursprache. Die Kinder versterben, wenn man sie isoliert von anderen Menschen aufwachsen lässt. Selbst wenn man ihnen wortlos die nötige Pflege angedeihen lässt. Mensch = Interaktion + Sprache. Egal welche.*
Es gibt Beispiele von "Wilden Kindern", aber die zählen nicht. Auch die "Wilden Kinder" wurden nicht direkt nach der Geburt bis zum ca. 20. Lebensmonat ausgesetzt. Bis dahin hatten sie mütterlichen Kontakt (sonst hätten sie unmöglich überlebt) und somit auch irgendeine sprachliche Prägung.
Sprechen und ist nichts, was ich n e u lernen muss. Das kann ich spontan variieren. Laut und leise spielen noch nicht.
das entspräche ja dem Klangwillen hier... aber umsetzen kann ich das noch lange nicht....mit dem Werkzeug, das mir zur Verfügung steht...
Zwei paar Schuhe! Natürlich reicht Dein Werkzeug noch nicht, um Deine Klangvorstellung von der Hammerklaviersonate umzusetzen. Aber lauter oder leiser spielen dürfte wirklich gar kein Problem sein, FALLS Du das mit der Klangvorstellung verstanden hättest. Beim Sprechakt färbst Du Deine Stimme so, wie Du Dich Deiner Botschaft (für andere verständlich) entäußern willst.
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag. Du kannst zu jemandem, der Dich übel reingelegt hat, "Du niederträchtiger Armleuchter" brüllend, schrill, leise, verächtlich ... wie-auch-immer sagen. Du hast es Dir in Sekundenbruchteilen vorher zurechtgelegt, Du kannst den Sprechakt sogar "unterwegs" noch verändern. Weil´s von innen kommt, weil Du sozusagen "eins" bist mit dem, was Du dem Gegenüber mitteilen willst.
So musst Du Dir das auch für die Musik vorstellen. Stell Dir vor, die Musik, die Du zum Erklingen bringen willst, ist Deine Geschichte, das, was Du mitteilen möchtest. Deine Geschichte kannst Du laut und hart brüllen, Du kannst sie flüstern, Du kannst erst flüstern und Dich ins Brüllen steigern – ganz egal. Es liegt in Deiner Vorstellung.
So wie Du Deinen Stimmbändern, Deiner Lunge und Deiner Zunge keine Extrabefehle geben musst, um ein lautes offenes A von sich zu geben (Du willst dieses laute offene A aussprechen und Deine Sprechwerkzeuge führen automatisch die richtigen Bewegungen aus) – so ähnlich verhält es sich mit der Klangvorstellung und ihrem Weg auf die Tasten / Saiten.
* Ein bewegender Film zu diesem Thema heißt "
Nell" (1994) nach der Vorlage "Idioglossia".