Bildungs- und Entwicklungsmisere - eindrücklicher Artikel

200-300 Jahre sind ja ziemlich genau die Zeit der Industrialisierung. (je nach Blick auf Amerika oder Europa)
Im dritten Jahrtausend angekommen, nehmen uns die Maschinen nicht mehr nur körperliche Arbeit ab, sondern greifen auch immer mehr in "weiche" Bereiche wie Kommunikation und Informations-/Wissensvermittung ein. Man Denke nur an die dauernde Überallverfügbarkeit von "Wissen" (besser: Informationen), die früher nur durch teure Bücher, Schulungen oder eine formelle Ausbildung eher wenigen zur Verfügung standen.
Heute kann man dumm aus der Schule kommen und trotzdem alles bei Wikipedia nachgucken.

Durch diese Arbeitserleichterungen werden die Menschen natürlich immer fauler. Auch denkfauler.
 
Ich frage mich, ob die Menschen z.B. vor 100 bis 150 Jahren mit 18 "mündiger" und selbstständiger waren als heute. Wenn nein, gab es dann ein kleines Hoch zwischen damals und jetzt? Woher kam das, und wo ist es hin? Resultiert es tatsächlich aus den schlimmen Zeiten der zwei Weltkriege?
Ich war erschüttert, als ich in Briefausgaben die Briefe von Hesse und Chopin gelesen habe, als sie noch im jugendlichen Alter waren. Sprachfähigkeiten, die heute ein durchschnittlicher Student nicht hat.

Ich bin noch nicht lang genug an der Uni, um wirklich beurteilen zu können, wie sich die jetzige Studenten-Generation verhält. Meine Beobachtungen sind bloß: Sie haben oft keine Beziehung zu ihrem Fach, sie sind sehr motiviert und engagiert, aber es fehlt unglaublich viel an den Basics (Sprachliches Verständnis, Allgemeinbildung etc.), Informationen werden grundsätzlich ganz ohne Gewichtung vorgetragen, "Sprache konstruiert Realität" ist nicht anders als "Beethoven wurde 1770 geboren". Man referiert etwas und wird sich gar nicht darüber bewusst, was das eigentlich bedeutet, was man da vorträgt. Das ist jetzt meine Einschätzung nach einem Seminar und Gesprächen mit Kollegen.

lg marcus
 
Es gelingt mir zwar nahezu nie, mit Stegull bezüglich diskutierter Inhalte übereinzustimmen und ich ziehe vermutlich auch in diesem Kontext gänzlich andere Schlüsse, aber seinen Hinweis auf das Hördokument „Unter dem Gras darüber“ kann ich nur unterstützen. Die sehr persönlichen Berichte der Zeitzeugen sind auf ganz verschiedenen Ebenen erschütternd, und sie ermöglichen tiefe Einblicke in die gänzlich verschiedenen Persönlichkeiten von Individuen und ihre durch die historischen Ereignisse geprägten Lebensverläufe. Das Hörbuch ist auch unter dem Titel „Meine Geschichte: Zeitzeugen erzählen - 100 Jahre Deutschland“ erschienen. Unter dem folgenden Link gibt es dazu auch eine Hörprobe. Ich habe es mehrfach gehört, mehrfach verschenkt und kann es bedingungslos empfehlen.

https://www.amazon.de/Meine-Geschic...144710&sr=8-2&keywords=unter+dem+gras+darüber
 
Ich habe keine Erfahrungswerte beim Wechsel vom Gymnasium zum Studium. Ich kann dir aber versichern, dass der Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium heute ebenso problematisch ist. Die Grundschule schafft es heute nicht, den Lehrplan durchzusetzen um Kinder den reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Fazit: Schwere Defizite beim Übergang ins Gymnasium.

Hm, ich weiss nicht...
Ich bin ganz bei Dir, wenn Du sagst, dass der Wechsel aufs Gymnasium problematisch sei.

Ich bin jedoch der Meinung, dass in Gundschule gewaltig was schief läuft, jedoch nicht, was den Lehrstoff betrifft, sondern in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit.

In den Grundschulen werden die Kinder vom ersten Schultag an massiv unter Leistungsdruck gestellt. Lehrstoff wird eingetrichtert, die Lehrerinnen ( und das sind es ja in der Überzahl) sind heute gar keine Grundschullehrerinnen mehr.
Eine Grundschule erhebt das Erreichen der Lehrinhalte zum heiligen Gral.
Basisfertigkeiten, die für ein Grundschulkind viel wichtiger sind als irgendwelche Powerpointpräsentationen zum Thema afrikanischer Elefanten zu präsentieren, fallen komplett hinten runter.
Und da schließt sich der Kreis.
Die mangelnde Studierfähigkeit ist schon in der heutigen Grundschulpädagogik begründet.

Umsonst heißt die Grundschule nicht so. Sie soll den Grundstock legen, die Basis für erfolgreiches Lernen. Das ist ihr Auftrag meinem Verständnis nach.
Beispiel erste Klasse: das Kind soll lernen,
still zu sitzen während des Unterrichts
Ordnung im Ranzen und auf dem Arbeitstisch zu halten
mit anderen Kindern zurecht kommen
zuhören, nicht reinreden, abwarten, bis man drankommt
sein Pausenbrot nicht vergessen
die Hausaufgaben nicht vergessen
allein zu Fuß in die Schule gehen
Schwimmen lernen
im Sportunterricht seine motorischen Fähigkeiten ausleben und erleben oder im Bedarfsfall Hilfe vom Sportlehrer zu bekommen, sei es durch gezielte Anleitung und Ermunterung oder sei es durch Empfehlung an die Eltern, dem Kind genug Bewegungsräume draußen zu lassen.
Bei einigen wenigen Kindern liegt eine neurologische Ursache für eine motorische Auffälligkeit oder eine Entwicklungsverzögerun oder gar Entwicklungsstörung vor.
Dies sollte dann den Eltern transparent gemscht werden, die dann zu den entsprechenden Ärzten gehen müssen, um da weiter zu intervenieren.
Wieviele Kinder können heute keinen Hampelmannsprung mehr? Ich bin geschockt darüber.

Ein brauchbarer Grundschullehrer schafft es, die kindliche Neugier und den Spaß am Lernen neuer Dinge zu erhalten und auf das Lernen sinnvoller Lehrinhalte richtig Bock zu haben.
Stattdessen findet ein Kampf darum statt, welche Klasse denn am schnellsten den Schulstoff schafft, damit am besten jedes Hampel aufs Gymnasium gehen kann. Sie geben dem Druck der Eltern nach.

Muss jeder aufs Gymnasium gehen? Wer hat dieses Märchen in die Welt gesetzt?
Viele, die irgenswas studieren, gehören nicht auf eine Uni.
Der Jugendliche selbst wäre bestimmt in diesen Fällen mit einer Lehre glücklicher.

So, das musste mal raus.:-)

Leonie
 
Das ist in der Tat sehr richtig und wurde hier (und im verlinkten Artikel) bislang noch überhaupt nicht erwähnt!

Ja, heutzutage machen SEHR viele Leute Abitur und landen an der Uni, die vor wenigen Jahrzehnten auf der Real- und Hauptschule gelandet wären und daher gar nicht hätten studieren können! Darunter eben auch viele, die eigentlich auch wirklich zu schlecht dafür sind!

Eminent wichtiger Faktor!

Genauso wie übrigens der von Andre genannte mit dem heutzutage zu leicht zu befriedigenden Belohnungssystem - das ist auch eine ungeheuerliche Geschichte, weil das auf verschiedensten Ebenen (u.a. durch Porno auch auf derjenigen von Partnerschaft und Sexualität) global relevante gesellschaftliche Krisen bewirkt.

Vielen Dank, Leute, für die vielen tollen Beiträge, die einen wirklich weiterbringen dabei, sich ein Bild zu machen!
 
Ach so, Leoniesophie - einiges vom "Stoff" wird heutzutage aber eben auch nicht vernünftig vermittelt in der Grundschule. Paradebeispiel Schreibenlernen, wo durch absolut hirnverbrannte und verantwortungslose Ansätze wie dass die Schüler zunächst schreiben können wie sie wollen "Legastheniker" am laufenden Band produziert werden, so dass es heute schwer ist, echte Legastheniker in der Masse der Orthographiekrüppel zu identifizieren.

Oder, wie auch schon hier gesagt wurde, es wäre eigentlich wichtig, mit den Kindern bestimmte grundlegende Dinge (Einmaleins, sauber schreiben etc.) einfach viel zu ÜBEN, wofür der Lehrplan ausgemistet werden müsste.
 
Manieren leiden auch. Wenn z.B. (wie so häufig) Leute vorbeikommen, um z.B. einen Flügel zu begutachten und sich morgen melden wollen, man jedoch nie wieder was von denen hört und diese auch nicht mehr erreichbar sind - Normalität inzwischen. Das gibts sogar aus Käufersicht einer Immobilie, dass sich der Verkäufer nach Besichtigung irgendwann nicht mehr meldet, obwohl man Interesse signalisiert. Vermutlich, weil man zu viele unbequeme Fragen stellt und ein anderer ohne Fragen zu stellen das Geld auf den Tisch legt.

Das ist aber Altersgrenzen unabhängig und Zeitgeist - meine Beobachtung.

Powerpointpräsentationen zum Thema afrikanischer Elefanten zu präsentieren, fallen komplett hinten runter.

Muss man ernsthaft in der Grundschule schon Powerpoint Präsentationen machen? Powerpoint ist echt eine Krankheit.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ja, darüber wurde ja hier neulich schon an anderer Stelle ausführlich gesprochen dass Verbindlichkeit ein aussterbender Wert ist. "Vergessen, sich nochmal zu melden" ist ein Normalfall geworden,und man ist gezwungen, überall x-mal nochmal nachzuhaken und seine Planungen ggf. kurzfristig zu ändern. Dass niemand mehr Bock hat, Privatfeiern bei sich zu Hause zu machen, weil man nicht mehr wissen kann, wie viele Leute denn dann tatsächlich kommen, wurde neulich schon diskutiert
 
In den Grundschulen werden die Kinder vom ersten Schultag an massiv unter Leistungsdruck gestellt.
Das stimmt doch überhaupt nicht. Das Narrativ vom "Leistungsdruck" wurde von einer Laissez-Faire-Generation in die Welt gesetzt und wird seitdem zum Weichspülen der Schulbildung benutzt. Und obwohl die (untauglichen) Ziele der Protogonisten längst erfüllt sind, wird das Märchen immer weiter gepflegt. Mit dem hier allgemein beklagten Ergebnis.

Stress in der Schule haben die Lehrer. Und machen sich die Kinder untereinander.

Aus Angst vor sogenanntem "Leistungsdruck" findet eine Bespaßung statt, die den Namen Schule nicht verdient.
  • An den meisten Schulen werden in der Unterstufe keine Noten vergeben.
  • Samstag gibt es schon lange keinen Unterricht mehr.
  • Es gibt Kuschelecken, in die die Kinder während des Unterrichts sich zurückziehen dürfen.
  • Schreiben nach Gehör ist zum Glück auf dem Rückzug, aber die Lernziele bzgl. Lesen und Schreiben sind lächerlich. Es dauert oft genug bis zur dritten Klasse, bis die Kinder lesen und schreiben können.
  • In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass auch größtenteils mit Arbeitsbüchern gearbeitet wird und kaum noch eigen Hefte angelegt werden. Das hat sicher große Vorteile, aber ich sehe auch erhebliche Nachteile.
hat man früher schon im Kindergarten gelernt.
Da sind die Eltern vor, das gibt es kaum noch. Wobei die Infrastruktur dem auch im Weg steht, wer hat seine Schule schon fußläufig erreichbar.
im Sportunterricht seine motorischen Fähigkeiten ausleben
wenn er denn stattfindet.
Viele, die irgenswas studieren, gehören nicht auf eine Uni.
Da hast Du allerdings absolut Recht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht werden tatsächlich zu gute Noten vergeben, die zu einer falschen Selbsteinschätzung führen, so dass ernsthafte Kritik, Feedback und Reflexion im Schulleben zu kurz kommen?

Ja, das wird Dir jeder Gymnasiallehrer bestätigen (falls er kein ideologisierter GEWler ist). Die Frau eines sehr guten Freundes ist Studiendirektorin. Schon Jahre ist es her: Wenn die Klassen (oder der Kurse) den Lernstoff auf unterirdischem Niveau beherrschen und mehrfach Killernoten (beginnt heutzutage bei Ausreichend + weniger) vergeben werden müssen, wurde sie zum OStD zitiert und musste sich rechtfertigen. Sie bekam die ANWEISUNG, die Anforderungen eben so weit absenken senken, dass ein möglichst guter Schnitt herauskommt.

Genau dieses Prinzip bringt die Inflation der Einser-Abiture, vor allem in bestimmten Ländern. ;-) Man produziert so Kohorten von Abiturienten, die sich aufgrund ihrer Inflationsnoten für gut halten, obwohl sie meilenweit entfernt sind von einer "allgemeinen Hochschulreife". Das föderal organisierte Bildungssystem war schon immer ein Problem. Aus irgendwelchen Gründen hatten die Stadtstaaten schon immer die Rote Laterne und Bayern war schon immer Spitze, daran hat sich m. W. bis heute nichts geändert. Somit hat das Abitur aufgrund galoppierender Inflation in allen Bundesländern außer in Bayern (und Sachsen, glaube ich) keine Aussage mehr, außer dass jemand immerhin die Disziplin aufbrachte, 13 oder 12 Jahre lang regelmäßig irgendwo zu erscheinen und hin und wieder einen Beleg zu erbringen, vom Unterricht auch ein paar Eckpunkte mitgenommen zu haben.

Ich war entsetzt, als ich (vor JAHREN) vernehmen musste, dass Klausuren (auch an Gymnasien!) nach dem Multiple-Choice-Verfahren gemacht werden. Damit kann man auswendig gelernte Fakten abfragen, aber wenn kein eigener Text formuliert werden muss, lernt man eben nicht, einen eigenen Text korrekt zu formulieren oder einen Gedankengang logisch zuende zu denken. Abhängig von der Zahl der Antwortmöglichkeiten, gibt es eine Chance von 25 bis 33 Prozent, aus reinem Zufall die richtige Antwort anzukreuzen.

Wenn TROTZDEM über Leistungsdruck gestöhnt wird, zeigt dies, dass die Stöhnenden mit der Schulform und dem Lehrstoff schlicht überfordert sind. Die gehören nicht aufs Gymnasium. Peng, aus.

Ich frage mich, ob die Menschen z.B. vor 100 bis 150 Jahren mit 18 "mündiger" und selbstständiger waren als heute.

Ja natürlich. Vor mehr als 100 Jahren ist man nämlich im Zweifelsfall verhungert oder als Bettler in der Gosse gelandet, wenn man sein Leben nicht in den Griff bekam.

Eine Grundschule erhebt das Erreichen der Lehrinhalte zum heiligen Gral.

Es ist ihre Aufgabe, bis zum Abschluss der 4. Klasse Menschen in die weiterführenden Schulen zu entlassen, die
1. sich in das System Schule als Ort des sozialen Lernens einfügen (früher: Kopfnoten wie "Betragen" – was wurde dagegen Sturm gelaufen)
2. korrekt die deutsche Sprache in Wort und Schrift
sowie
3. korrekt und sicher die Grundrechenarten
beherrschen.

Nicht Englisch und auch nicht Chinesisch oder anderes Gedöns. Es gibt mittlerweile genügend Studien darüber, dass der "Vorsprung" beim Fremdsprachenerwerb in der Grundschule minimal ist gegenüber denjenigen, die nicht in der Grundschule Fremdsprachenunterricht hatten. Schon im zweiten Jahr des gymnasialen Fremdsprachenunterrichts gab es keine Unterschiede mehr.

Ein brauchbarer Grundschullehrer schafft es, die kindliche Neugier und den Spaß am Lernen neuer Dinge zu erhalten und auf das Lernen sinnvoller Lehrinhalte richtig Bock zu haben.

Frage: Wann hast Du das letzte Mal in einer Grundschule assistiert, und zwar nicht irgendwo in Bayern auf dem Land, sondern in einer Großstadt? Was macht der brauchbare Grundschullehrer, wenn seine Klasse zu 80+% aus Nichtmuttersprachlern besteht?


Muss jeder aufs Gymnasium gehen? Wer hat dieses Märchen in die Welt gesetzt?
Viele, die irgenswas studieren, gehören nicht auf eine Uni.
Der Jugendliche selbst wäre bestimmt in diesen Fällen mit einer Lehre glücklicher.

Das ist vollkommen korrekt und fällt in den oben angesprochenen Komplex "Inflation". Es gibt mehrere Ursachen für diese Entwicklung:
  • der "internationale Vergleich" (haha, also der Vergleich des redlicher Weise nicht Vergleichbaren), Stichwort "PISA"
  • die allgemeine Hetze gegen Notengebung überhaupt. Noten stigmatisieren, wenn sie schlecht sind. Stigmatisieren will natürlich niemand
  • die Verwahrlosung der Hauptschule
  • die Unverbindlichkeit der Empfehlung am Ende der Grundschule. Die verbindliche Gymnasialempfehlung gibt es (nur?) noch in Bayern. Ansonsten gilt ausschließlich der Elternwille
  • die im hegelschen Sinn "gesetzte" Überzeugung, dass man im 21. Jh. in einer Wissensgesellschaft lebt. Also deklariert man original jeden zum Teil der Wissensgesellschaft, auch wenn er nichts weiß
  • die ideologische Ausblendung des Umstandes, dass trotz optimaler "Förderung" nicht aus jedem Kind ein Ingenieur gemacht werden kann. Noch nicht mal ein Germanist. Dafür aber vielleicht ein tüchtiger Handwerker.
  • die irrationale Verklärung des "Studiums" als Grundvoraussetzung für ein Leben in Glück und Wohlstand
  • die bereits erwähnte andressierte Unfähigkeit, angemessen zu zensieren bzw. bereits im Vorfeld bei ungenügender Leistung klar zu sagen, dass mehr geübt werden muss, auch wenn die Spielkonsole noch so verlockend ist. Früher gab es in Deutsch bei einem einzigen Schreibfehler keine "Sehr gut" mehr. Das heißt: Auch bei zwei Kommafehlern (je halber Fehlerpunkt). Heutzutage sind Noten kein Sanktionsmittel mehr für schlechte Leistungen, weil entweder Pappi mit dem Anwalt kommt oder (anderes Extrem) sich niemand dafür interessiert.
Was sich heutzutage in den vermeintlich "weichen" Fächern/Studiengängen der bolognaisierten Universitäten tummelt, ist der Wahnsinn. Sogar die "Fachhochschule" wurde in "Hochschule" umbenannt. Klingt edler.

Die Hauptschule wurde in Rheinland-Pfalz abgeschafft. Stigmatisiert zu sehr. Nennt sich jetzt "Realschule plus". Klingt auch sehr edel. Resultat? Wer die Belegschaft der Restschule (ehemalige Hauptschule) seinem Kind ersparen will, setzt Himmel und Hölle in Bewegung, sein Kind vor dieser "Realschule" zu bewahren und es wenigstens auf einer der chronisch überbelegten Gesamtschulen unterzubringen. Oder, hey, wir versuchen es auf dem Gymnasium. Grundschulleistung zählt ja nicht, mit etwas Glück klappt es vielleicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Viele richtige und wichtige Punkte.

Ja, Multiple Choice ist auch so eine absolute Seuche, gehört komplett abgeschafft. Ist etwas, was in Quizshows, aber nicht ins Bildungssystem gehört, peng, aus.
 

Das Narrativ vom "Leistungsdruck" wurde von einer Laissez-Faire-Generation in die Welt gesetzt und wird seitdem zum Weichspülen der Schulbildung benutzt. Und obwohl die (untauglichen) Ziele der Protogonisten längst erfüllt sind, wird das Märchen immer weiter gepflegt.

Stöhnen ist Pflicht, wer nicht stöhnt, ist ein Außenseiter.

Das setzt sich während des gesamten Lebens fort. Jeder muss "Sorgen und Nöte" haben und muss umfangreich die Möglichkeit bekommen, diese ausführlich zu bejammern, widrigenfalls wird er zum Wutbürger oder Gegenstand eines Beitrags in den pseudo"politischen" Fernseh-Magazinen, die wöchentlich ihre Sendezeit füllen müssen (und keineswegs im Wochentakt Ergebnisse von tatsächlich investigativem Journalismus liefern können).

Das wird tagtäglich suggeriert, gefördert und regelrecht eingefordert.
 
Ja, das wird Dir jeder Gymnasiallehrer bestätigen (falls er kein ideologisierter GEWler ist). Die Frau eines sehr guten Freundes ist Studiendirektorin. Schon Jahre ist es her: Wenn die Klassen (oder der Kurse) den Lernstoff auf unterirdischem Niveau beherrschen und mehrfach Killernoten (beginnt heutzutage bei Ausreichend + weniger) vergeben werden müssen, wurde sie zum OStD zitiert und musste sich rechtfertigen. Sie bekam die ANWEISUNG, die Anforderungen eben so weit absenken senken, dass ein möglichst guter Schnitt herauskommt.

Uns das geht an der Hochschule so weiter. Bei mir wurden während des Studiums ebenfalls die Noten hinterher geschmissen. Wer macht heute noch einen Abschluss mit 3 oder schlechter? Nein, das schlechteste war eine 2,3.

Samstag gibt es schon lange keinen Unterricht mehr.
Das finde ich gut! Ganztagsschule ist schon zuviel.Vorbereitungs auf Vollzeitquatsch usw. Gehirnwäsche.

Es gibt Kuschelecken, in die die Kinder während des Unterrichts sich zurückziehen dürfen.
Das ist natürlich absoluter Blödsinn. Seit wann gibt es das? Heute keinen Bock auf Unterricht? Ach, dann gehe ich einfach in die Kuschelecke.

An den meisten Schulen werden in der Unterstufe keine Noten vergeben.
Noten sehe ich in der Tat auch kritisch - ich wüsste aber erlichesagt keine Lösung wie man a) das Konkurrenzdenken aufheben könnte b) keinen Leistungsdruck erzeugt und c) trotzdem Motivation schafft, mitzumachen.
 

Nein, wenn der "Druck" unerträglich wird. :dizzy:

Noten sehe ich in der Tat auch kritisch - ich wüsste aber erlichesagt keine Lösung wie man a) das Konkurrenzdenken aufheben könnte b) keinen Leistungsdruck erzeugt und c) trotzdem Motivation schafft, mitzumachen.

a) Konkurrenzdenken ist gut! Es ist Aufgabe der Lehrkräfte, eine humane Form des Wettbewerbs zu vermitteln. Denn auch das muss unbedingt erlernt werden!
b) Warum soll ich mich besonders anstrengen, wenn ich dann keine besonders gute Note bekomme? Noten sind doch Ansporn!
c) Die Motivation darf sowieso nicht erfolgen, weil es Noten gibt. Noten sind das Ergebnis der Motivation. Motivation ist die Grundvoraussetzung für jeden Lernerfolg.
 
Ich schreibe hier nix. Mein Gekotze würde zu sehr stinken.

An anderer Stelle schrob ich bereits, dass die Zustände im Bildungswesen für mich die größte Enttäuschung im vereinigten Deutschland darstellt(e).
 
Habe mir nicht alles durchgelesen aber so recht verstehe ich das Jammern von @hasenbein nicht. Schmeiß doch die Schüler raus, die unpünktlich, faul, respektlos und ohne Manieren daherkommen. Wo ist das Problem?
 
Ich möchte ein bisschen Hintergrund beisteuern:

Kinder kommen heutzutage teilweise schon mit 5 (!) zur Schule. Der Stichtag ist der 30.9., wer bis dahin 6 wird muss im gleichen Jahr zur Schule. Ein Zurückstellen ist zumindest hier in NRW so gut wie unmöglich. Es gibt Unterschiede in der Entwicklung von kleinen Kindern, so kommt es dass komplett schul-unreife Kinder zur Schule gehen müssen und mit den Anforderungen dort zurechtkommen müssen.
Für diese Kinder sind die Kuschelecken. Die anderen Kinder haben Glück und können die Kuschelecken auch nutzen.

Dieses eine Jahr im Kindergarten, das manchen Kindern zur Entwicklung fehlt, kann nie wieder aufgeholt werden. Oft resultiert es in unmöglichem, aggressivem, störendem Verhalten in der Klasse.

Ich finde es sehr schade dass alle Kinder, egal an welchem Entwicklungsstand sie stehen, in die Schule gesteckt werden.
 
Frage: Wann hast Du das letzte Mal in einer Grundschule assistiert, und zwar nicht irgendwo in Bayern auf dem Land, sondern in einer Großstadt? Was macht der brauchbare Grundschullehrer, wenn seine Klasse zu 80+% aus Nichtmuttersprachlern besteht?
Das Problem der Nichtmuttersprachler ist meines Erachtens noch gar nicht richtig erkannt worden. Ich habe nach dem Studium für ungefähr ein Jahr in der Schülerhilfe gearbeitet. Die Kinder, die dort erscheinen, sind sehr interessant. Es handelt sich entweder um Kinder von überambitionierten Eltern, die für Jahre in die Nachhilfe geschickt werden als quasi 2. Schule, weil sie nur gute Noten erreichen statt sehr gute, oder es sind Kinder mit Migrationshintergrund, auf deren spezielle Bedürfnisse die Schule nicht eingestellt ist.

Sie müssten nämlich eigentlich Unterricht in Deutsch als Fremdsprache bekommen. Das ist aber ein völlig anderer Unterricht als der Deutschunterricht, der vorgesehen ist*. Der richtet sich aber selbstverständlich an Muttersprachler und ein Kind, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, kann da eigentlich nur scheitern und das ist sehr traurig. Es ist nämlich bewundernswert, wie gut diese Kinder schon nach wenigen Jahren Deutsch sprechen können, ich war immer wieder baff. Aber die Sprache bietet Fallstricke genug und da sie einem in jedem einzelnen Fach vorgesetzt wird, stolpert man entsprechend oft. Am Ende steht dann schwaches Selbstbewusstsein und Überzeugung der eigenen Unfähigkeit bei absolut intelligenten und leistungsfähigen Kindern.

*Das Unterrichtsmaterial ist anders und jemand, der Lehramt Germanistik studiert hat, ist keineswegs automatisch qualifiziert als Sprachlehrer zu arbeiten!

lg marcus
 

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