Arbeit an Phrasierungen

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Bestimmte Silben können also betont werden, es gibt nicht nur eine Möglichkeit, je nachdem was ich inhaltlich sagen will. Nicht möglich, weil sinnentstellend, wäre:

ich spiele Klavier

ich spiele Klavier.

Es gibt also auch in der Phrasierung "No-Go's".

Nun, das liegt einfach daran, daß sprachliche "Phrasierung" nicht gegen den Wortakzent verstoßen darf, im obigen Bsp. also nicht gegen den Anfangsakzent des germanischen "spielen" und nicht gegen den Endakzent des romanischen "Klavier". Diese Beschränkung hat wohl keine musikalische Parallele, oder irre ich mich?
 
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Ich würde schon sagen, dass es da eine gewisse Parallele gibt. Gerade z.B. aufsteigende Seufzermotive im crescendo sind so ein Fall (also eine Folge wie c'-h d'-c' e'-d'). In diesem Fall sollte das h schwächer sein als das folgende d' und schwächer sein als das vorangegangene c'.

Man kann sich das so vorstellen, dass man das crescendo in diesem Fall über c' - d' - e' macht und nur die Seufzertöne h, c', d' ein bisschen zurücknimmt, so dass aber dennoch das crescendo insgesamt funktioniert.
 
Ich würde schon sagen, dass es da eine gewisse Parallele gibt. Gerade z.B. aufsteigende Seufzermotive im crescendo sind so ein Fall (also eine Folge wie c'-h d'-c' e'-d'). In diesem Fall sollte das h schwächer sein als das folgende d' und schwächer sein als das vorangegangene c'.

Man kann sich das so vorstellen, dass man das crescendo in diesem Fall über c' - d' - e' macht und nur die Seufzertöne h, c', d' ein bisschen zurücknimmt, so dass aber dennoch das crescendo insgesamt funktioniert.


Danke für den Einwand - aber wäre das nicht eher eine Parallele zu dem, was man in der Linguistik "Ikonizität" nennt, d.h. die Nachgestaltung eines komplexen außersprachlichen Vorgangs mit den limitierten Mitteln der Sprache? Reale Seufzer-"Ketten" kann man sich doch sehr leicht mit einem "trochäischen Rhythmus" vorstellen. Wir hätten hier also kein "absolutes" musikalisches Phänomen, sondern die Imitation einer psychosomatisch bedingten menschlichen Schallkonfiguration.
 
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Nun, das liegt einfach daran, daß sprachliche "Phrasierung" nicht gegen den Wortakzent verstoßen darf, im obingen Bsp. also nicht gegen den Anfangsakzent des germanischen "spielen" und nicht gegen den Endakzent des romanischen "Klavier". Diese Beschränkung hat wohl keine musikalische Parallele, oder irre ich mich?

Lieber Friedrich,

Ich kenne mich leider zuwenig in der Sprache und den Versmaßen aus, um diese Frage eingehend beantworten zu können (s. auch Pianoboes letzten Beitrag). Mit meinem Beispiel wollte ich verdeutlichen, dass es auch in der musikalischen Phrasierung "No-Go's" gibt, die musikalischen Parametern ähnlich einem Wortakzent zuwider laufen. Überhaupt nutze ich, um Phrasierung einzuführen, bei Schülern gern als Erstes solche sprachlichen Vergleiche, weil man mit der Muttersprache automatisch eine Sprachmelodie verinnerlicht hat, ohne sich dessen (zumindest häufig) bewusst zu sein. Über diese Bewusstwerdung kann man verstehen lernen, warum Phrasierung überhaupt wichtig ist und wie sie funktioniert. Von dem, was man bereits kennt (Sprache), kann man lernen und Erkenntnisse auf anderes übertragen (Musik).

Vielleicht können wir als Beispiel mal einen vertonten Text nehmen - im Übrigen ist Rolfs Tipp, sich Arien etc. anzuhören, sehr wichtig. Da kann man lernen, wie ein guter Sänger phrasiert.

Wir können aber auch mal schauen, was ein Komponist mit einem Text macht. Nehmen wir mal das erste Stück aus der Winterreise von Schubert, der hier ein Gedicht von Wilhelm Müller vertont:

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Wenn man da den Gedichttext im jambischen Versmaß (oder? - schwitz :D ) im Verhältnis zum Metrum (2/4-Takt) und der Phrase betrachtet, fällt doch auf, wie oft (nicht immer) Wortakzente des Textes mit der Phrasierung der Melodie korrelieren. Im ersten Teil der Phrase ist der Höhepunkt auf "zo" , diese Silbe steht auf der 1. Taktzeit und hat den längsten Notenwert. Faszinierend und - mir fehlen da die Worte - von unglaublicher Intensität ist die Wort-Ton-Verbindung bei Schubert. Hier z.B. bezogen auf das Wort "Fremd". Dieses Wort ist inhaltlich von großer Bedeutung und beschreibt einen Teil des Lebensgefühls des Wanderers. Müller setzt es an den Anfang, es verweigert sich quasi dem jambischen Versmaß, wiederholt es am Anfang der nächsten Zeile nochmal und Schubert setzt das genial um, indem er für dieses Wort, obwohl auftaktig, den höchsten Ton der Phrase nimmt (für den Sänger ein wahrlich nicht leichter Beginn dieses wunderbaren Werkes). Schubert setzt also das, was Müller inhaltlich wollte, wunderbar musikalisch um.

Was ich damit sagen will: Schubert wie auch Mozart und andere gingen auch sehr vom Gesang aus, der natürlich eine Vertonung eines Textes ist. In ihren Instrumentalstücken findet sich diese Verbindung wieder, die langgezogenen Spannungsbögen und Phrasen von Schuberts Sonaten sind m.E. nicht ohne Kenntnis seiner Lieder zu verwirklichen. Ich bin keine Musikwissenschaftlerin und andere können hier vielleicht deutlicher werden, aber ich glaube (ich weiß aber zuwenig darüber), dass es eine Verbindung zur Sprache gibt, wenngleich ich mich hier auf glattes Eis begebe.

Übrigens geht es auch andersrum, denn im Unterricht verwendet man nicht selten Texte, um Musik zu unterlegen und bestimmte Zusammenhänge und musikalische Elemente (Rhythmus, Phrasierung, Artikulation....) zu verdeutlichen. :)

Liebe Grüße

chiarina
 
Ja, solche Dinge sind eine Parallele zur Sprache - beziehungsweise, eigentlich zu (emotionalen) Lautäußerungen. Seufzen, Wehklagen, Rufen, Wimmern, Weinen... - solche Dinge finden sich vertont schon mal in der Musik, und können sehr mächtig wirken.

Solche Lautäußerungen gehören auch zur "universellen" Sprache der Menschen - und sind deshalb dann auch sprach- und kulturübergreifend verständlich, in vertonter Form.

Ein Musikstück kann aber z.B. auch aussagen: "Ich habe mir lange Zeit viele Dinge gefallen lassen - aber jetzt zeig' ich einmal, wie stark ich bin". Mit musikalischen Mitteln lassen sich solche Dinge wohl nonverbal ausdrücken.

Viele Grüße.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich muß widersprechen... ;) verbal heißt: mit Worten. Nonverbal heißt: ohne Verwendung von Worten ;)

Was anderes wären Arien usw., da ist ja dann Text mit dabei.

Interessant auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Basisemotion

(aber wahrscheinlich meintest Du das irgendwie ironisch?)
 
Nun, das liegt einfach daran, daß sprachliche "Phrasierung" nicht gegen den Wortakzent verstoßen darf
manchmal kollidiert das:
"hei unser Held Tristan
wie
der Zins zahlen kann"
(fett markiert die musikalischen Betonungen, die dem sprachlich üblichen doch etwas zuwider laufen... ok, oft passierte dem Wagner das nicht, aber das ist eine bliebte Stelle) :-)
 
richtig - Gesang ist ja praktisch das Bindeglied zwischen Sprache und (nonverbaler) Musik... und ein wesentliches Merkmal für den Gesang ist die Melodie (ebenfalls ein musikalischer Grundbegriff) und deren gute Gestaltung (Interpretation)
im Übrigen ist Rolfs Tipp, sich Arien etc. anzuhören, sehr wichtig. Da kann man lernen, wie ein guter Sänger phrasiert
das geht aber z.B. auch mit guter Pop- oder Folkmusik, u.a.
 
findet sich nicht speziell für Klavierspieler bei Marek und Werner das ganze Poetik-Rhetorik-Zeugs (Versfüße etc.) bezogen auf Bachsche Themen? ;-)

Das kenne ich und das meinte ich nicht. Ich kann nichts über Sprache und Wortakzente sagen, weil ich mich damit zuwenig auskenne. Die Versmaße sind doch nur ein winziger Teil dessen, was Friedrich meinte, wenn ich es richtig verstanden habe.

Liebe Grüße

chiarina
 

manchmal kollidiert das:
"hei unser Held Tristan
wie
der Zins zahlen kann"
(fett markiert die musikalischen Betonungen, die dem sprachlich üblichen doch etwas zuwider laufen... ok, oft passierte dem Wagner das nicht, aber das ist eine bliebte Stelle) :-)

Hier ist meine Lieblingsstelle:

Wohin ich forschend blick
in Stadt- und Weltchronik

(Meistersinger, Wahn-Monolog)

LG, Mick
 
Ich habe noch einmal nachgeschaut, aber in bezug auf den Wortakzent nur folgendes Zitat gefunden:

"Aus den Psalm- und Lektionstönen entwickelte sich das unbegleitete, dann das Accompagnato-Rezitativ, das als ein wesentliches Charakteristikum den Wortakzent mit seinem Nachdruck bzw. die Verlängerung von Wortsilben hervorbringt.
Nicht nur die Sänger im Rezitativ richteten sich vor der allgemeinen Einführung des Taktstrichs (etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts) uneingeschränkt nach dem Wortakzent. Die heutige Forschung hat nachgewiesen, dass zur Zeit der mensural notierten Musik die Akzentuierung in der Instrumentalmusik auf gleiche Weise beachtet wurde. Diese Erkenntnis ist wichtig für die Interpretation der Instrumentalmusik vor 1700.

Die Musiker des 17./18. Jahrhunderts betonten primär die guten Noten oder die guten Taktteile, die durch die Taktart einer Komposition vorgegeben waren." (aus "Das Clavierspiel der Bachzeit" von Paul Heuser, S. 104)

Ich denke, du hast also recht, lieber Friedrich, wenn du vermutest, dass es keine rein musikalische Parallele zum Wortakzent gibt. Natürlich sind Sprache und Musik eng miteinander verbunden, aber die Vorlage ist doch - so scheint es - die Sprache, aus der der Gesang geboren wird, und nicht umgekehrt. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.

Liebe Grüße

chiarina
 
die Vorlage ist doch - so scheint es - die Sprache, aus der der Gesang geboren wird, und nicht umgekehrt. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.
Wiki sagt auch etwas zu Gesang:
Gesang existiert in sehr unterschiedlichen Formen und umfasst ein weites Spektrum an klanglichen und musikalischen Möglichkeiten von völlig frei aneinander gereihten Vokalen in unterschiedlicher Tonhöhe, Lautstärke, Rhythmus und Klanggepräge über liedhaften, volkstümlichen Gesang bis hin zum virtuos verzierten Kunst-Gesang (Belcanto).

http://de.wikipedia.org/wiki/Gesang

vielleicht basierten die ersten menschlichen Gesänge auf Vokalen oder einfachen Silben...?
 
Hier ist meine Lieblingsstelle:

Wohin ich forschend blick
in Stadt- und Weltchronik

(Meistersinger, Wahn-Monolog)

LG, Mick

Und hier meine:

"Wohin ich forschend blick'
in Virtuosen-Chronik,
nirgends find ich Mick."

:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D:-D


( Sorry, Mick, aber das "musste sein", um es mit Deinen Worten aus dem "Notenpreise-Thread" zu sagen. )

Spaß beiseite:

Hier eine ernste Stelle von Sprache und damals mit Sicherheit passender Musik ( da hilfts auch nicht, dass Professoren im Internet sowas heute in DUR bzw. fröhlich vorsingen - sowas gehört in Moll mit Bordun, traurig und elend ) :

( Hab Band 2 grad irgendwo, weiß nicht, wo, daher Zitat DEUTSCH aus Web, "Nibelungenlied", 36. Aventiure: : )

Da begann von Tronje | Hagen, der Ritter gut:
"Wen der Durst bezwingen will, | der trinke hier das Blut,
Das ist in solcher Hitze | besser noch als Wein;
Zu essen und zu trinken | kann hier nichts and(e / ' )res sein." (2180)

( Worauf sie aus den Wunden der Toten, die im Blutsaal herumlagen, das Blut tranken, und sich relativ erquickt fühlten, denn man weiß ja von Stämmen aus Afrika, dass sie zum Beispiel Rinder "anzapfen", und deren Blut trinken, um Kraft zu gewinnen, aber die Rinder lassen sie nicht verbluten, sondern stöpseln die Wunden an der Halsschlagader dann zu, mit relevanten Mitteln oder Stöcken, damit sie hinterher auch noch wa von ihnen haben!!!! Ich denke, das ist vernünftig!!!! Oder ? :lol::lol::lol::bomb:

LG, Olli! :blume::blume::blume:
 
Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.

Vielen Dank, liebe Chiarina; ich denke aber, das Belehrungsbedürfnis liegt bei mir. Dein Hinweis auf Müller / Schubert ebenso wie die Wagner-Beispiele von Rolf und Mick, so fürchte ich, verkomplizieren unsere Situation, denn hier geht es um poetische Texte, und in denen gibt es ein notorisches Problem, nämlich den potentiellen Konflikt zwischen Wortakzent und Versiktus (metrisches / rhythmisches Verschema). Der zeigt sich besonders dort, wo Versschemata durch Kulturkontakt importiert werden, z.B. im Lateinischen, für das die griechische Metrik einfach nicht gemacht war.

Die anfängliche Lösung ist das "anything goes" - Prinzip, d.h. man baut Verse einfach nach dem Wortakzent und achtet darauf, daß am Ende die Verscharakterisitk erhalten bleibt; beispielsweise sind in einem Iambus alle Längen und Kürzen wurscht, Hauptsache man Schluß geht es auf ta taam (v --) aus. Mit der Zeit ist die Adaption doch erfolgreich, so daß das Phänomen bei souveräner Beherrschung der Metrik nicht mehr oder nur noch selten auftritt, letzteres etwa bei Wagner, der halt gut daran getan hätte, seine Libretti von einem Profi durchschauen zu lassen (ws natürlich nicht seine bewußten Knittelverse in den Meistersingern betrifft). Ab der historischen Phase, wo die Adaption abgeschlossen ist, kann der Konflikt dann als "Stilmittel" eingesetzt werden (technisch: eine pragmatische Funktion bekommen). So ist es in Deinem Winterreise-Beispiel:

Frémd bín ich eingezogen
Frémd zíeh ich wieder aus
Der Maí war mir gewogen
mit mánchem Blumenstrauß

Der Verstoß gegen den Versiktus hat hier klar den Zweck der Fokusbildung auf "fremd", denn ab v. 3 geht es ja "normal" weiter.

Meine Verständnisschwierigkeiten bei dan ganzen Thema liegen freilich woanders, nämlich bei dem Begriff der Phrase selbst, der ja aus der Sprache entlehnt ist. Sprachwissenschaftlich ist eine Phrase (außer bei den Generativisten) eine syntaktische Einheit unterhalb der Satzgrenze (aber oberhalb der Satzgliedgrenze). Nehmen wir den Anfang der Odyssee:

anthra moi ennepe | musa | polytropon | os mala polla
den Mann mir nenne, Muse, den vielgereisten, der sehr viel

plachthe
umherirrte

Der Satz "den Mann ... umherirrte" ist hier in vier Phrasen (»Kola«) unterteilt, die durch Sprechpausen (»Zäsuren«) gekennzeichnet werden. Die Phrasengrenzen werden dabei durch die syntaktische Gliederung des Satzes bestimmt.

In absoluter Musik gibt es keine sprachlich determinierte syntaktische Struktur. Was ist dann eine »Phrase«? Ich habe in der Schule gelernt: mehr als ein Motiv, aber weniger als ein Thema (offenbar ein Analogiekonstrukt zum sprachlichen Phrasenbegriff). Wenn das so ist, kann die Phrase aber, anders als im Odysee-Bsp., wo Versiktus und Wortakzent kongruieren, vom Grundrhythmus des Taktes völlig unabhängig sein, nicht war? Wo liegt dann der Zusammenhang zwischen Phrase und Takt, von dem ihr da redet? Ich habe gestern Abend César Francks Symphonie gehört und frage mich nun, wo und inwiefern z.B. am Anfang des 3. Satzes so ein Zusammenhang herzustellen wäre:

upload_2014-5-9_11-34-50.png

Vielleicht hast du eine Antwort für mich, am besten auf den Niveau einer bigdummies introduction to musical phraseology.

Dank und Gruß,

Friedrich
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann das nicht so gut erklären wie chiarina, ich versuch mal meine eher praktische Herangehensweise zu erläutern:

Der letzte Satz der d-Moll Sinfonie wird ja in einem 1er Takt geschlagen. Das heißt, der Puls der Musik liegt in diesem Fall immer auf die Zählzeit 1 und keine andere Zählzeit hat Gewicht. Durch die Synkopierungen fällt dieser Puls jetzt auf der schweren Zählzeit aus und die 4 gewinnt Gewicht im ersten und dritten Takt der Phrase.

Dadurch ergeben sich 4 Kandidaten, die man bei der Gestaltung der Phrase gewichten könnte: fis, e, h, A (Die Phrase ist im Bass-Schlüssel notiert, spielen ja die Fagotte). Der Einsatz ist dolce cantabile, also wird das fis nicht betont. Das h und das A sind zu nah aneinander, werden beide betont wirkt das ordinär. Die Betonung des A ist aber durch die Synkope geradezu zwingend, daher wird das h nicht betont.

Im Ergebnis sind die "Höhepunkte" der Phrase hier durch die Synkopen erzwungen. Insofern finde ich nicht, dass Takt und Phrasierung gänzlich unabhängig sind.
 
Spaß beiseite:

Hier eine ernste Stelle von Sprache und damals mit Sicherheit passender Musik ( da hilfts auch nicht, dass Professoren im Internet sowas heute in DUR bzw. fröhlich vorsingen - sowas gehört in Moll mit Bordun, traurig und elend ) :

( Hab Band 2 grad irgendwo, weiß nicht, wo, daher Zitat DEUTSCH aus Web, "Nibelungenlied", 36. Aventiure: : )
(korrekt zitieren und nachvollziehbare Quellenangaben, auch bzgl. einzelner Verse, waren schon immer der Bücherwürmer hehrste Tugenden)

gemeinhin ist das die 35. Aventiure, im Original (Handschrift C) sieht das so aus:
2170,1
Do sp/ra\ch von Tronege Hagene ir edeln ritt/er\ gvot
2170,2
swen d/er\ dvrste nv twinge d/er\ tri/n\che hie daz blvot
2170,3
daz ist in solhen noten noch bezzer danne win
2170,4
fvr trinchen vñ fvr spise kan niht and/er\s nv gesin
findet sich z.B. hier: https://www.blb-karlsruhe.de/virt_bib/nibelungen/frame-av.php?r=8

nun fragt sich, was ein ältere Übersetzung des mittelhochdeutschen Nibelungenlieds mit der Frage nach der musikal. Phrasierung zu tun hat...
 
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Lieber Friedrich,

herzlichen Dank für deine Antwort, die Klarheit schafft (zumindest für mich :D ).

Ich hatte ja weiter oben diesen Text verlinkt http://www.hermann-keller.org/aufsa...zeitungen/1929artikulationundphrasierung.html und ich zitiere daraus:

"Ich muß da aber doch zuerst die Begriffe nochmals genauer umreißen, wie ich sie verstehe: Phrasierung (übereinstimmend mit Wiehmayer) als die Lehre davon, wie musikalische Phrasen zusammenhängen, sich (in unregelmäßigen Fällen) gegenseitig überschneiden, verschränken, verketten usw. Unter „Phrase" versteht Wiehmayer eine Tonfolge, die einen Anfang und ein Ende für sich hat, und eine leicht übersehbare Größe (a. a. O., S. 84). Dieser Definition möchte ich heute etwas zufügen: so, wie es in der Sprache keinen Satz gibt ohne Verbum, so in der Musik keine Phrase ohne einen harmonischen Vorgang. Also: eine Tonfolge im gebrochenen c-dur-Akkord ist keine Phrase, auch wenn sie einen deutlichen Anfang und Ende hat und leicht übersehbar ist. Vielmehr, daß etwas geschieht, daß der Satz einen „Inhalt" hat, wird, wie in der Sprache durch die Verbalkonstruktion, so in der Musik einzig durch die Harmonik bewirkt, meist in Form einer (vollständigen oder unvollständigen) Cadenz."

Ich sehe schon Analogien zur Sprache und deinem griechischen Beispiel (und auch zu deinem Schulwissen :)). Allerdings ist der Zeitraum, den ein musikalisches Thema einnimmt (das Thema wäre ja analog zu deinem kompletten Satz), in der Musik erheblich größer als die Zeit, die das Sprechen deines griechischen Satzes benötigt. Ein Thema hat in der Regel mindestens 8 Takte und die dauern eben normalerweise in der Ausführung länger als dein Satz. Das bedeutet aber auch, dass man im Notentext die Räume erweitern muss - so ein griechischer Satz nimmt satz- und lesetechnisch nicht so viel Platz ein wie 8 oder mehr Takte eines Themas.

Es braucht trotzdem einiges an Erfahrung, um Phrasen, Themen, Motiven zu erkennen und ich beginne bei Schülern damit, dass sie Gleiches und Ähnliches wiederfinden sollen. Meistens beginnt ein Stück mit dem Thema (oder einer Einleitung) und wenn man dann das Stück auf diese Weise durchforstet, erkennt man die Themenanfänge und hat schon einmal wichtige Anhaltspunkte für den Beginn von Phrasen. Vom Großen zum Kleinen. Im Übrigen gibt es ja durchaus von Komponisten gesetzte Phrasierungsbögen, die uns Hinweise auf die Gestaltung von Phrasen geben.

Bevor ich zu deinem Beispiel komme, möchte ich noch ein Missverständnis (so glaube ich) aufklären. Du schreibst:

Wenn das so ist, kann die Phrase aber vom Grundrhythmus des Taktes völlig unabhängig sein, nicht war? Wo liegt dann der Zusammenhang zwischen Phrase und Takt, von dem ihr da redet?

Ich würde aus meiner Perspektive sagen, dass die Phrase nie unabhängig vom Metrum sein kann, denn das Metrum ist immer "da" und spürbar, allerdings kann - und das meintest du ja - die Phrase auch gegen das Metrum sein. Zudem ist es auch kein Zufall, dass Phrasen oft eine gerade Anzahl von Takten dauern, wenn man mal von Übergänge, Überleitungen, Schnitten etc., die Schnittstellen zwischen zwei Phrasen bilden können (s. obiges Zitat), absieht. Da eine Phrase, eine Melodie, sich immer auch auf die Zeit bezieht, in der sie verläuft, und das Metrum eine Art Gliederung dieser Zeit darstellt, gibt es m.E. keine wirkliche Unabhängigkeit.

Als ich von dem Bezug auf das Metrum sprach, sprach ich von der Phrasierung! Wie man also eine bereits als solche erkannte Phrase gestaltet. Phrasierung erfolgt in zwei grundsätzlichen Schritten: erst die "Interpunktion" setzen, also die Struktur und Form kenntlich machen (Themen, Phrasen, Motive..... ), dann die Phrasen gestalten (Höhepunkte/Ziele setzen, Spannungverläufe untersuchen, Intervalle etc.). Der zweite Schritt, der wie gesagt immer mehrere Lösungen beinhaltet, benötigt zu dieser Lösung auch die Einbeziehung der metrischen Aspekte. Höhepunkte sind oft auf betonten Taktzeiten zu finden, selten z.B. auf einer 1+, es sei denn, es handelte sich um eine Synkope, die eine bewusste rhythmische Verschiebung gegenüber dem Metrum darstellt.

Nun zu deinem Beispiel.

Es zeigt gut, dass man ohne den Kontext eine Phrase schwer als solche beurteilen kann, wobei hier natürlich ein Phrasierungsbogen (falls es Urtext ist) bereits vorhanden ist. Ich musste mir aber erst mal den Anfang komplett ansehen http://imslp.org/wiki/Symphony_in_D_minor_(Franck,_César - einfach auf "View" klicken, dann wird der Anfang sofort angezeigt) .

Da wird dann schon Einiges klarer. Der Satz beginnt mit einer Einleitung, dann wird das Thema von den Celli und Fagotten vorgestellt. Nun scheinst du dir unsicher zu sein, was denn hier nun Phrase und was Thema ist. Da könntest du dir den Notentext der nächsten Seiten anschauen, nach dem oben erwähnten System "wo tritt der Anfang dieses Themas wieder auf?". Und heureka, was stellst du fest? 8 Takte (nanu :D) später wird es von denselben Instrumenten wiederholt (mit dem kleinen Detail der vorweggenommenen Synkope zu Beginn). Der von dir hier verlinkte Abschnitt dauert vier Takte, er ist mit einem Phrasierungsbogen gekennzeichnet und endet mit einer Pause, die als Zäsur oder Atemzeichen fungiert. Da bin ich natürlich auf die nächsten vier Takte gespannt (danach beginnt ja wieder der Anfang deines Abschnitts). Es geht anders weiter, die im Wesentlichen vorher abwärts geführte Melodie schwingt sich wieder auf, besteht hier allerdings aus zwei Teilen, von dem der zweite eine Sequenz des ersten ist.

Bevor ich mir nun ein Urteil bilde (ich habe bereits eine Vermutung, dass es sich um ein achttaktiges Thema handeln könnte, bestehend aus zwei Phrasen, wobei man die zweite Phrase mit den zwei Sequenzen auch als zwei kleine Phrasen ansehen könnte, die ich aber eher als Motive empfinde), schaue ich mir die Entwicklung weiter an: wie ist es denn bei der Wiederholung des Themas ab T. 15? Aha, da wird der zweite Teil des Themas, also die zweite Phrase von den 1. Geigen weiter geführt, allerdings etwas verändert. Das bestärkt mich in meiner Vermutung 2 x 4 Takte. Dann interessiert mich, was nach diesem Teil passiert. Und ich sehe, dass Franck den Bogen bis T.37, dem neuerlichen Beginn des Themas, weiter spannt mit der Entwicklung des sequenzierten Motivs, bis dann T. 37 volles Rohr das Thema wieder erscheint.

Ich denke also zunächst, dass es sich um ein achttaktiges Thema mit zwei Phrasen, handelt, allerdings würde ich mir normalerweise immer erst die Großform anschauen, was mir hier zuviel Arbeit ist :) , denn es ist auch möglich, dass es sich um eine 16-taktiges Thema o.ä. handeln könnte (ich kenne die Symphonie nicht gut genug, um aus dem Kopf das beurteilen zu können). Sinnvoll und wichtig in dem Zusammenhang sind Grundkenntnisse von Perioden und Sätzen http://de.wikipedia.org/wiki/Periode_(Musik) .

Die Bildung der Phrasen und Themen ergibt sich also immer aus dem Kontext.

Wenn ich nun zum zweiten Schritt der Phrasierung, der Gestaltung der Phrasen komme, schaue ich mir also die von dir zitierte Phrase an. Was fällt auf? Synkopen, gleich zwei an der Zahl sind vorhanden und sie bilden deshalb die Höhepunkte der Phrase. Allerdings ohne - wir sagten es schon - dass sie "betont" werden (wobei Synkopen aufgrund ihres Wesens mehr hervorgehoben werden als "normale" Höhepunkte und man in diesem Fall ausnahmsweise von Betonungen sprechen kann). Aber auch hier sind nicht die anderen Töne leise und bloß die Synkopen betont, sondern die Intervalle müssen gehört und wahrgenommen werden und die Synkopen gliedern sich in den Melodieverlauf mit leiseren und lauteren Tönen, mit unterschiedlichen Spannungsverläufen ein. Ein unter Schülern beliebter Fehler, wenn ich das mal so sagen darf, ist z.B., das a nach der ersten Synkope viel zu laut zu spielen anstatt zu hören, wie die Synkope leiser wird und sich das a da dynamisch anschließen sollte, zudem der weitere Verlauf von dem leisen a auf die nächste Synkope zusteuert. Die Phrase endet in einem decresc. und interessant finde ich, dass der zweite Teil des Themas, also die nächste Phrase, auf dem gleichen Ton A der vorherigen Synkope beginnt und so eine Verbindung hergestellt wird. Von diesem A nun geht es zum sogar vom Komponisten vorgeschriebenen (falls Urtext) Höhepunkt H auf der nächsten "1". Hurra, wir haben eine "1" als Höhepunkt (vorher nicht)! Man würde aber auch ohne die cresc.-Angabe das H als Höhepunkt spielen, da es eine Halbe (längster Notenwert) ist, auf der 1. Taktzeit steht und sich die Melodie dorthin nach der auftaktigen Abwärtsbewegung aufschwingt (einziges aufwärtsstrebendes Intervall einer Quarte) und danach sich wieder in einer abwärts gerichteten Sekunde entspannt. Die Sequenz dann ähnlich, wobei es eine Intensivierung erfährt, weil nun das aufwärtsstrebende Intervall größer, eine kleine Sexte ist und die Sequenz höher komponiert ist.

Ich habe jetzt meine persönliche Herangehensweise beschrieben in der Hoffnung, dass es nicht zu kompliziert ist, sondern deinem Wunsch entgegen kommt. Für mich ist das immer wie eine Entdeckungsreise: komme ich in ein unbekanntes Land, sehe ich auch erst die großen Eindrücke und dann die Details und es ist so spannend, zu sehen, hören, zu beobachten und wahrzunehmen, wie sich das Unbekannte nach und nach auflöst und zu etwas Vertrautem wird, das man in diesem Fall selbst gestalten darf. Dazu muss man erkennen, was IST.

Liebe Grüße

chiarina
 

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