Es reicht! Es reicht wirklich!

Du hast völlig recht. Das ist eine Unverschämtheit und Lieblosigkeit, die sich mit dem GD eigentlich gar nicht vereinbaren lässt.
Vor allem ist es ausgesprochen rücksichtslos: Die Gemeinde kann nämlich nicht wissen, unter welchen Voraussetzungen die an der Orgel sitzende Person ihren Dienst versieht. Oder möchte man zu Beginn des Gottesdienstes der versammelten Gemeinde von der Empore herab zu verstehen geben, dass man in der Folgezeit alles unvorbereitet vom Blatt spielen müsse? Eben. Denn eine der potenziellen Rückmeldungen könnte in der Gegenfrage bestehen, warum man eine solche Aufgabe dann nicht ablehne: Entweder angemessene Vorbereitungsmöglichkeiten oder eben kein Orgelspiel. Dass sich nebenamtlich tätige Dienstleister gegebenenfalls länger auf einen Dienst vorbereiten müssen, ist im Einzelfall nun mal Tatsache. Allerdings sind die hauptamtlich tätigen Verantwortlichen in den von mir vertretungsweise unterstützten Gemeinden nicht so dickfellig: Wer einige Tage vorher die Liednummern braucht, erhält rechtzeitig eine entsprechende Mitteilung und kann sich in angemessener Weise vorbereiten. Dass ich persönlich auch als nicht hauptamtlicher Kirchenmusiker ad hoc mitgeteilte Lieder sofort in adäquater Manier spielen kann, wissen die Pfarrer(innen) und verzichten deshalb auf eine Vorabinformation, die sie mir anfangs gegeben haben. Mit abgeschlossenem Klavier- und Kompositionsstudium plus Tätigkeit als Berufschorleiter nach instrumentalem Beginn auf der Orgel arbeite ich unter fast mit einem Hauptamtlichen vergleichbaren Bedingungen - ein allerdings eher seltener Einzelfall.

LG von Rheinkultur
 
Die Verweigerungshaltung geht in diesem Fall vom Pastor aus, der sich weigert, den Gottesdienst angemessen vorzubereiten.
Ein ähnliches Phänomen gibt es im Schuldienst, die sogenannte Schwellenpädagogik: Die Eingangstür des Schulgebäudes ist mit einer Schwelle versehen. Wird diese von der Lehrkraft überschritten, beginnt letztere mit der Überlegung, was man heute im Unterricht mal durchnehmen könnte.

Da erinnert man sich doch gerne an die Witzseite in der Abiturzeitung:
"Kennen Sie schon den kürzesten Witz? Oberstudienrat XY bereitet sich auf den Unterricht vor!!!"

LG von Rheinkultur
 
Das ist in der Tat unverschämt. Ich gehe bei den Stecktäfelchen davon aus, dass es sich um eine evangelische Kirche handelt. Möglicherweise gibt es in den Verordnungen der Landeskirche eine Vorschrift, wie die Liedauswahl (und auch wann) zu erfolgen hat.

Grüße
Axel
 
Ist das ein Unterscheidungskrierium? Echt? Beamer bei den Katholen, armselige Täfelchen bei den verhärmten Evangelen? Wär ja irre.
Halb so wild. In den katholischen Kirchengemeinden gibt es den Liedanzeiger, der durch den Organisten am Spieltisch bedient wird. Den gab es schon vor der Erfindung des Beamers - während die Protestanten die Liednummern von Hand stecken und von leeren Batterien und defekten Akkus unabhängig sind. Selbst erlebt: Man sitzt auf der Orgelbank, tippt beflissen und stellt fest, dass der Liedanzeiger nicht funktioniert. Geistesgegenwärtige Zelebranten sagen daraufhin die Liednummern an und verhindern das sonst zwangsläufige betretene Schweigen während des Gottesdienstes.

LG von Rheinkultur
 
Jetzt mal im Ernst: das ist echt so durchgängig unterschiedlich?????

Ich meinte auch den Liedanzeiger und nicht einen Beamer - wusste nur nicht, wie das Dingens heißt.
 
Nicht alle katholische Gemeinden haben einen Liedanzeiger, aber die meisten.
 
...aber KEINE evangelische?
 
Ob nun gar keine evangelische Kirche einen Liedanzeiger hat kann ich nicht sagen, weil ich noch in gar nicht so vielen evangelischen Kirchen war, weil es hier fast gar keine gibt, aber in den ev. Kirchen, in denen ich war, gab es nur Stecktafeln.
 
Ich gehe bei den Stecktäfelchen davon aus, dass es sich um eine evangelische Kirche handelt. Möglicherweise gibt es in den Verordnungen der Landeskirche eine Vorschrift, wie die Liedauswahl (und auch wann) zu erfolgen hat.
Liednummern per Stecktafel statt per Liedanzeiger bekannt zu geben ist in der evangelischen Kirche die übliche Praxis. Freilich sollte es im Interesse der Geistlichkeit sein, dass souverän und gut vorbereitete musikalische Abschnitte im Verlaufe des Gottesdienstes die Verkündigung von Gottes Wort unterstützen statt diese aufgrund zwangsläufiger Unzulänglichkeiten zu stören. Über die Regelung durch landeskirchliche Vorschriften hinaus sollte diese Tatsache im Interesse aller an der Gestaltung beteiligten Personen eigentlich selbstverständlich sein.

LG von Rheinkultur
 
Ob nun gar keine evangelische Kirche einen Liedanzeiger hat kann ich nicht sagen, weil ich noch in gar nicht so vielen evangelischen Kirchen war, weil es hier fast gar keine gibt, aber in den ev. Kirchen, in denen ich war, gab es nur Stecktafeln.
Ausnahmen gibt es entweder bei Aktivitäten im ökumenischen Bereich oder bei Besonderheiten im ländlichen Umfeld: Das einzige Kirchengebäude der eigenen Konfession am Ort steht nicht zur Verfügung und die Gemeinde der anderen Konfession stellt ersatzweise ihren Kirchenraum zur Verfügung nebst der dazugehörenden Ausstattung (zu der auch die Stecktafel respektive der Liedanzeiger zählen). Allerdings erfolgt dann meist die mündliche Bekanntgabe der vorgesehenen Liednummern vom Altar aus - in kleinerem Rahmen (Krankenhauskapelle oder Andachtsraum im Seniorenheim) tut man dies auch schon mal als Organist.

LG von Rheinkultur
 

Meine These dazu: Offenbar wollen die Katholiken die Zahl der Arbeitsunfälle von Küsterinnen und Küstern reduzieren, die beim Bestecken der Stecktafeln von der Leiter fallen. Der Protestant hingegen prüft bei diesem riskanten Manöver seine Teilhaftigkeit am göttlichen Segen.

Die profundesten Unterschiede zwischen den Konfessionen beziehen sich nicht auf Transsubstanziation, apostolische Sukzession und der kleineren oder größeren Fülle von Sakramenten - sondern in der Art der Liedfolgenanzeige. Das kann einfach nix werden, das mit der Ökumene!
schmoll.gif
 
Vermutlich sind das zwei ganz schlichte Gründe: Bei Evangelens ist der Sonntagsgottedienst DAS Event der Woche, in katholischen Kirchen fand früher jeden Tag eine Werktagsmesse statt. Da hätte man viele Täfelchen stecken müssen. Außerdem gibt es in der katholischen Liturgie Begleitgesänge zu liturgischen Handlungen. Wenn ich sehe, der Pfarrer schafft seine Gabenbereitung nicht in 2 Strophen, spiele ich halt noch eine und zeige die dann natürlich auch an.
 
Meine These dazu: Offenbar wollen die Katholiken die Zahl der Arbeitsunfälle von Küsterinnen und Küstern reduzieren, die beim Bestecken der Stecktafeln von der Leiter fallen. Der Protestant hingegen prüft bei diesem riskanten Manöver seine Teilhaftigkeit am göttlichen Segen.

Mag sein, daß derlei Lust am geistlichen Experiment die eigentliche hyponoia des Unterschieds ist. Sie verbindet sich dann aber mit einer viel platteren, letztlich pädagogischen Ursache. Im evangelischen Gottesdienst benötigte man ja keine Ministranten zum Bimmeln und Räuchern mehr, wollte aber andererseits möglichst viel Kinder in den "Dienst der Kirche" einbeziehen. Und das geschah unter anderem durch Läuten (solange es noch kein elektrisches Geläute gab), Aufstellen der Sammelbüchsen an den Eingangstüren, Entzünden der Kerzen auf dem Altar und eben das Aufstecken der Lieder. In meiner Kindheit ging das so, daß der Meßner die Liednummern beim Pfarrer holte, an den "Läutmeister" ( den ältesten der Läutbuben) übergab, und der in der Kirchenmitte stehend seinen an den Liedertafeln im Kirchenschiff und auf den Emporen werkelnden Untergebenen die Nummern lauthals weitergab. Und den, der etwas Falsches aufsteckte, gleich abwatschte. Ich hab das in meiner Jugend auch gemacht, und zwar gerne, besonders das Abwatschen ex officio ;).

Also, daß Liednummern nicht mehr aufgesteckt, sondern projeziert werden, ist eine der Gründe, daß ich nicht mehr gerne in die Kirche gehe. Es ist, wie wenn man die Pfeifenorgel durch ein Digi ersetzen würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich verlange ja gar nicht 2 Wochen im voraus Liedpläne für GDs zu bekommen, das geht dann doch irgendwo zu weit.
In der Evangelischen Kirche im Rheinland existiert seit ca. einem Jahr eine Dienstvereinbarung, dass der Liedplan 3 Tage vor dem Gottesdienste bekannt gegeben werden muss, diese Dienstvereinarung ist selbstverständlich auch für die Pfarrer und Pfarrerinnen verbindlich.
ich weiss ja nicht, in welcher Landeskirche du musikalisch unterwegs bist, aber ein Weg wäre wohl, Dein Kreiskantorat anzusprechen, solch eine Dienstvereinbarung zu Wege zu bringen oder, falls Du im Rheinland tätig bist, sie umzusetzten.
Der evangelische Gottesdienst bietet zudem die Möglichkeit, dem Gemeindegesang ein Choralvorspiel voranzustellen. Das ist musikalisch interessant und anerkanntermaßen dem Gemeindegesang förderlich. Will allerdings vorbereitet sein und das bedeutet Arbeitszeit, die man als Nebenamtler eben auch erst einmal freischaufeln muss.
Ich persönlich bekomme meine Lieder Freitag morgen, das reicht aus, ist aber zeitlich durchaus knapp bemessen.
 
..auch wenn das in der katholischen Kirche, wie von Euch beschrieben, deutlich einfacher ist, da der KM den Plan selbst schreibt und vom Zelebranten in der Sakristei nur absegnen läßt, kommt es ja auch hier immer mal wieder zu einem solchen Fall. Beispiel: Ein selbstbewußter Vertreter feiert die Messe und will ein auch der Gemeinde völlig unbekanntes Lied. Was tun? Der Verweis, dass die Leute das Lied nicht kennen, wird beantwortet mit :" Dannlernensetebenkennen". Was tun, wenn es nicht in den gebräuchlichen Tonarten steht?
Quasi erstmal nur mit der Grundkadenz begleiten. Während der 2. Strofe fallen Dir dann auch noch zumindest ein paar nette Nebendreiklänge ein. Einen anständigen Satz kann man sich hinterher immer noch überlegen, Hauptsache durch...;-) Und: das kann man ja auch üben mit fremden Liedern, angefangen bei der Grundbegleitung mit den 3 Hauptfunktionen T-S-D. Viele Rockmusiker können auf der Gitarre zeitlebens nicht mehr...
Gruß!
 
Ein selbstbewußter Vertreter feiert die Messe und will ein auch der Gemeinde völlig unbekanntes Lied. Was tun? Der Verweis, dass die Leute das Lied nicht kennen, wird beantwortet mit :" Dannlernensetebenkennen".
Öfters erlebt bei Orgelvertretungen in evangelischen Kirchengemeinden: Vorgegeben ist ein Monatslied und der Monat hat gerade erst angefangen. Pfarrer(in) verrät mir, dass das Lied der versammelten Gemeinde nicht vertraut oder sogar völlig unbekannt ist. In gemeinsamer Abstimmung einigt man sich auf ein längeres Orgelvorspiel mit integrierter erstmaliger Wiedergabe des gesamten Liedes (Melodie herausgehoben und einfach harmonisiert). Eine unserer Pfarrerinnen wollte vor der Entscheidung für den Priesterberuf eigentlich professionelle Popsängerin werden und hat kein Problem damit, das Lied zunächst solistisch vorzustellen. Wenn die Gemeinde beim Einstimmen offensichtlich gut zurechtkommt, kann man als Organist ja die folgenden Strophen etwas abwechslungsreicher harmonisieren. Auch sonst ist es nicht unüblich, dass die sangesfreudigen Naturen ihre Stimmen erheben und die anderen sich eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten "dranhängen".

Es ist verständlich, dass man sich als "Nebenberufler" bei so viel Spontanität nicht immer wohlfühlt. Da mehrere Tage vor dem Gottesdienst aber klar sein sollte, wer an der Orgel sitzen wird, sollte eine rechtzeitige Abstimmung der beteiligten Personen untereinander im Grunde kein Problem sein, oder? Dann kann man in jedem Falle die Vermittlung eines wenig bekannten Liedes angemessen vorbereiten. So viel Zeit muss sein.

LG von Rheinkultur
 

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