Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?

Die Schwierigkeit ist es, wenn man dasselbe Programm oft spielt, dass die Interpretation nicht mehr frisch ist / klingt.
Grigory Sokolov spielt in jeder Saison nur ein einziges Programm. Und es ist jedesmal magisch. Auch Carlos Kleiber hat in seinen letzten 10 Jahren nur noch eine Handvoll Stücke dirigiert - und jedes der Konzerte war ein singuläres Ereignis. Ob eine Interpretation frisch klingt, ist nicht davon abhängig, wie oft ein Programm aufgeführt wird.

Erstaunlicherweise sind (bzw. waren) sowohl Sokolov als auch Kleiber Musiker, die sich über jede ihrer Noten hundertfach Gedanken gemacht haben, bevor sie damit an die Öffentlichkeit getreten sind. Dasselbe gilt auch für Christian Thielemann und Kirill Petrenko - die überlassen nichts dem Zufall; jedes kleinste Detail ist intellektuell durchdrungen und zigfach überlegt. Und jedes ihrer Konzerte ruft restlose Begeisterung hervor. Komisch, das.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstaunlicherweise sind (bzw. waren) sowohl Sokolov als auch Kleiber Musiker, die sich über jede ihrer Noten hundertfach Gedanken gemacht haben, bevor sie damit an die Öffentlich treten. Dasselbe gilt auch für Christian Thielemann und Kirill Petrenko - die überlassen nichts dem Zufall; jedes kleinste Detail ist intellektuell durchdrungen und zigfach überlegt.

Ja, erstaunlich. Vermutlich verstehen die davon recht wenig, wenn die das nötig haben. So noch nicht dahingeschieden, sollten sie mal einen Meisterkurs bei dreiklang belegen. Der wird ihnen das schon (erst langsam, dann immer schneller werdend) abgewöhnen und aus ihnen echte Interpreten mit Herz machen. :011:
 
Lieber Dreiklang,

wer Musiker wird und dann auch noch so erfolgreich ist wie Sokolov, Petrenko etc., der liebt Musik mit Haut und Haar, mit Leib und Seele. Musik füllt das Leben aus, Emotion und Leidenschaft sind im Überfluss vorhanden, sonst würde man diesen Beruf gar nicht durchstehen.

Was anfangs bei aller Begabung und Leidenschaft noch nicht vorhanden ist, ist Wissen. Im Laufe der Jahre wird sich Wissen angeeignet und sowohl dem Interpreten wie dem geneigten Hörer wird das Glück zuteil, dass das daraus folgende tiefe Verständnis und das intensivere Hören die transportierten und gefühlten Emotionen in hohem Maß beeinflussen - sie werden tiefer, reichhaltiger und intensiver.

Ich hatte in diesem Faden bereits Brendel zitiert:"„Beides ist wichtig, eine Kombination aus beidem. Ich würde sagen, es beginnt mit dem Gefühl und endet mit dem Gefühl. Der Verstand aber, der Intellekt, ist dazu da, das Gefühl zu filtern, er ermöglicht das Kunstwerk erst. Also der Intellekt verwandelt das Chaos in Ordnung. Es sollte aber immer etwas Chaos durch die Ordnung schimmern, wie Novalis gesagt hat.“

Ist nicht damit alles gesagt?

Liebe Grüße

chiarina
 
Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?

@mick @frosch @agraffentoni

Wollt ihr Sokolov, Thielemann, Petrenko usw. wirklich absprechen, dass sie spielen "wie sie wollen"?

Also hat doch @Dreiklang gemäß seinem Faden-Titel zu 100 % recht (zumindest für diese Interpreten (sic!))!:005::005::005:
Für mich muss ich leider:016: konstatieren, daß ich noch lange nicht (sicher nie:cry2:) so spielen kann,
wie ich eigentlich will.:cry::cry2::-D:lol:
 
Es kann sich sehr lohnen, sich Musik von der richtigen Seite aus zu nähern, und sie nach den richtigen Kriterien beurteilen zu lernen, und nicht nach den falschen.

Das stimmt erst einmal. Aber die Frage ist: wer weiß, was die richtige Seite ist?

Es gibt immer mal wieder begnadete Hobbymathematiker, aber die allermeisten Entdeckungen wurden von Profis gemacht, die wissen, was sie tun. Und immer noch gibt es Leute, die versuchen die Quadratur des Kreises. Ja, ein 'Profi' (Lindemann, 1882) hat bewiesen, dass das nicht geht, aber die Suche geht weiter. Würden die Amateure doch mal auf die Profis hören ...

Grüße
Häretiker
 

Übrigens sei das Buch "Interpretieren. Vom Text zum Klang" von Gerhard Mantel wärmstens empfohlen, denn er beschäftigt sich u. a. mit dieser Frage, die bei Dreiklang herrscht - ist die Musik zu "verkopft", wenn man um die musikalischen Zusammenhänge weiß, etc.
Und die Antwort ist übrigens ... nein, ist sie nicht ;)
 
die überlassen nichts dem Zufall; jedes kleinste Detail ist intellektuell durchdrungen und zigfach überlegt. Und jedes ihrer Konzerte ruft restlose Begeisterung hervor. Komisch, das.
Jaein und Ja und Nein. Deine Genannten sind absolute Meister ihres Faches und die Konzerte sind weltklasse. Das ist keine Frage. Ich würde ihre Arbeitsweise aber nicht als das einzig Mögliche und das Maß aller Dinge beschreiben. Denn es gibt noch ein anderes, sehr, sehr hohes Gut in der Musik, und das ist das spontane (in manchen Kunstrichtungen sogar zufällige) Ergebnis, das aus der Situation heraus entsteht.
Ich will damit nicht sagen, dass schlampig gearbeitet werden soll, sondern dass auf einer sehr genau gearbeiteten Grundlage noch eine Möglichkeit für kreative Entfaltung gegeben sein kann. Nun will ich auch nicht sagen, dass Sokolovs Spiel unkreativ sei, aber man hört doch, dass es sehr genau geplant ist. Dieses Planvolle schafft Sicherheit und Perfektion. Unter manchen Händen aber kann das "Magische" eines Moments vielleicht nicht entstehen und weicht einer bewundernswerten Akkuratesse.
 
Und immer noch gibt es Leute, die versuchen die Quadratur des Kreises. Ja, ein 'Profi' (Lindemann, 1882) hat bewiesen, dass das nicht geht, aber die Suche geht weiter. Würden die Amateure doch mal auf die Profis hören ...

Das hat einen ganz einfachen Grund:
Der Beweis von Lindemann und andere spätere Beweise, dass pi eine transzendente Zahl ist ist recht kompliziert, der Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und der Quadratur des Kreises ist auch nicht sofort für Laien zu durchschauen und weil für viele alles, was sie nicht verstehen fake-news sind, basteln bis heute Amateure an kompliziertesten Konstruktionen mit Zirkel und Lineal herum.
 
Deine Genannten sind absolute Meister ihres Faches und die Konzerte sind weltklasse. Das ist keine Frage. Ich würde ihre Arbeitsweise aber nicht als das einzig Mögliche und das Maß aller Dinge beschreiben. Denn es gibt noch ein anderes, sehr, sehr hohes Gut in der Musik, und das ist das spontane (in manchen Kunstrichtungen sogar zufällige) Ergebnis, das aus der Situation heraus entsteht.

Ich glaube, dass ohne intellektuelle Beschäftigung und ohne Spontanität kein erstklassiges Konzert möglich ist. Spontanität ist eine wichtige Zutat und es kann ja auch gar nicht anders gehen: Musik wird aus dem Moment heraus erschaffen und wir Interpreten sind keine Computer und spielen nicht immer gleich. Also müssen wir reagieren. Wenn wir eine Stelle etwas leiser spielen als geplant, hat das Auswirkungen auf das, was danach kommt. Wir spielen außerdem in einem anderen Raum, auf einem anderen Instrument - all das wirkt sich aus (Pedalisierung, Klangfülle....) und erfordert eine gewisse Flexibilität.

Deshalb spricht Brendel auch davon, dass am Anfang und am Ende das Gefühl steht. Gefühl und intellektuelle Auseinandersetzung kann man sowieso nicht trennen, aber wenn man das Stück dann dem aktuellen Stand gemäß verstanden hat, es quasi "verinnerlicht" hat, steht dann die Intuition und das Spielen aus dem Bauch heraus.

"Deshalb belächelt Brendel, der Skeptiker, auch den Werbeslogan vom "Philosophen", weil er sich durch ihn auf eine intellektuelle Verkopftheit festgelegt fühlt, die seinem - trotz aller Denkarbeit - spontanen Spielimpuls widerspricht."(https://www.zeit.de/2001/02/Der_Nachdenker/komplettansicht)

"Treffend nannte Pierre Boulez die Spontaneität, zu welcher Brendel nach der gedanklichen Durchdringung der Werke fand, eine Naivität höheren Grades." (https://www.nmz.de/online/eine-naiv...-hommage-alfred-brendel-im-konzerthaus-berlin)

Liebe Grüße

chiarina
 

Zurück
Top Bottom