Natürlich muß man hier wie auch sonstwo aufpassen, was Herausgeber aus den Noten machen, hinzufügen - oder wegnehmen. Wenn ich z.B. aus IMSLP die Klindworth-Ausgabe nehme, und z.B. den Triller von Takt12 des 24.Preludes nehme (oder die entsprechenden anderen Trillerstellen, für die dasselbe gilt), so wird er dort von der oberen Hilfsnote vorgeschlagen, obwohl der vorherige Melodieton die obere Wechselnote verwendet. Nur mal als Beispiel. ;)
wo Manusskript und/oder erste autorisierte Ausgabe vorliegen, sind die natürlich zu berücksichtigen, ebenso spätere Urtextausgaben.
Takt 10 und Takt 12 des d-Moll Preludes sind interessant (angehängt):
Takt 10 klingt harmlos bzw. freundlich, wenn man nach den anlaufenden beiden kleingestochenen 16teln von der oberen Note trillert - macht mans nicht so, dann entsteht eine Tonwiederholung ---
aber da tauchen noch mehr Ausführungsprobleme auf, den die mehr oder weniger verlässlichen Zeitzeugen überlieferten ja noch eine andere "Chopin-Regel", nämliich Verzierungen nahezu komplett auf die Zählzeit zu spielen: Diese zwei "überlieferten Regeln" machen es halt etwas heikel ;) denn der Notentext selber sieht nicht zwingend notwendig so aus, wie es die vermeintlichen Regeln haben wollen.
Takt (11) 12 hat vor und nach dem Triller das a, also die obere Wechselnote als Melodietöne: das wäre ein bisschen viel a und ein bisschen wenig g in dieser Phrase.
(im Anhang die Fingersätze vom Hg. legen für diese Stelle das beginnen auf der Hauptnote nahe)
Dein Beispiel, wenn die Hauptnote mit der Begleitung dissoniert, finde ich auch bedenkenswert in dem Zusammenhang. Dies muß eben von Fall zu Fall abgewogen werden bei nicht (vom Komponisten!) ausnotierten Stellen. Zeitzeugendokumente empfinde ich zumindest als durchaus hilfreich bei der Entscheidungsfindung, auch wenn sie das eigene Nachdenken nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können.
Leider sagen diese Dokumento nur selten "in Werk Nr. xy Takt xy Triller Nr. xy hat der Meister es so oder so gespielt und wollte es auch so haben, auch wenn die eigene Notation des Meisters es nicht augenfällig nahelegt" ;) Die Rätselraterei hätte keinen Nährboden, wenn alle Verzierungen exakt ausnotiert worden wären - aber bei der Notation wurden halt abkürzende Zeichen (tr. etc) verwendet, sicher in der Überzeugung, dass deren Ausführung allgemein bekannt und üblich ist. Also bleibt nichts anderes übrig, als abzuwägen und selber zu entscheiden, ob die beiden vermeintlichen Regeln pauschal zutreffen oder nicht.
Mit der dissonanten Wirkung: die a-Moll Mazurka aus op.68 posth. hat gleich im ersten Takt einen Triller auf dem dissonanten dis: hier klingt es tatsächlich besser, wenn man auf der Hauptnote beginnt.
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die Verzierungen der ersten Invention: Geschmackssache, wie viele Noten man einem Prallerchen gibt - die
schlichteste Lösung ist (jeweils auf der Zählzeit):
c-h-c----- (Mordent auf c)
c-d-c----- (quasi Umkehrung des Morent nach oben)
spielt man mehr Noten (z.B. statt cdc etwa dcdc oder gar dcdcdc), ist das abhängig vom Können.
Noch ein Vorschlag zum Klavier und der Ausführung auf dem Klavier: kleine Verzierungen müssen nicht mit derselben Tonstärke wie Hauptnoten gespielt werden. Z.B. die Achtel im ersten Takt inklusive Verzierung kann man folgendermaßen bringen:
g----c----hc
h---c----/d (also die fett gedruckten Haupttöne in ihrer gewünschten Lautstärke, die Verzierung quasi diskreter.