Hoffnung
Am Dienstag startete also der nächste Versuch. Trotz aller vorherigen Erlebnisse versuchte ich, positiv an die Sache heranzugehen. Diesmal war ich bei einer kroatischen Konzertpianisten, die erst seit kurzem in Österreich lebt. Das besondere für mich an der Sache war, dass sie genau drei Tage älter ist als ich und ich noch nie von jemandem so jungen unterrichtet wurde. Was das Klavierspielen betrifft ist sie mir natürlich Jahrzehnte voraus und daher war das Alter letztendlich unerheblich.
Nach kurzer Begrüßung ging es dann ans Klavier. Mein Herz ging auf, als dort Beethovens siebente Sonate aufgeschlagen war. Sie erzählte mit Begeisterung, dass sie diese gerade spiele und legte die Noten zur Seite. Diesmal habe ich einen ganzen Haufen von Noten dabei gehabt von Stücken, die ich bereits spiele oder in Zukunft einmal spielen möchte. Da ihr Deutsch noch nicht das beste ist, wenn auch bereits erstaunlich gut, haben wir uns darauf geeinigt, den Unterricht in Englisch zu halten, was mir nichts ausgemacht hat. So kann sie mir viele Dinge leichter erklären. Sie gibt mir ein paar meiner mitgebrachten Stücke zum spielen, darunter zwei leichte Menuette von Bach und „Von fremden Ländern“. Sie erklärt mir, auf welche Stellen zu achten sind und korrigiert ein paar Kleinigkeiten. Sie verliert kein Wort über „hohe Finger“ oder ähnliches. Stattdessen weißt sie darauf hin wie wichtig es ist, das Daumen und Handgelenk beweglich sind. „Everything has to be natural!“, sagt sie. Sie erzählt mir auch, wie viel Klavierspieler von den Sängern lernen kann. Das bringt mich zum Schmunzeln, weil ich ans Forum denken muss. Dann entdeckt sie das Nocturne unter meien Noten, legt es mir mit voller Vorfreude hin und bitte mich, es zu spielen. Als ich fertig bin hört sie nicht mehr auf zu reden und Dinge zu erklären, die ich anders machen müsste. Ich fühle mich wie ein Schwamm, der in einen Ozean geworfen wurde. Ich bitte sie, mir die eine oder andere Sache genauer zu erklären und zu zeigen. Sie sucht sich einige Stellen heraus, setzt sich neben mich und spielt sie mir eine Oktave höher vor. Ich spiele sie nach, sie korrigiert und verbessert unaufhörlich was mir wirklich großen Spaß macht und ich viele Dinge erkenne, die ich vorher nicht sah. In Takt 26 kommt eine sehr schnelle Figur in der rechten Hand. Sie zeigt mir, wie diese korrekt zu spielen und zu üben ist und gibt sie mir als Hausaufgabe auf. Ab Takt 33 beginnt eine Passage mit 16tel- Figuren in der linken Hand. Von diesen sechs Takten gibt sie mir die „linke Hand“ als Hausaufgabe auf, da sie mit ihr nicht zufrieden ist. Die rechte interessiert sie hier nicht, sagt sie. Sie erklärt mir, dass alles „musikalisch“ zu üben ist. Von Technikübungen außerhalb eines Stückes hält sie nichts.:kuss:
Dann kommen wir zu den 32 Variationen. Ich erkläre ihr, dass ich das Stück bislang noch gar nicht angeschaut habe und lediglich das Thema ein bisschen geklimpert habe, da ich das Stück von Beginn an mit Lehrer lernen wollte. Daraufhin setzt sie sich vor das Klavier und spielt mir Thema und die ersten drei Variationen vor. Mir ist bewusst, das dies für Konzertpianisten keine so schwere Aufgabe ist, trotzdem macht es mich sprachlos, mit welcher Kraft, Tempo und Ausdruck sie das Stück spielt. Als ich wieder vor dem Klavier sitze weiß ich nicht, wo ich anfangen soll und bitte sie mir zu erklären, wie man beim lernen eines solchen Stückes am besten vorgeht. Die 60 Minuten sind hier übrigens schon vorbei.
Bei den ersten beiden Variationen gibt sie mir die Anweisung zuerst die Hand zu lernen, die sich in 16teln-Arpeggios bewegt. Ich soll die Arpeggios zunächst legato und sehr langsam spielen, bis der Fingersatz klar ist und dabei vor allem auf Daumen und Handgelenk achten. Danach spiele ich sie staccato, aber immer noch langsam. Hier endete dann die Unterrichtsstunde. Sie gibt mir als Hausaufgabe die ersten beiden Variationen auf und parallel dazu, die dritte Etüde aus op.299 von Czerny:(, was nicht gerade Begeisterung in mir hervorruft, aber ich werde es überleben. Wir unterhalten uns noch etwas über Beethovens Sonaten und sie spielt mir den zweiten Satz der siebten Sonate in Teilen vor. Ich erzähle ihr, welches meine Lieblingssonaten sind und sie schlägt jede mit Begeisterung auf und spielt sie an. Ich hätte ihr noch stundenlang zuhören können, muss dann aber zum Tanzunterricht. Da hab ich dann festgestellt, dass ich geistig so erschöpft war, dass ich kaum einen richtigen Schritt hinbekommen habe zum Leidwesen meiner Frau.:D
Auf jeden Fall habe ich endlich ein positives Unterrichtserlebnis gehabt und werde auch weiteren Unterricht bei ihr nehmen. Einen kleinen Harken hat die Sache leider, nämlich das Unterrichtsinstrument. Ein „Essex“ mit leicht verstimmten Saiten und insgesamt nicht im Optimalzustand. Darüber werde ich aber vorerst hinwegsehen. Des Weiteren beginne ich mich zu fragen, wie gut man eigentlich werden kann mit der Zeit von 30-60 Minuten, die ich am Tag für das Üben aufbringen kann. Zu meinen Lieblingsstücken wird es wohl nie reichen. Ich kann letztendlich nur versuchen, diese beschränkte Zeit so effektiv wie möglich zu nutzen und die dafür nötigen Methoden zu erlernen.
Es grüßt euch ein hoffnungsvoller Troubadix!:)