Fassbares und Unfassbares

Troubadix

Dorfpolizist
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Grundsätzlich ist es bei mir so, dass mich nicht nur interessiert, wie ein Stück komponiert ist, sondern warum es genau so und nicht anders komponiert ist. Ich bin gerade ein bisschen im Ring-Fieber und in dieser Hinsicht bietet dieses monomentale Werk ja quasi unerschöpfliches Material.

Was mich besonders beschäftigt ist die Frage, was der Komponist wirklich bewusst und mit der Absicht, die heutzutage gerne hineininterpretiert wird so komponiert hat und was davon für den Durchschnittshörer eigentlich wahrnehmbar ist, ohne sich ausführlicher mit der Materie auseinanderzusetzten.

Nehmen wir mal das rein instrumentale Finale der Götterdämmerung als Beispiel, denn genau bei diesem Beispiel bin ich ins Nachdenken gekommen. Das letzte Leitmotiv der Oper ist bekanntlich das Erlösungs-Motiv. Dieses erscheint zum Abschluss in Des-Dur. Des-Dur ist im Ring die Tonart Wotans (Walhall-Motiv). Laut Stefan Mickisch erscheint das Erlösungs-Motiv zum Schluss in der Tonart Wotans um zu zeigen, dass Wotan eben doch nicht alles falsch gemacht hat und er seine Schöpfung letzten Endes zu einem positiven Ende gebracht hat.

Das klingt ja einmal alles recht einleuchtend, aber… Wer hört denn ohne sich mit der Partitur ausführlich auseinanderzusetzen, dass final das Erlösungs-Motiv in Des-Dur ertönt und zieht daraus die richtigen Schlüsse? Kann man solche Sache rein intuitive fassen und sind sie überhaupt sinnvoll, sollte das nicht möglich ist? Oder entstehen solche Sachen eher aus dem kompositorischen Kontext heraus (unmittelbar zuvor ertönt ja recht ausführlich das Walhall-Motiv in der üblichen Tonart Des-Dur) und entsprechende Interpretationen sind erst durch die Nachwelt entstanden? Kann ein Komponist solche Schlüsse überhaupt vom Publikum verlangen? Oder ist die eher wissenschaftliche Auseinandersetzung mit solch monomentalen Werken Grundvoraussetzung, um sie überhaupt fassen zu können?

Viele Grüße!
 
Vieles wird ja durch Hörgewohnheiten wahrgenommen. Ich weiß nicht inwiefern jemand ohne Vorkenntnisse sich ein authentisches Bild von einer Komposition machen kann. Wenn ich ein Gemälde erblicke, sehe ich in der Regel was erstmal als solches vorliegt und darüber hinaus verknüpfe ich den Rest mit meiner Vorstellung vom Ganzen, das je nach Wissens- und Erkenntnisstand unterschiedlich ausfallen kann.

Ich merke ja selber, wie durch die fortwährende Beschäftigung mit der Musik selber sich Hörgeschmäcker entwickeln und ich auch anfange bestimmte Muster bewusst zu hören. Zum Beispiel Septakkorde, moll/dur Dreiklänge. Dinge die ich früher nie wahrgenommen hätte. Wozu auch...
Aber ich glaube es gibt viele Menschen die hören vieles aus einer Komposition heraus, also die verschiedenenen Spannungen und auch deren Beziehung zueinander, Mehrstimmigkeiten. Die Geschichte dahinter müssen sie aber wahrscheinlich trotzdem einmal gehört haben. Ist es irgendwo auch an die abendländische Kultur verknüpft. Wir verstehen Brahmanengesänge wohl auch eher schwieriger, wenn überhaupt ohne Vorkenntnisse.

Ich merke oft, wie die Musik für mich mehr Sinn ergibt, wenn ich eine Geschichte dazu assoziieren kann. Zum Beispiel bei dem jimbo's lullaby mir einen tappsigen Elefanten vorzustellen oder recht eingängig ist ja das Grundmotiv von debussys chatedrale. Spannender dabei zu beobachten ist wie ausgefuchst bestimmte Motive und Fragmente wie ein roter Faden immer wieder auftreten und wenn nur angedeutet. Ich glaube ohne das Wissen um solche Feinheiten, gelingt es nicht die Komposition erfolgreich vorzutragen.
Aber ob der Durchnitttshörer dieses hört? Ich glaube eher nicht. Ich höre auch keine 3-4 Stimmigkeiten. Ich erlerne es jetzt zwar, aber es ist nicht vorhanden. Insofern wird Beschäftigung mit dem Gegenstand wohl immer eine Rolle spielen.
Der Hörgenuss steigt auch mit der wachsenden Erkenntnis. Jedenfalls eine Selbstbeobachtung.

Lg lustknabe
 
Ich bin gerade ein bisschen im Ring-Fieber und
und da tauchen Probleme auf, denn dieses über mehr als zwanzig (!!) Jahre hinweg komponierte Riesen-Opus kann am Ende nicht so werden, wie es der Komponist vielleicht anfangs gewollt hatte: denn er selber hat sich da über zwanzig Jahre hinweg weiterentwickelt. (denk nur an die inhaltlich sehr verschiedenen Fassungen des Textes)

Zeigefingerreckende Beckmesser pflegen mit Wonne auf Widersprüche der Leitmotivverwendung hinzuweisen: z.B. warum wird das Angstmotiv im Rheingold zum Liebesmotiv (Siegumund & Sieglinde) in der Walküre?

Statt dieses einzigartige "work in progress" als Ganzes zu überfordern, empfehle ich dir, gut dokumentierte Abschnitte, Details zu betrachten. So sind z.B. alle Kompositionsskizzen samt etlichen Briefen bzgl. der "Todesverkündung" in der Walküre erhalten (das findest du unschwer in der Wagnerliteratur). Hier kannst du den Kompositionsprozess an einer ganz herausragenden Stelle (erstmals wir die Tristanharmonik verwendet) sozusagen a posteriori beobachten. Das erstaunliche daran: das meiste dessen, was wir heute da "herauslesen", war dem Komponisten bewußt.

Ein weiteres Indiz in diese Richtung: der "Trauermarsch" (Götterdämmerung) ist eine perfekte Inhaltsangabe des musikalischen Geschehens (um den Faden nicht zu verlieren, hatte Wagner sehr bewußt seine Rekapitulationen eingebaut)

noch ein Tipp: zur Todverkündung Werner Breig lesen.
 
Ich merke ja selber, wie durch die fortwährende Beschäftigung mit der Musik selber sich Hörgeschmäcker entwickeln und ich auch anfange bestimmte Muster bewusst zu hören.

Du sprichst von fassbaren Sachen, die man durch Beschäftigung mit der Materie wahrnehmen kann (Modulationen, Kadenzen, Akkorde und deren Spannungen...). Ich glaube sogar, dass diese Sachen auch in gewisser Weise wirken, ohne dass man sie genau benennen kann, aber natürlich nimmt man mit zunehmender Erfahrung, Wissen und Auseinandersetzung mit dem Notentext viel mehr bewusst von der Musik wahr.

z.B. warum wird das Angstmotiv im Rheingold zum Liebesmotiv (Siegumund & Sieglinde) in der Walküre?

Das sind genau die Fragestellungen, die mich interessieren, aber ich möchte mein "Problem" noch mal genauer mit dem Ende der Götterdämmerung beschreiben, hole aber ein bisschen dazu aus.

Es gibt im Ring viele faszinierende Sachen, die für mich fassbar sind, spätestens wenn man darauf hingewiesen wird.

Loge hat als Grundton zwar Fis, entflieht aber ständig chromatisch und lässt sich kaum festhalten. Das symbolisiert die Unbändigkeit des Feuers usw. usf... Das ist fassbar, sogar ohne Studium der Partitur. Das ist etwas, was einfach wirkt...

Das Ende der Götterdämmerung ist wie gesagt rein instrumental und es werden allein durch die verwendeten Leitmotive Inhalte vermittelt, die sich nur begrenzt auf der Bühne darstellen lassen. Die Rheintöchter werden durch ein Motiv dargestellt, das Reinheit, Verspieltheit, Schönheit usw. symbolisiert und sehr schön mit Pentatonik dargestellt wird. Es folgt die Vermischung dieses paradiesischen Urzustandes mit dem Walhall-Motiv und dem Erlösungs-Motiv. Es ertönt das Siegfried-Motiv nur zur Hälfte (!) gefolgt vom Götterdämmerungs-Motiv (das wiederum dem Schöpfungsgedanken des Naturmotivs entgegengesetzt ist). Bis hierhin ist das alles nach etwas Beschäftigung nachvollziehbar, verständlich und fassbar. Aber dann ertönt noch mal das Erlösungs-Motiv, diesmal in Des-Dur und allein aus der Tatsache der Tonart dieses Motivs (was kaum jemand allein beim Hören feststellen wird) soll ich einen äußerst wichtigen, inhaltlichen Schluss ziehen, nämlich die Assoziation mit Wotan (nochmal: allein aus der Tonart heraus) und der resultierenden Aussage, dass der doch nicht komplett versagt hat. Wenn das wirklich so ist und wirklich genau so Wagners Intention war, dann ist dies ein Punkt, den ich zwar zur Kenntnis nehmen kann, fassen kann ich das aber nicht. Ich denke mir beim Hören nicht: "Ja klar...Jetzt kommt das Erlösungs-Motiv in Wotans Tonart. Der ist also doch keine Vollpfeife..." Oder nimmt man solche Sachen vielleicht doch unterbewusst wahr?

Viele Grüße!
 
Lieber Sebastian,

ich kann leider im Moment nicht richtig in Euere Diskussion einsteigen, aber ich möcht gern einen Gesichtspunkt einbringen, nämlich den sozio-kulturellen Kontext, den man in der Rezeptionsforschung den "Erwartungshorizont" des Hörers nennt. Gerade Wagner hat ja, teil aus blankem materiellen Interesse, teils aber auch um Hörerinteresse und -erwartung zu wecken und zu steuern, das Publikum gleichsam schrittweise an seine Werke herangeführt, indem er zuerst öffentliche Reziationen der Prosafassung und des fertigen Textes veranstaltete, dann sukkzessive die Musik vorstellte. Auf diese Weise hat er das Publikum in seinem Sinne "herangezogen", sodaß bei den Uraufführungen schon ein Wissenshorizont vorhanden war, der die Rezeption in die erwünschte Richtung lenken konnte. Und prinzipiell gilt für den Ring wie für die meisten großen dramatischen und anderen literarischen Werken das Prinzip der doppelten Adressiertheit: derjenige, der sie einfach über sich ergehen läßt, wird genauso "bedient" wie der vorgebildete Hörer. In der Literaturwissenschaft ist gerade eine Strömung aktuell, die sich Intertextualitätsforschung nennt, und und untersucht, wie vorhandene Themen, Gedanken, Motive aber auch prosodisch-metrische Phänomene in neue funktionale Zusammenhäge gestellt werden. Das läßt sich sehr gut auf Wagners Werke und ihren Rezepetionshorizont übertragen, nicht nur, was die notorischen "Leitmotive" betrifft. Aber auch dem, der sich nicht oder nur teilweise auf dieser kognitive Ebene bewegt, bieten sie als Kunstwerke das perfekte ästhetische Erlebnis.

Übrigens geht ab Ende September in Nürnberg die landesweit sehr beachtete Ring-Produktion in ihre letzte Runde. Es gibt schon die/den eine(n) und andere(n) Claviot(iss)en, die ihn sich antun werden. Vielleicht auch Du?

Herzliche Grüße,

Friedrich
 
Zuletzt bearbeitet:

Meinst du das Schicksalsmotiv?

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Ja, das ist spannend und einen Dominantseptakkord am Ende dieser musikalischen Frage offen stehenzulassen, ist genial.

Sehr schön ist dann zu sehen, dass dieses Motiv am Ende der Walküre nach E-Dur aufgelöst wird.

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Das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen der Walküre und dem Tristan. Beide Opern beginnen zum Beispiel mit der Sexte (bei der Walküre als Schleifer) als Sehnsuchtsintervall.

All das ist nachvollziehbar, hörbar und erlebbar.

Und prinzipiell ist gilt für den Ring wie für die meisten großen dramatischen und anderen literarischen Werken das Prinzip der doppelten Adressiertheit: derjenige, er sie einfach über sich ergehen läßt, wird genauso "bedient" wie der vorgebildete Hörer.

Ja, das ist sicher richtig. Interessanter Weise habe ich bei mir dennoch festgestellt, dass mir der Ring sehr viel mehr Spaß macht, seit ich die Leitmotive erkennen und zuordnen kann.

Übrigens geht ab Ende September in Nürnberg die landesweit sehr beachtete Ring-Produktion in ihre letzte Runde. Es gibt schon die/den eine(n) und andere(n) Claviot(iss)en, die ihn sich antun werden. Vielleicht auch Du?

Hmmm...Die Götterdämmerung würde mich schon reizen, wenn es sich zeitlich ausgeht. Habt ihr denn schon einen genauen Termin im Auge? Dann könnte ich euch auch hinterher fragen ob ihr denn nun gehört habt, dass das Erlösungsmotiv zum Schluss in Des-Dur steht. :-D

Viele Grüße!
 
Hmm..zieht hier nicht so richtig an...

Versuchen wir es mal mit einem meiner Meinung nach fassbaren Thema.

Eines der wichtigsten Leitmotive im Ring ist das Naturmotiv, mit dem das Rheingold beginnt.

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Viele weitere Leitmotive sind Metamorphosen dieses Motivs, wie das Wellenmotiv, das Ringmotiv, das Walhallmotiv und das Schwertmotiv.

Nun gibt es in der Götterdämmerung bekanntlich die Gibichungen und die klingen so...

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Nun ist unschwer zu erkennen, dass es sich auch hier um eine Metamorphose des Naturmotivs handelt. Wie kann es sein, dass Wagner für die übelste und korrupteste Bande im Ring, als Basis das reinste und unschuldigste Motiv des Rings verwendetet?

Viele Grüße!
 
Nun ist unschwer zu erkennen, dass es sich auch hier um eine Metamorphose des Naturmotivs handelt. Wie kann es sein, dass Wagner für die übelste und korrupteste Bande im Ring, als Basis das reinste und unschuldigste Motiv des Rings verwendetet?

Aber die beiden Motive haben eigentlich doch nur eines gemeinsam, das Emporstreben zur "höheren Terz", oder täusche ich mich da? Das Naturmotiv ist jedenfalls ganz einfach, sowohl harmonisch als auch rhythmisch, und das widerspiegelt möglicherweise die im 19. jh. noch vorhandenen Vorstellungen von der Einfachheit gleich Vollkommenheit der Natur. Das Gibichungenmotiv ist dagegen in beiderlei Hinsicht viel komplexer. Und immerhin sind Gunther und Gutrune Angehörige eines Königshauses, und, da ja die Götter praktisch schon resigniert auf den um Walhall gezogenen Scheiterhaufen schauen, die einzige in der "Diskurswelt" greifbare Herrschaftsinstanz - da ist eine erhabene Assoziation doch angezeigt. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß das G.-Motiv im Kontrast zu Hagens Motiv steht, der ja der eigentliche Schurke und Strippenzieher ist. Gunther und Gutrune sind seine Marionetten und eher Schafsköpfe und Opfer ihrer jeweiligen Begierden als Schurken.

Man könnte nun Deinen Hinweis auf den abgeleiteten Charakterdes Walhall- und des Gibichungen-Motivs aufgreifen und spekulieren, daß beide eine gemeinsame assoziative Verknüpfung haben, nämlich die Bestimmung des vermeintlich Erhabenen zum Untergang, weil es wegen seiner Hybris - dem entscheidenden Movens einer tragischen Handlung - seinen eigenen Standards nicht genügt: Wotan, ebenfalls Opfer seiner Begierden, genügt nicht seinem Anspruch, Wahrer der Verträge zu sein, Gunther nicht dem sozialen Standard des mal. Herrscherbilds (idealtypisch etwa im Ruodlieb-Roman in der Figur des "Großen Königs" niedergelegt), demzufolge der Herrscher Macht, Ethos und Weisheit auf sich vereinigen muß. Letztere hat ja nur Hagen, der Schurke: »erbt ich Erstlingsart, Weisheit war Dir allein«. Wie gesagt - Spekulationen; ich habe leider keinen Überblick über die Doxographie und Pahlens Erläuterungen sagen dazu nichts.

Schöne Grüße,

Friedrich
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber die beiden Motive haben eigentlich doch nur eines gemeinsam, das Emporstreben zur "höheren Terz", oder täusche ich mich da?

Deutlicher wird die Verwandtschaft, wenn man sich die beiden dem Naturmotiv folgenden Motive anschaut, also das Werde-Motiv...

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...und das daraus entstehende Rhein- oder Wellenmotiv.

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Hier handelt sich ja bereits um Metamorphosen des Naturmotivs, was ja sehr schön aus dem Rheingold-Vorspiel hervorgeht. Hinzu kommt die rhythmische Ähnlichkeit mit dem G.-Motiv. Wenn man jetzt noch mal Werde- und G.-Motiv gegenüberstellt...

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...dann ist die Verwandtschaft sehr deutlich zu sehen...oder noch deutlicher...

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Das ist ganz unglaublich genial, wie Wagner das macht.

Das Naturmotiv ist jedenfalls ganz einfach, sowohl harmonisch als auch rhythmisch, und das widerspiegelt möglicherweise die im 19. jh. noch vorhandenen Vorstellungen von der Einfachheit gleich Vollkommenheit der Natur. Das Gibichungenmotiv ist dagegen in beiderlei Hinsicht viel komplexer.

Ich habe folgende Auffassung: Das G.-Motiv verschleiert das Naturmotiv. Es will sich seinen Kern zu eigen machen. Es gaukelt die Natur vor umhüllt von falschem Glanz und genau das war wohl Wagners Auffassung von Politik. Es ist ein falsches, ein korruptes Motiv.

Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß das G.-Motiv im Kontrast zu Hagens Motiv steht

Das stimmt und ist auch sehr interessant. Das Hagenmotiv ist damit auch wie das Götterdämmerungsmotiv dem Naturmotiv entgegengesetzt.

Gunther und Gutrune sind seine Marionetten und eher Schafsköpfe und Opfer ihrer jeweiligen Begierden als Schurken.

Ja, Politiker... :-D

Man könnte nun Deinen Hinweis auf den abgeleiteten Charakterdes Walhall- und des Gibichungen-Motivs aufgreifen und spekulieren, daß beide eine gemeinsame assoziative Verknüpfung haben, nämlich die Bestimmung des vermeintlich Erhabenen zum Untergang, weil es wegen seiner Hybris - dem entscheidenden Movens einer tragischen Handlung - seinen eigenen Standards nicht genügt

Das ist ein interessanter, nachvollziehbarer Gedanke. Ich empfinde das Wotan- oder Walhall-Motiv dennoch als sehr viel reiner und ursprünglicher, als das G.-Motiv und damit souveräner. Es verkörpert noch eher den schöpferischen Gedanken des Naturmotivs, der ja Wotan als obersten aller Götter zusteht.

Viele Grüße!
 
...das kann am Wetter liegen, das kann an irrtümlichen Darstellungen liegen... allerhand ist möglich...

erstens mal kann man feststellen, dass der Katalog der Motivnamen NICHT auf Wagner zurück geht (der war nicht so blöde, jedem Motivsplitter einen eigenen hochtrabenden Namen zu geben - ein gewisser Ernst von Wolzogen hat da mancherlei verbrochen)

was die beiden von dir miteinander verglichenen Themen betrifft:
- sie sind harmonisch sehr verschieden (!)
- sie sind in ihrer Melodiekurve und ihrem Ziel sehr deutlich verschieden (!!)
(muss ich das weitschweifig erklären?)

die Ähnlichkeit (die Melodienoten verwenden I-II-III-IV-V-VIII-X) ist oberflächlich: alle meine Entchen, Schumanns Kreisleriana, Strauß` Zigeunerbaron und viele andere würden sich da auch als "verwandt" eingliedern lassen... ;)

ich hatte dir empfohlen, dich mit der Entstehung und Verarbeitung des so genannten "Schicksalskunde-" oder "Todverkündungsmotivs" zu befassen - das war nicht ganz grundlos! Tust du das, wirst du (vielleicht) wahrnehmen, wie Wagner vorgeht. (kleiner Tipp: eine absteigende kleine Sekunde ist ganz was anderes als eine absteigende große Sekunde - harmonisch entsprechend verarbeitet kann man da riesige Unterschiede feststellen; die oberflächliche Verwandtschaft "ne Sekunde runter ist halt ne Sekunde runter" besagt gar nichts)
 
Lieber Rolf,

ich danke dir für deinen Beitrag.

...das kann an irrtümlichen Darstellungen liegen...

Ja, das ist gut möglich. Ich beschäftige mich erst seit sehr kurzer Zeit mit dem Ring, bin auf diesem Gebiet also Anfänger und da können einem schon mal Irrtümer bei so einem gigantischen Werk unterlaufen. Dann bin ich natürlich froh, wenn man mich darauf aufmerksam macht. Auf die Gefahr hin, noch mehr Unsinn zu schreiben sei mir dennoch gestattet, auf deine Argumente so gut es mir mit meinem Wissensstand möglich ist einzugehen.

erstens mal kann man feststellen, dass der Katalog der Motivnamen NICHT auf Wagner zurück geht (der war nicht so blöde, jedem Motivsplitter einen eigenen hochtrabenden Namen zu geben - ein gewisser Ernst von Wolzogen hat da mancherlei verbrochen)

Das mag sein, ist aber letztlich irrelevant. Ob man das nun Leitmotiv oder Erinnerungsmotiv, Walhallmotiv oder Wotanmotiv, Naturmotiv oder Schöpfungsmotiv, böser-fieser-gemeiner-roher-brutaler-Wiking-Motiv oder Motiv Nr.463 nennt, ist doch egal. Ob man jeden Splitter als Motiv bezeichnen muss, weiß ich nicht. In jedem Fall gibt es einige wichtige Motive, die man eindeutig zuordnen kann und teilweise in Beziehung zueinander stehen (Heureka! ;-)). Der Rest ist Nebensache...

was die beiden von dir miteinander verglichenen Themen betrifft:
- sie sind harmonisch sehr verschieden (!)
- sie sind in ihrer Melodiekurve und ihrem Ziel sehr deutlich verschieden (!!)
(muss ich das weitschweifig erklären?)

die Ähnlichkeit (die Melodienoten verwenden I-II-III-IV-V-VIII-X) ist oberflächlich

Ich zwinge dich nicht. :-DAber was du da schreibst, habe ich doch nie angezweifelt. Im Gegenteil teile ich diese Auffassung sogar. Gerade diese oberflächliche Ähnlichkeit in Melodie und Rhythmus (!) hätte ich als Vorsatz Wagners interpretiert. Das G.-Motiv gaukelt das Naturmotiv (oder wie immer man dieses Motiv bezeichnen mag) nur oberflächlich vor. Unter der Oberfläche sind aber ganz andere Ziele abzulesen. Diese äußern sich z.B. in der Harmonik usw...

Bezüglich Harmonik...So ziemlich jedes Motiv dem man unterstellt, eine Metamorphose des Naturmotivs zu sein, hat einen stark abweichenden Harmonieverlauf dazu. Das ist ja bei einem Vergleich mit einem Es-Dur-Akkord auch nicht weiter verwunderlich. Wenn das allein das Kriterium ist, dann gibt es im Ring keine Metamorphosen des Naturmotivs.

alle meine Entchen, Schumanns Kreisleriana, Strauß` Zigeunerbaron und viele andere würden sich da auch als "verwandt" eingliedern lassen... ;)

Nun...Ich finde nicht, dass diese Themen annähernd dieselbe (oberflächlich oder nicht) Ähnlichkeit in Melodie und Rhythmus aufweisen, wie die beiden verglichenen Motive. Dann kann man festhalten, dass keines dieser Themen im Ring vorkommt, noch anderweitig innerhalb eines mir bekannten Gesamtkunstwerkes zusammen auftreten. Falls doch, müsste man sich die Verwandtschaft noch mal genauer ansehen...:-)

Nun gibt es zwei Möglichkeiten...

Wenn meine Auffassung stimmt, dann finde ich dieses Vorgehen Wagners genial.

Bin ich, wie du sagst auf dem Holzweg, dann stellt mich das vor folgendes Problem: In folgendem Video erklärt Stefan Mickisch genau dasselbe, was ich hier versucht habe darzulegen.

Stefan Mickisch über das Gibichungen-Motiv

Für mich war das nachvollziehbar, es wurde also für mich fassbar. Wenn ich mich also nicht mal auf die Ausführungen eines ausgewiesenen und berühmten Wagner-Experten und studierten Komponisten stützen kann, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie ich mit dem Ring weiterkommen soll.

Vielleicht ja so...

ich hatte dir empfohlen, dich mit der Entstehung und Verarbeitung des so genannten "Schicksalskunde-" oder "Todverkündungsmotivs" zu befassen - das war nicht ganz grundlos!

Ich habe das nicht vergessen, sondern mir fein säuberlich notiert. Weiter oben habe ich mich auch kurz dazu geäußert, aber wahrscheinlich ebenfalls zu fehlerbehaftet. Ich würde mich gerne damit auseinandersetzten, habe aber das Problem, dass ich von Werner Breig nur das Wagner-Brief-Verzeichnis zum Erwerb finde und das nicht unter 150€, was mein momentanes Budget pro Fachbuch einfach übersteigt. Ich werde mal den Gebrauchtmarkt durchforsten. Sonst habe ich noch Hinweise auf ein paar Artikel von ihm gefunden (z.B. "Kompositionsentwürfe Richard Wagners zu Lohengrin und Der Ring des Nibelungen") konnte diese aber bislang noch nicht ausfindig machen. Ich suche weiter, werde mich aber wohl kurzfristig nicht zur Todesverkündung weiter äußern können.

Viele Grüße!
 

ich meine das hier:
Todverkündung.png
(also der Beginn der vierten Szene im zweiten Aufzug)

die erste Zeile enthält rätselhafte Akkorde, deren Oberstimme zugleich eines der wiederkehrenden Motive ist.

die zweite Zeile enthält eine Melodie (Oberstimme), die ebenfalls zu den wiederkehrenden Motiven gehört.

erstaunlicherweise findet sich das Motiv der 1. Zeile in der Melodie (2. Zeile) wieder - die Motive werden also verknüpft.

das melodische Motiv der rätselhaften Akkorde setzt mit einer kleinen Sekunde ein - dieser Tonschritt in dissonantem Kontext hatte zuvor schon eine eigene Motivqualität*) erhalten (wird oftmals als "Wehe-Motiv" bezeichnet) -- es werden also gleich mehrere Motive verknüpft.

des weiteren erstaunlich ist, dass die Harmonik in diesem Notenbeispiel schon direkt das enthält, was man gerne "Tristanakkord" nennt --- Wagner schrieb über diese Szene an Liszt:
Zitat von Brief Wagner an Liszt :
ja kann man das überhaupt noch komponieren nennen?
Der Brief zeigt deutlich, dass sich Wagner sehr bewußt war, hier etwas völlig neues und ungewohntes in die Musik zu bringen. Und wie die erhaltenen Skizzen beweisen, hatte er sich sehr mit dieser Stelle gemüht, bis sie so war, wie sie sein sollte.

Ob es nun sinnvoll ist, über die drei- bis vierfache Motiveverschränkung inhaltlich zu philosophieren, sei dahingestellt.

___________
*) als absteigende große Sekunde mit sehr ähnlicher Rhythmik in ebenfalls dissonantem Konzext kennen wir das als das Rheingold-Motiv
 
Ich habe das nicht vergessen, sondern mir fein säuberlich notiert.
folgende zwei Aufsätze von Prof. Werner Breig (Erlangen) sind interessant:
"das Schicksalskundemotiv"
"Chopin und Wagner" (Harmonik in Lohengrin und Polonaise-Fantaisie)
Beide Aufsätze finden sich in Wagnerforschungs-Jahrbänden / Kongressbänden - wenn du in der Nähe einer Uni-Biblio weilst, kannst du sie dir unschwer bestellen/einsehen
Außerdem ist es gewiß heutzutage kein Hexenwerk, sich im Netz eine Publikationsliste Breigs anzuschauen.
 
Die erläuternden Klavierdarbietungen zu Wagneropern, die Mikisch in Bayreuth macht, sind amüsant, kurzweilig, zuweilen auch lehrreich - aber sie erscheinen nirgendwo in gedruckter Form als musikwissenschaftliche Beiträge... (das heißt nicht, dass sie nichts taugen - ihr Verdienst ist, auf amüsante Weise in Wagners Themen und Motive einzuführen ohne den unbedarften Zuhörer zu überfordern)

Wenn du dir nochmal deine beiden Notenbeispiele anschaust:
das eine bleibt unverändert in einem Akkord (Es-Dur zunächst)
das andere hat auf dem Spitzenton eine Vorhaltdissonanz der Dominate und geht folglich weiter
das eine hat keine ab- und wieder aufsteigende kleine Terz
das andere hat sowas aber
das eine irganisiert sich in 6/8tel Bewegung
das andere besteht aus punktierten 8teln plus 16tel (Marschrhythmus) im 4/4 Takt
...wenn man da wegen ein paar gemeinsamer Töne (1,2-3-4-5-8-10 kommen vor) eine Verwandtschaft konstruieren will, dann muss man einsehen, dass diese doch recht verzerrt ist (Intervallfolge, Rhythmik, melodisches Ziel: all das ist sehr verschieden)
 
So...Ich möchte das Thema "Gibichungen-Motiv" nicht überstrapazieren, aber ich habe mich in den letzten Tagen noch mal intensiv damit auseinandergesetzt, habe mir die Stelle immer wieder angehört, bin mit Klavierauszug am Klavier gesessen usw. und möchte noch einmal ausholen, also...

aber sie erscheinen nirgendwo in gedruckter Form als musikwissenschaftliche Beiträge...

Es stimmt, dass sie nicht in gedruckter Form vorliegen, aber Herr Mickisch hat alle seiner Meinung nach 261 Leitmotive des Rings auf neun CDs eingespielt und erklärt. Das kann man doch als musikwissenschaftlichen Beitrag gelten lassen...

Wenn du dir nochmal deine beiden Notenbeispiele anschaust:
das eine bleibt unverändert in einem Akkord (Es-Dur zunächst)
das andere hat auf dem Spitzenton eine Vorhaltdissonanz der Dominate und geht folglich weiter
das eine hat keine ab- und wieder aufsteigende kleine Terz
das andere hat sowas aber
das eine irganisiert sich in 6/8tel Bewegung
das andere besteht aus punktierten 8teln plus 16tel (Marschrhythmus) im 4/4 Takt
...wenn man da wegen ein paar gemeinsamer Töne (1,2-3-4-5-8-10 kommen vor) eine Verwandtschaft konstruieren will, dann muss man einsehen, dass diese doch recht verzerrt ist (Intervallfolge, Rhythmik, melodisches Ziel: all das ist sehr verschieden)

Das ist natürlich alles richtig, dennoch muss man festhalten, dass diese Melodietöne die einzigen Melodietöne im Werde-/Rheinmotiv sind und diese also zu 100% im G.-Motiv vorkommen. Das allein wäre sicher zu oberflächlich, da gebe ich dir recht. Hätte ein späterer Komponist das so komponiert, hätte man ihm sicher kein Zitat unterstellt. Hier ist aber der Kontext meiner Meinung nach entscheidend.

Würde das Rheinmotiv zum Beginn des Rings einmal auftauchen und man würde nun ca. 11 musikalische Stunden später verlangen, hier einen Bezug zum G.-Motiv herstellen zu können, so wären wir wohl wieder im Bereich des Unfassbaren.

Aber...

Zwischen Vorspiel und erstem Akt ertönt die schöne, sinfonische Rheinfahrt. Hier wird der Hörer intensiv mit dem Rheinmotiv beglückt. Der Hörer bekommt also das hier zu hören...

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...und das nicht nur angedeutet, sondern sehr intensiv und einprägsam. Nur zwei Minuten später, bekommt der Hörer das G.-Motiv zum ersten Mal zu hören und das sieht dann so aus...

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Das R.-Motiv kommt also nicht nur von der Melodie her, sondern auch harmonisch beinahe identisch im G.-Motiv vor. So oberflächlich finde ich das gar nicht. Rhythmisch gibt es unterschiede, aber die Tondauerverhältnisse sind identisch und das reicht, um eine Ähnlichkeit und sei sie auch nur oberflächlich, festzustellen. Ja, im G.-Motiv passiert vorher und hinterher noch etwas...Ja, im G.-Motiv ist der letzte markierte Ton ein Vorhalt usw... Sonst wäre es ja auch exakt dasselbe Motiv und das wollte Wagner natürlich nicht.

Falls es sich jemand anhören möchte...

Rheinfahrt

Das G.-Motiv ist ab 38:10 zu hören.
Wenn das nur Zufall ist, dann hat Wagner mir nicht abwechslungsreich genug komponiert. :-)

Viele Grüße!
 
Rhythmisch gibt es unterschiede, aber die Tondauerverhältnisse sind identisch
...böse Wortklauber würden hier eine klassische contradictio in adjectio attestieren... ;-)
wenn die Tondauerverhältnisse identisch sind, dann gibt es keine sonderlichen rhythmischen Unterschiede - indes sind da die Tondauerverhältnisse nicht identisch.

Ich rate davon ab, eventuelle Themenanklänge inhaltlich zu überstrapazieren - sinnvoller ist, die Entwicklung des "Naturmotivs" nachzuvollziehen: es unterliegt einigen Wandlungen vom Beginn des Rheingolds bis zur Apotheose in der Götterdämmerung. Aber es hat auch Eigernarten, die unverändert bleiben (!). Diese berücksichtigst du bei deinem "Fund" nicht (ich hatte das schon erwähnt)

Übrigens taucht das rückwärts gespielte Naturmotiv auch als eigenes Leitmotiv auf (!!...)

Wesentlich ist: es stellt - in starkem Gegensatz zu anderen Motiven - einen ganz eindeutigen harmonischen Rahmen her: es bleibt in seinem Akkord (!) --- genau das aber geschieht in den vermeintlichen Anklängen innerhalb der Gibichungenklänge nicht ! Das ist ein sehr relevanter Unterschied.
 
...wenn die Tondauerverhältnisse identisch sind, dann gibt es keine sonderlichen rhythmischen Unterschiede - indes sind da die Tondauerverhältnisse nicht identisch.

Ich meinte primitiv gesagt, dass sich ein langer und ein kurzer Ton abwechseln und das bei beiden Motiven im Verhältnis 3:1. Rhythmisch ist das trotzdem nicht dasselbe, wegen 4/4 vs. 3/4 usw., aber eine Ähnlichkeit lässt sich feststellen.

Ich rate davon ab, eventuelle Themenanklänge inhaltlich zu überstrapazieren - sinnvoller ist, die Entwicklung des "Naturmotivs" nachzuvollziehen: es unterliegt einigen Wandlungen vom Beginn des Rheingolds bis zur Apotheose in der Götterdämmerung. Aber es hat auch Eigernarten, die unverändert bleiben (!). Diese berücksichtigst du bei deinem "Fund" nicht (ich hatte das schon erwähnt)

Ich habe im letzten Beitrag dargelegt, wie das Naturmotiv in Form des Rhein-Motivs unmittelbar vor dem G.-Motiv erklingt. Aus dem Kontext heraus halte ich das für entscheidend denn das ist es, was der Hörer unmittelbar mitbekommt.

Übrigens taucht das rückwärts gespielte Naturmotiv auch als eigenes Leitmotiv auf (!!...)

Ja, du meinst das Götterdämmerungs-Motiv. Beide Motive tauchen mehrmals sogar unmittelbar hintereinander auf, z.B. in der Rheinfahrt oder in Brünnhildes Schlussgesang.

Wesentlich ist: es stellt - in starkem Gegensatz zu anderen Motiven - einen ganz eindeutigen harmonischen Rahmen her: es bleibt in seinem Akkord (!) --- genau das aber geschieht in den vermeintlichen Anklängen innerhalb der Gibichungenklänge nicht ! Das ist ein sehr relevanter Unterschied.

Wie gesagt gibt es natürlich Unterschiede, da es ja sonst dasselbe Motiv wäre. Die Frage ist, ob die von mir im vorherigen Beitrag beschriebenen Ähnlichkeiten im hier vorliegenden Kontext (R.-Motiv ertönt nur kurz vorher) ausreichen, um einen dezenten Bezug der Motive zu unterstellen und zu hören oder nicht. Ich bin der Meinung, dass das geht.

Viele Grüße!
 
Das klingt ja einmal alles recht einleuchtend, aber… Wer hört denn ohne sich mit der Partitur ausführlich auseinanderzusetzen, dass final das Erlösungs-Motiv in Des-Dur ertönt und zieht daraus die richtigen Schlüsse? Kann man solche Sache rein intuitive fassen und sind sie überhaupt sinnvoll, sollte das nicht möglich ist?

Ich behaupte: Ja. Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Wagners assoziative Leitmotivtechnik wird nirgends so genial auf die Spitze getrieben wie im "Ring".

Vieles, was nicht gesagt werden kann, drängt sich intuitiv auf. Leitmotive wecken Assoziationen, und die sind intuitiv.

Dass Wagner als Komponist diese Assoziationen selbstverständlich bewusst eingesetzt hat, erschließt sich dem Partiturkundigen nicht nur intuitiv/assoziativ, sondern auch deklarativ. Aber wenn man schon am Analysieren ist, sollte man es nicht bei der musikalischen Analyse belassen, sondern sich mit Wagners ganz spezieller Form der Schopenhauer-Rezeption befassen (über die Schopenhauer selbst sich ziemlich geärgert hat).

Wagners Opus Grande hat nicht nur eine "Aussage", es sei denn, man begreift die Vielschichtigkeit von "Sündenfall", Gesetz und Gesetzesbruch, Hybris und Depression, Willensverzicht und daraus resultierende Erlösung als EINE Aussage. Die verwobenen Motive machen eine "einfache Quintessenz" (die "Moral auf der Geschicht´") m. E. unmöglich. Ich möchte hinzufügen: Das ist auch gut so. Darauf beruht m. E. die Unvergleichlichkeit dieses weltumspannenden Meisterwerks, das irgendwo weit jenseits von Gut und Böse angesiedelt ist.

Laut Stefan Mickisch erscheint das Erlösungs-Motiv zum Schluss in der Tonart Wotans um zu zeigen, dass Wotan eben doch nicht alles falsch gemacht hat und er seine Schöpfung letzten Endes zu einem positiven Ende gebracht hat.

Ehrlich? So interpretiert er das? Ich würde das als befreiende Überwindung (sozusagen als positive Negation) des "Walhall-Prinzips" auffassen.
 

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