Also, Daniel,
Du findest Hasenbeins Argumentation durchaus verständlich?
Ich nicht - und ich hoffe, daß sich hinter Deiner Zustimmung Ironie verbirgt,
wie sie in Deiner abschließenden Frage durchbricht:
Was für Lösungsansätze hättest du oder könntest du dir vorstellen
außer gegen so Amateure wie mich zu sein?
In dem betreffenden Hasenbein-Zitat stimmt kein einziges Wort.
Es ist lediglich einem Mangel an Pedanterie zuzuschreiben, wenn ich den Text
nicht komplett zerpflücke, sondern mir nur die "Höhepunkte" heraussuche.
Leider hat der Youtube-Hobbyvideo-Boom ganz eindeutig zur Folge, daß sich die Maßstäbe,
was akzeptables Instrumentalspiel oder akzeptables Komponieren sei,
in der breiten Wahrnehmung immer weiter nach unten verschieben.
In der breiten Wahrnehmung hat es für die Bestimmung, was akzeptables Instrumentalspiel
oder akzeptables Komponieren sei, noch nie feste Maßstäbe gegeben.
Immer mehr Amateure bilden sich ein, sie könnten schon eine Menge, weil sie ja sehen,
daß andere, die auch was auf Youtube stellen, auch nicht mehr können.
Mussorgsky, Satie oder Ives waren Amateure, und es wäre eine ausgesprochene
Untertreibung,
von ihnen zu sagen, daß sie nur "akzeptabel" komponiert hätten. Und You Tube hat auch seine Meriten:
Man kann darauf sehen, wie sich sogenannte Profis unsterblich blamieren.
Dies ist eine sehr bedenkliche und kulturell schädliche Tendenz.
Jeder ernsthafte Musiker oder Musikliebhaber, dem Qualität noch etwas bedeutet,
muß dagegen sein.
Wenn die Begriffe nicht geklärt sind und eine Gedankenbewegung nur vorgetäuscht wird, ist auch
die Schlußfolgerung falsch. Außerdem kommt hinter dem kulturkritischen Gewäsch eine Phraseologie
zum Vorschein, deren Herkunft sich benennen läßt: "sehr bedenkliche und kulturell schädliche Tendenz" -
so hat zuletzt Andrej Alexandrowitsch Shdanow - Stalins Bluthund in Kulturdingen - gesprochen,
1948 während der Anti-Formalismus-Kampagne, und der Appell, daß jeder ernsthafte Musiker/
Musikliebhaber, dem Qualität noch etwas bedeute, dagegen sein müsse, verrät die passende Blockwartsgesinnung.
Bei uns hat man solche Töne zuletzt von Goebbels, dem Propragandaminister, vernommen.
Lieber Daniel, laß Dich also nicht verrückt machen.
Zu Deinem Klavierspiel müßten sich berufenere Geister äußern: pppetc, Chiarina, Rolf.
Ich kann mich zu Deiner Musik äußern, habe es bereits getan und will mich jetzt nicht wiederholen.
Stattdessen sage ich, was mir an Dir gefällt:
Du hast einen ernstzunehmenden Ausdruckswillen.
Er bricht sich momentan zwar auf eine verquere Art und Weise Bahn, was aber nichts daran ändert,
daß er Dir anzumerken ist. Es ist richtig, wenn Du an momentane Vorbilder anknüpfst
(Dein "Bach" tiersent auch wieder sehr). Falsch wäre es nur, wenn Du darin steckenbliebest.
Erweitere Deinen Radius an Vorbildern: zum Beispiel mit dem Bartók der Klavierstücke "Für Kinder".
Besorg Dir diese Noten, spiel sie und zerleg sie dabei geistig in ihre Bestandteile:
In welchem Verhältnis stehen Melodie und Begleitung zueinander? Oft harmonisiert Bartók
eine Melodie "gegen den Strich", er sucht tonale Randbezirke auf - aber es klingt nie falsch!
Spiel die "Bach-Choräle" am Klavier und sing einzelne Stimmen mit, um etwas über die Setzweise
zu lernen.
Laß Dich bitte nicht entmutigen. Lerne einfach weiter, aus Deinen Fehlern
und aus dem, was Dir glückt - und bleib mit uns in Kontakt.
Herzliche Grüße!
Gomez
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