Für mich als Laien ist ein Lehrer, der "Klavier unterrichten" studiert hat und hinterher unterrichtet, jemand von dem man erwarten darf, dass er sich in allen Musikstilen beheimatet fühlt. Er muss aus mir keinen Art Tatum machen oder selbst so spielen können wie Monty Alexander, aber er sollte mir die Grundbegriffe zu meiner eigenen Befriedigung beibringen können - darauf läuft es hinaus, und davon sind wir noch weit entfernt in der wie ich es Eingangs beschrieb eindeutig von Klassikern beherrschten Szene. Genau das sagst du nun auch aus mit dem Vergleich Provinz und Großstadt. Ich bin sicher, dass die Großstadtindianer auch Bleichgesichter sind :D ähm - dass dort auch ein Überhang an Lehrern herrscht, die nichts anderes als klassisches Klavier bzw. ernste Musik unterrichten können. Und ich bezweifle ein weiteres mal, dass dies in Amerika durch deren Ausbildungsstruktur so ist.
LG
Michael
Lieber Michael,
du sprichst schon etwas Wahres an. Mittlerweile haben sich die Türen aller Sparten schon ein wenig geöffnet, aber meines Wissens ist das klassische Studium an Musikhochschulen noch weit davon entfernt, auch andere Sparten wie Jazz, Blues zu beherrschen.
Ich bin auch dafür, dass man die Grundbegriffe lernt, z.B. zumindest ein Fach belegen muss, was in diese Musikrichtungen nicht nur hineinschnuppert, es kann aber sein, dass dies im Fach Improvisation bereits so gehandhabt wird (Stilblüte???? :p ).
Etwas ganz anderes ist es aber, dann als Klassiker Jazz etc. auch zu
unterrichten.
Einmal, so muss ich wirklich sagen, bewegt sich das Interesse deutschlandweit (man möge mich korrigieren) an Jazz etwa auf dem klassischen Level (ca. 5% der Gesamtbevölkerung?) - keiner meiner Schüler hört selbst Jazz oder interessiert sich dafür. Was sie mögen, ist ausnotierte jazzige Literatur z.B. von Norton u.a., von denen es auch gerade im vier- und mehrhändigen Bereich sehr viele und schöne Sachen gibt. Eher ist Filmmusik oder Rock/Pop beliebt, allerdings liegt definitiv mein Schwerpunkt im klassischen Bereich, das andere läuft eher nebenher oder ist vorübergehend Schwerpunkt (Pubertät....).
Weiter bin ich in Jazzimprovisation eine Niete, weil ich keine Ahnung und es auch nie gelernt habe. Ergo kann ich es auch meinen Schülern nicht beibringen. Da ich Blues aber sehr mag, möchte ich das irgendwann einmal lernen. Im Moment setze ich aber noch andere Prioritäten.
Zum dritten muss man, um wirklich sehr gut in etwas zu sein, dafür viel Zeit, Liebe und Energie aufwenden. Wenn ich also Jazz oder Blues lernen wollte, würde ich das nur bei ganz hervorragenden Leuten tun, die es wirklich können! Keinesfalls würde ich das bei jemandem machen, der nur irgendwelche Grundbegriffe des Jazz gelernt hat. Wenn ich etwas wirklich lernen will, sollte ich das bei den Besten machen!!!
Deshalb würde ich mir nie und nimmer anmaßen, auch nur Grundbegriffe des Jazz zu unterrichten, wenn ich mich nicht mein halbes Leben damit beschäftigt hätte! Wenn sich ein Schüler wirklich für Jazz interessieren würde, würde ich ihn an einen Lehrer verweisen, der von Anfang an ihm das nötige Feeling und alles, was dazu gehört, vermitteln kann.
Man mag mich für perfektionistisch halten, aber ich werde nie qualifizierten Jazzunterricht geben können, wenn ich mal einen Kurs darüber im Studium gehabt habe. Ich habe mich mal an einer Musikschule beworben: weil ich mehrere Instrumente gespielt und einen Kinderchor geleitet u.a. habe, wollten die, dass ich Blockflötenunterricht gebe. Ich hatte doch gar keine Ausbildung, auch wenn ich mal ganz gut gespielt habe! So etwas ist nicht mein Ding! Also Ablehnung!
Es ist toll, wenn jemand wie pppetc beides kann, Klassik und Jazz.... . das ist aber selten. In Köln an der MHS kann man auch Jazz studieren und die Jazzer sagten immer zu uns, dass sie keine Beethoven-Sonate ordentlich hinkriegen würden, also im klassischen Bereich viel zu schlecht ausgebildet seien. Wie umgekehrt wir eben auch keinen Jazz spielen können. Auch Gulda wurde von Jazzern immer wieder kritisiert, weil er zu klassisch spielen würde. Ich kann es nicht beurteilen, aber vielleicht ist es wirklich schwierig, in beidem auf hohem Niveau zu spielen. Oder? Was denkt ihr?
Weißt du; Michael, ich kann schon Leuten die Bluestonleiter und das Bluesschema erklären, ich habe auch einige Literatur (Richards....) hier bei mir. Das heißt aber noch keineswegs, dass ich Jazz und Blues
verstanden habe, fühlen kann, grooven kann. Beileibe nicht! :p Die armen Schüler, die das dann bei mir lernen müssten! :D
Aber es besteht Hoffnung! Und grundsätzlich bin ich absolut für eine Öffnung in alle Musikrichtungen!!! Da gebe ich dir absolut Recht. Aber das dann zu unterrichten, ist eine andere Sache!
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Konkurrenzdenken oder Überheblichkeit kenne ich gar nicht! Im Gegenteil!