Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?

Grigory Sokolov spielt in jeder Saison nur ein einziges Programm. Und es ist jedesmal magisch.
Aber vielleicht auch nicht "magisch" genug? Sokolov kommt aus Europa nicht heraus, Kissin übrigens ebenso nicht (siehe Konzertpläne). Um einen Lang Lang (größter Pianist der Gegenwart, und Legendenpotenzial) oder eine Yuja Wang reissen sich aber offenbar die Häuser und Menschen auf der ganzen Welt.
Erstaunlicherweise sind (bzw. waren) sowohl Sokolov als auch Kleiber Musiker, die sich über jede ihrer Noten hundertfach Gedanken gemacht haben, bevor sie damit an die Öffentlichkeit getreten sind.
Kein berühmter Musiker hat sich nicht für jede Note, und jeden Zusammenklang, überlegt, wie er gestaltet sein soll... ob nun hundertmal, oder nicht, das weiss ich nicht, interessiert aber auch nicht wirklich.

Dazu kann man, wenn man will, auch noch anmerken, dass Musiker, die ihr Instrument besser beherrschen als andere (und das gibt es auch auf Weltklasseebene heute) auch mehr musikalische Ideen entwerfen, und ausdrücken können. Etwa Stimmen hervortreten lassen, musikalische Kontraste ausdrücken, Sinneinheiten gewichten usw.. Lang Lang etwa kann, und macht das. Aber ohne dessen überragende Fähigkeiten hinsichtlich Anschlag, Dynamikkontrolle, Artikulation usw. funktioniert so etwas eben teilweise nicht.
 
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: die haben in Europa genug zu tun und können sich die ganze nervige Reiserei sparen. Sokolov konzertiert nicht mal in GB, weil er keinen Bock hat, für sein Visum persönlich anstehen zu müssen.
Er könnte es ja wie DK machen und gar nicht erst in ein Konzerthaus gehen. Das wäre mal spannend....:008:
 
Lieber Dreiklang,

wer Musiker wird und dann auch noch so erfolgreich ist wie Sokolov, Petrenko etc., der liebt Musik mit Haut und Haar, mit Leib und Seele. Musik füllt das Leben aus, Emotion und Leidenschaft sind im Überfluss vorhanden, sonst würde man diesen Beruf gar nicht durchstehen.

Was anfangs bei aller Begabung und Leidenschaft noch nicht vorhanden ist, ist Wissen. Im Laufe der Jahre wird sich Wissen angeeignet und sowohl dem Interpreten wie dem geneigten Hörer wird das Glück zuteil, dass das daraus folgende tiefe Verständnis und das intensivere Hören die transportierten und gefühlten Emotionen in hohem Maß beeinflussen - sie werden tiefer, reichhaltiger und intensiver.

Ich hatte in diesem Faden bereits Brendel zitiert:"„Beides ist wichtig, eine Kombination aus beidem. Ich würde sagen, es beginnt mit dem Gefühl und endet mit dem Gefühl. Der Verstand aber, der Intellekt, ist dazu da, das Gefühl zu filtern, er ermöglicht das Kunstwerk erst. Also der Intellekt verwandelt das Chaos in Ordnung. Es sollte aber immer etwas Chaos durch die Ordnung schimmern, wie Novalis gesagt hat.“

Ist nicht damit alles gesagt?

Liebe Grüße

chiarina
Ja, vielleicht ist damit alles gesagt... hiermit allerdings auch:
("Geschick, Gefühl und Gespür für gute musikalische Gestaltung")
nur mit etwas weniger Worten... dass man als Horowitz oder Lang Lang geboren wird, habe ich nie behauptet. ;-)
 
:021:Sagt mal, steht ihr eigentlich alle Gewehr bei Fuss, damit ihr alle da seid, wenn ich mal wieder einen Beitrag schreibe?

Muss mich im Moment da zeitlich sowieso etwas zurücknehmen. :009:
 

Die vier Chopin Balladen mit Lang Lang, die ich vor einiger Zeit im Fernsehen 'genoß' sind nicht haarscharf sondern kilometerweit am guten Geschmack vorbei!
Der größte Unsinn, den ich je gehört habe... bei Lang Lang weiss man wenigstens, dass er einen Konzertflügel par exzellence anfassen kann, und in musikalischer Hinsicht ebenfalls keine Böcke schiessen wird. Das ist schon mehr, als man heutzutage erwarten kann.

(Ps. aber einen zweiten Lang Lang Faden brauchen wir sicher nicht)
 
Nun @Alter Tastendrücker, da hast Du das dich vernichtende höchstinstanzliche Urteil. Ich fürchte mit dir ist's vorbei. Allenfalls entrinnst du dem siebten Kreis der Hölle, wenn du in den nächsten 100 Jahren täglich vor einem rosenbekränzten LL - Photo 10mal die Proskynese machst. Unter des Richters grimmigem Auge, versteht sich.
 
Und abschliessend zur Fadenfrage:

"Heißt Interpretieren - "Spielen wie man will"?"


Nein, heisst es nicht. a) dürfen keine besonderen technischen Mängel im Spiel erkennbar sein. b) sollte die musikalische Gestaltung einen erkennbaren Sinn ergeben.

Aber mehr ist hierbei nicht notwendig.

Und ob a) oder b) zufriedenstellend in der Praxis erreicht worden ist, darüber entscheiden im Einzelfall dann die Leute, die sich damit auskennen.

That's it. :026:
 

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