Das schwerste Klavierstück

Am 24.10.07 spielt meine Mutter im Koppe Saal in Eutin, kannst du gerne hinfahren und zuhören.
Das Programm ist:

d-dur toccata von Bach
Mozart Klaviersonate in G-dur (glaube KV 287)
rondo a capriccioso von Mendelssohn

Pause
24 Preludes von chopin

Zugaben wahrscheinlich

Das sind etwas mehr als 15 Seiten und natürlich alles auswendig und ohne Noten

Ich finde das wahnsinnig beachtlich, dass deine Mutter in ihrem hohen Alter alles noch so auswendig hinbekommt. Es sind offensichtlich manche Künstler gesegnet mit dieser so lang andauerenden geistigen Stärke. Manche andere, wie z.B. A. Cortot, haben im betagten Alter peinliche Auftritte hingelegt - ein Freund von mir hat ihn in den 50-er Jahren bei einem Klavierabend erlebt, und da kam wohl leider nicht mehr sehr viel seiner Auskunft nach. Also totaler Respekt für deine Mutter!
 
Das Alter

@Mindenblues,

danke für die netten Zeilen, Wir wundern uns auch immer wieder, dass sie diese Leistungen uneingeschränkt bringt und sogar noch besser zu werden scheint.

Gleichzeitig zu dem o.a. Konzert hat sie aber noch mehrere andere Klavierabendprogramme in petto. Zum wohl angeborenen talent kommt aber auch viel fleiss und eine unermüdliche Disziplin. Es gibt keinen Tag, wo sie nicht an ihren Programmen übt. Prinzipiell gilt für sie: Vormittag ist Übezeit.

Das erstaunliche an dieser durch Jahrzehnte gereiften Technik ist, dass sie anscheinend vollkommen mühelos zur Verfügung steht. So habe ich einige Werke von ihr häufig gehört, die ich tatsächlich auch von Weltklassepianisten kaum besser vernommen habe. dazu gehören die bekannte D-dur Sonate von Mozart (ich galube KV 576 mit dem Jagdmotiv) oder Les-Adieux von Beethoven und auch weiter Sonaten von Beethoven.

Diese selbstverständliche Lockerheit bei Oktaventremolos wie in der Pathetique ist sonst selten zu beobachten. Und bei Mozart fasziniert die absolute Leichtigkeit. Nie hat man das gefühl, es sei schwer zu spielen, bis man es selber nachzumachen versucht.
 
Nie hat man das gefühl, es sei schwer zu spielen, bis man es selber nachzumachen versucht.

Das ist für mich überhaupt das Kriterium von Virtuosität, was mir bei Liveauftritten von begnadeten Künstlern regelmäßig ins Auge und Ohr springt: Diese ungeheure Leichtigkeit - ob es ein Liveauftritt von Eric Clapton ist, der nur mit Akustikgitarre so selbstvergessen und diese Leichtigkeit zelebriert, und selber breche ich mir die Finger, ein paar Licks nachzupielen.

Ob Klavier oder andere Instrumente, es sieht bei Virtuosen so leicht aus, weil es für sie leicht ist, durch Talent und viel Üben leicht geworden ist. Du hast ja genannt, was bei deiner Mutter dazu führte: Talent UND tägliches stundenlanges Üben. Das sagt wohl alles.
 
schwierigstes klavierstück

trois mouvements de petrouchka, transkription von strawinski persönlich, verarbeitet drei teile seines ballets "petrouchka" - grausam anstrengend, aber gottlob kann niemand hören, ob man wirklich alle töne spielt (nahezu alle tricksen hier im konzert) -- aber es gibt tatsächlich manuell schwierigeres:
a) wagner/liszt: tannhäuser ouvertüre transkription - die konnte liszt selber nicht durchhalten (von bülow beschreibt das in einem brief); irre anstrengendes stück, derzeit gint es keine aufnahme, die liszts metronomisierung realisiert (bolet ist dreieinhalb minuten zu langsam!!!)
b) reger: metamorphosen über den donauwalzer - vergleichbar schwierig, sehr weitgriffig
c) godowski: fledermausparaphrase
d) beethoven: fuge aus op. 106 im richtigen tempo (kann keiner bis jetzt)
nebenbei: ich glaube, ich kann das (aus meiner manuellen) perspektive beurteilen, da ich die genannten stücke in konzerten spiele (mit ausnahme der op.106: die kann ich nicht im tempo, also lasse ich die leute damit in ruhe); tannhäuser kann ich gottlob wirklich im tempo, aber ich spiele das dann auch nicht allzu laut (robert-alexander bohnke hatte mir immer gesagt, ich würde allzu kultiviert spielen - ich solle, wo es losgeht, mehr kraft und lautstärke bringen - - - ich kann und mag aber nicht auf das instrument dreschen... also bleibt es zügig, aber nie furchtbar laut)
 
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schwerste Stücke

Hallo Rolf,
ganz heftig, was Du da alles drauf hast. Aber als Profi muss man ja schließlich auch klotzen und nicht kleckern.

Über Franz Liszt ist mir bekannt, dass er die Tannhäuserouvertüre „bei Hofe so lange vorspielte, bis sie darein verliebt waren“. Wenn ich das noch richtig weiß, ging es darum, das Werk Wagners in Weimar salonfähig zu machen. Er hat die Ouvertüre also zur Genüge gespielt, vielleicht nicht so schnell wie seine Metronombezeichnungen angeben.

Ich kenne diese Ouvertüre aus eigener Anschauung, habe sie im Konzert mal gespielt. Es ist mir ein Trost, dass Bolet sie so langsam spielt …. Für ein gescheites Tempo braucht man wohl einen leichtgängigen Flügel.

Aussagen von Bülow will ich nicht auf die Waagschale legen, er hat so manchen kernigen Spruch von sich gegeben. Seine Anmerkungen zu den Cramer-Etüden zeugen manchmal von einer gewissen Hochnäsigkeit.

Wenn wir hier im Thread schon bei den schwierigsten Stücken sind, wundert es mich ein bisschen, dass die Bearbeitungen von Franz Liszt außen vor bleiben. Wer hat von den Beethoven-Symphonien in seiner Übertragung schon welche öffentlich gehört?
Die Paganini-Etüden in der ersten Fassung – au weia!

Aber genug davon, ich freue mich riesig, dass wir mit Rolf wieder eine richtige Koryphäe unter uns haben. Wir können alle profitieren und ich hoffe, dass Du auch profitierst!
Willkommen hier im Forum!
Walter

Warum werden viele Pianisten in späteren Jahren Dirigent? – Weil aus dem Taktstock keine falschen Töne rauskommen! (Horowitz)

P.s.: Bülow war in späteren Jahren auch Dirigent!
 
Naja, kommt drauf an, was man unter "richtiges" Tempo versteht.

Liszt hat ja z.B. das Scherzo aus Beethovens 9.Sinfonie als 3/4-Takt dirigiert. In dem Tempo, in dem es heutzutage überall gespielt wird, wäre das völlig unmöglich (das Dirigieren im 3/4-Takt!)

http://www.wellermusik.de/Tempo_Giusto/LISZT_Zitate/liszt_zitate.html
...auch wenn allerhand Koryphäen greinen, schimpfen, wüten (und es wohl mangels der unmenschlichen Technik eben besser wissen wollen als der grimme Ludwig van): bevor man anders spielt, als es notiert ist, sollte man nachweisen, dass man Beethovens Forderung VIERTEL = 144 MM wirklich durchhält... -- ich kann das nicht, ich werde langsamer (und ärgerlich ist, dass ich die Fuge in einer klanglich wundervollen Aufnahme von Kempff und Arrau im Ohr habe); ich kann nur die 1.-4.Sätze in Beethovens Metronomtempi spielen, aber wenn ich das im 1. Satz mache, habe ich wegen dieser Raserei ein schlechtes Gewissen (die Exposition klingt, als erfinde Ludwig gerade Liszts Etüden, das Durchführungsfugato kriege ich kaum deutlich differenziert hin, klingt also etüdenartig) --------- ich weiss, dass "richtiges Tempo", auch der Umgang mit dem Tempo (Grad und Häufigkeit des Rubato etc.) auch dem jeweiligen Zeitgeschmack unterliegen, z.B. dürfte man heutzutage schlechte kritiken bekommen, wenn man ein so vehemtes Rubato einsetzt, wie es Skrjabin und Rachmaninov in ihren (für mich übrigens herrlichen) Aufnahmen tun.
---Aber was soll man machen, wenn ein Komponist das Tempo dezidiert und absichtlich FESTLEGT (genau darum hatte Beethoven ja Mälzels Erfindung so sehr gelobt!). Wer heuer in Schoenbergs pierrot lunaire vom Metronom abweicht, wird gescholten - ja sind denn Beethovens (oder Chopins oder Liszts) Metronomzahlen Quatsch, den man nicht beherzigen braucht?
bzgl. manueller Schwierigkeit: es bleibt bei der op.106 Fuge, wenn man Viertel = 144 eben nicht schafft (z.B. in der witzigen non legato Stelle)
 
...auswendig...hört sich so geheimnisumwittert an, speziell wenn man es mit "lernen" verbindet ---- sagen wir mal so: bei einer komplizierten, sehr schnellen Stelle (z.B. das fugato der Lisztsonate, Sprungstelle Mephistowalzer, zweiter Themeneinsatz Ondine in gebrochenen Oktaven usw. usf. etc.) - - - eventuell ist es da hilfreich, wenn man die zu treffenden Tasten im Blick behält - ja und das ist arg gehindert, wenn man permanent in die Noten schaut...
so weit als Kalauer formuliert - aber ernsthaft:
es gibt kein stumpfes auswendig lernen - ich meine, man gewöhnt sich und den eigenen Spielapparat nach und nach an die nötigen Bewegungen, die man dann nicht auf einem Plan (Partitur) beständig überwachen muss. es ist eine Art motorischer Gewöhnung, die vom eigenen klanggestaltungwillen gesteuert wird.
 
aus meiner Praxis: Chopins Terzenetüde habe ich nach einem Tag üben im Tempo spielen können - das heisst, ich konnte sie nahezu fehlerfrei und locker "technisch abspulen". Da ist nichts mystisches dran: erstens bin ich Konzertpianist und spiele mancherlei sehr anspruchsvolle "Virtuosenstücke" (Islamey, Liszts Paraphrasen etc.), und als ich die Etüde im Studium dran nehmen musste, hatte ich schon zuvor allerhand rasche Terzen technisch gekonnt (Rigoletto-paraphrase, Skrjabin Terzenetüde) - op.25 Nr.6 ist formal, harmonisch und melodisch sehr sehr übersichtlich, also mal grob gesagt: da gibt es keine tiefsinnigen Geheimnisse zu ergünden. ABER !!!!!!!!! ABER ich habe die Etüde NACH dem recht raschen manuellen erarbeiten wochenlang nicht öffentlich gespielt, sondern abge-wartet, dass "sie sich setzt und mir völlig selbstverständlich wird"!!!
CREDO je komplizierte die Musik, desto länger braucht man, sie wirklich zu verstehen und zu verinnerlichen. auf den Tasten treffen ist eher sekundär.
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Liszt: "waschen sie ihre schmutzige Wäsche zu Hause" (auf Fragen nach der technischen Ausführung schwieriger Stellen)
Liszt: "die richtige Technik kommt aus der Musik"
----- wer jahre- bis jahrzehntelang mit derlei befasst ist, begreift allmählich, dass Liszt wirklich recht hat... z.B. Ravels Ondine: erst wenn man emotional begriffen, warum die Begleitfiguren locker pianissimo sein MÜSSEN, erst dann kann man sie spielen
 
kleiner Tipp: die polyrhythmischen Stellen (ungefähr zweiter Abschnitt) lange Zeit einzeln, aber mit Metronom im Tempo üben - wenn sich das gesetzt hat, dann an gar nichts denken und die Finger einfach laufen lassen, das geht dann: aber niemals zu sehr die einzelnen Finger überwachen, nie in die Noten schauen.
die Tremoli sind nicht so schlimm, falls man schon Tremoli kann (Liszt erste Paganinietüde oder ähnliches)
--- aber ein TOLLES Stück ist das: es gibt den Film "Horowitz at home", da spielt der das mit weit über 80 Jahren besser, als alle anderen - übrigens viele Tremoli auf beide Hände trommelwirbelartig verteilt)
Gruß - und viel Freude am "Feuer" üben
 

Ich komm auch.
Darf ich mich zu Meisterkurs anmelden? :cool:
 
Henry ist ganz von den Socken, du bist gut, mach weiter so, danke ich das noch erleben darf.
Mit mir geht es zu Ende.

Henry IV
 
es gibt kein stumpfes auswendig lernen - ich meine, man gewöhnt sich und den eigenen Spielapparat nach und nach an die nötigen Bewegungen, die man dann nicht auf einem Plan (Partitur) beständig überwachen muss. es ist eine Art motorischer Gewöhnung, die vom eigenen klanggestaltungwillen gesteuert wird.

Das hättest du mal beim Thema Auswendig/Vom Blatt spielen schreiben sollen :D

Diese Beschreibung finde ich hervorragend!
 
Das schwierigste Klavierstück
Technisch an der Grenze des physisch Möglichen sind z.B. einige Werke von Kaikhosru Sorabji (z.B. das "Opus Clavicembalisticum"; es dauert etwa 4 Stunden und ist z.T. auf 6 Systemen notiert. Es ist nicht sein umfangreichstes Werk!).
Oder Charles Alkan und sein "Concerto für Soloklavier" aus den Etüden op. 39, dessen erster Satz mehr Takte enthält als Beethovens "Hammerklaviersonate" und ca. 27 Minuten dauert.
Dann gibt es noch die "Studien über die Etüden von Chopin" von Leopold Godowsky, unter denen es die "Revolutionsetüde" und einige andere für die linke Hand allein gibt oder die simultane Version von 2 Ges-dur-Etüden Chopins und vieles mehr - faszinierend und abschreckend zugleich, dabei sehr polyphon und von großer Ästhetik im Hinblick auf das Notenbild.
Dann gibt es noch die Werke György Cziffras - ein pianistisches Horrorkabinett nach dem Motto: Stell dir vor, es geht, und keiner kriegt's hin. Aber es gab noch nie so viele Pianisten wie heute, die technisch alles können.
Musikalisch-interpretatorisch besonders schwierig sind Werke, die nur recht wenige Vortragsanweisungen enthalten. Dazu zählen vor allem Werke der Wiener Klassik (Z.B. Beethoven, Mozart) oder auch früherer Zeiten (Bach etwa). Dafür braucht man ein umfangreiches Wissen über Epochen-/Personalstil, Aufführungspraxis u.v.m.
 
Na na... also gegen Hikari Kiyama sieht sogar Sorabji alt aus:

《 3 shells》

;)

Schön, dass du Alkan erwähnt hast.
 
Kiyama in Ehren, aber Geschwindigkeit + Lautstärke + hässlicher Klang ist nicht alles. (Conlon Nancarrow hat konsequenterweise ein "Player Piano" für seine Hochgeschwindigkeitsstücke gewählt; ohne allerdings zu laut oder gar hässlich zu werden.) Kiyama sollte eine "Heavy Metal"-Band gründen und einen neuen Metal-Stil kreieren. Seine Musik - soweit meine Eindrücke reichen - erscheint mir undifferenziert, recht banal und wenig komplex (im Gegensatz zu Nancarrow). Wirkt auf mich wie "ausgekotzt"; zumindest aber wie eine bloße Zirkusnummer. Als Reaktion auf die Welt, wie sie nun einmal ist, sind die Werke als künstlerischer Ausdruck verständlich, aber eher aus psychiatrischer Perspektive von Interesse.
 

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