Wenn Du solche Orgeln wirklich kennst,
Bei
@agraffentoni kannst Du davon ausgehen, daß er sehr genau weiß, wovon er schreibt.
Naja, wer spielt Bares? Da gibt es ja Unmengen an (auch verlegten) Noten.
Wir sprachen eigentlich von orgelbaulichen Ideen, nicht von Kompositionen. Allerdings hat Bares nicht nur komponiert, sondern auch improvisiert, und er hat andere zum Komponieren und Improvisieren angeregt. Insofern könnte man sagen, daß er auch auf diesem Gebiet "Schule gemacht" hat.
Der Vergleich mit Bornefelds ist eh größenmäßig schief.
Was genau vergleichst Du jetzt?
Wenn Gemeindelieder übrigens mal etwas "ausgefallener" werden, wie zB die Melodien von Manfred Schlenker, werden sie entweder nicht kapiert (Organist) oder nicht angenommen (Gemeinde).
Ersteres sollte nicht vorkommen, kommt in unserer unvollkommenen Welt aber natürlich vor.
Zweiteres hat meist seinen guten Grund. Eine Gemeinde ist kein Chor, mit dem man schwierige Stellen so lange proben kann, bis sie sitzen. Man kann die Melodie vorspielen, vorsingen, nachsingen lassen, mit vokal-instrumentaler Unterstützung, dann nur mit instrumentaler Unterstützung, und dann läuft die Melodie - oder sie läuft eben nicht. Und eine funktional-harmonische Unterstützung ist halt sehr hilfreich beim Lernen der Melodie, eine harmonisch kühne Begleitung ist zunächst mal eher verwirrend und kontraproduktiv. Wenn die Melodie dann richtig sitzt, läuft sie auch mit gewagterer Harmonisierung.
Wenn die Melodie aber trotz professioneller Begleitung auch beim x-ten Versuch nicht funktioniert, dann ist der Gemeinde kein Vorwurf zu machen, sondern dann hat eben der Komponist "nicht kapiert", wie Gemeindegesang funktioniert.
Solche Melodien schaffen es gleichwohl immer wieder in die Gesangbücher (oft aus theologischen Erwägungen, weil man den Text so gern drin haben möchte), in der nächsten Gesangbuch-Generation sind sie dann wieder draußen.
These: die Welt wird immer komplizierter, der musikalische Geschmack immer einfacher und retardierter.
Gegenthese: Der musikalische Geschmack der großen Masse ändert sich nur graduell; die Avantgarde hat sich halt in den letzten 150 Jahren in großen Schritten sehr weit von diesem Geschmack entfernt.
Und was Bornefeld vor 70 Jahren an Avantgardistischem ausprobiert hat, ist für den musikalischen Normalverbraucher nervtötend, für den heutigen Avantgarde-Freak dagegen piefig und dröge.
... und eine Mixtur wird m.E. mehr von dem 4' als dem 8' getragen.
Dann klingt es halt eine Oktave höher.
Bornefeld war ja der Meinung, daß "die Prinzipalkraft einer Orgel viel eher von den Mixturen als von den Einzelreihen abhängt", deshalb sind die Grundreihen oft so unterbelichtet. Dieser Ideologie folgend glaubte er, im Murrhardter Hauptwerk "zwar etwas mildere Prinzipale, dafür aber eine desto dichtere Mixtur" disponieren zu können, zur Verzweiflung der Orgelbauer, die das dann bauen mußten.
Gerhard Walcker-Mayer schrieb rückblickend (damals stand die Orgel noch):
Das Instrument wurde von mir nach meiner Meisterprüfung als erstes größeres Instrument installiert. Dabei werde ich die Zusammenarbeit mit dem „umstrittenen“ Bornefeld nicht so schnell vergessen. [...]
In musikalischen Dingen jedoch, Disposition, Intonation konnte man eine Versessenheit bei ihm antreffen, die zur Borniertheit ausarten konnte. [...]
Am Klang dieser Orgel kann man sich überzeugen, dass Bornefeld einfach „Unrecht“ hatte: Im Hauptwerk fehlt ein anständiger Prinzipal 4’ und die kleinchörigen Aliquoten kann man heute nicht mehr hören. Dennoch ein historisch interessantes Werk [...]
Walcker Orgelbau
walcker.com
An barocken Dispositionen/der Nachahmung dieser waren die auch überhaupt nicht interessiert, das wird nur oft fälschlich unterstellt.
Vollkommen richtig, ich habe derlei auch nicht unterstellt. Trotzdem galten die (vom norddeutschen Barock abgeleiteten) "klassischen Orgelbauprinzipien" als unhinterfragbares Dogma, auch für Bornefeld. Und Du kannst ja mal Dispositionen wie Murrhardt oder Schorndorf und Schnitger-Dispositionen mit Hauptwerk, Rückpositiv, Brustwerk nebeneinanderhalten, dann siehst Du schnell, daß das Grundprinzip abgekupfert ist; die "kreative" Abwandlung besteht daraus, daß zugunsten überflüssigen Obertongeklingels an der Substanz gespart wird.
(Das ist jetzt vielleicht hart ausgedrückt - ich persönlich finde die Klänge, die man mit Nonenkornett und Unruh erzeugen kann, sehr reizvoll, aber wir wollen hier ja nicht Geschmacksfragen erörtern, sondern uns an Tatsachen halten, oder?)
Dass "wir" heute kompositorisch Besseres zu bieten hätten, kann ich auch nicht sehen.
Ich habe mal die Aufzeichnung eines Konzerts aus der Kunststation St. Peter gehört, da waren tolle Sachen dabei. Im Gegensatz dazu erinnere ich mich an ein Konzert, wo nur Bornefeld dargeboten wurde, das war tadellos musiziert, aber es hat mich nichts vom Hocker gerissen. Ist aber natürlich auch Geschmackssache.