1. Invention Bach: "Phrasierung"

Um auf das eigentliche Thema dieses Threads zurückzukommen:

Unter anderem ist mir Bewusst, dass

• in einem zweistimmig-polyphonen Stück beide Stimmen gleichberechtigt sind,
• dies aber gleichzeitig keinesfalls bedeutet, dass beide Stimmen immer zwangsweise gleich laut sein müssen.
• Diese Invention von Bach als Ausgangspunkt ein sogenanntes Thema hat
• und die vorherrschende Auffassung ist, dass sich dieses Thema im 1. Takt vom ersten c bis einschließlich des ersten g erstreckt. (Wobei manche auch anderer Ansicht sind.)

• Es für die Definition/Abgrenzung/Verwendung der Begriffe "Phrase", "Phrasierung" und "phrasieren" nie einen unumstrittenen, allseits anerkannten Konsens gab (siehe z.B.: "Busoni schreibt zwar phrasieren, aber es geht ihm hier um die Gestaltung eines Motivs") oder gibt (siehe z.B.: "Mein Lehrer [...] nennt die Gestaltung kleinster Sinneinheiten/Motive auch Phrasierung.")
• und diese Begriffe dementsprechend, insbesondere in Zusammenhang mit dieser Invention, nur mit höchster Vorsicht verwendet werden sollten.

Für den weiteren Gedankenaustausch schlage ich deshalb folgende Termini vor:

• "musikalischer Sinnzusammenhang" (statt dem – gemäß enger Definition falschen – "Phrase")
• "Kenntlichmachung eines musikalischen Sinnzusammenhangs" (statt dem – gemäß enger Definition falschen – "Phrasierung")
• "gestalten des klanglichen Ausdrucks eines musikalischen Sinnzusammenhangs" (statt dem – gemäß enger Definition falschen – "phrasieren")

Überdies ist mir insbesondere bewusst, dass

• nur an sehr wenigen Stellen der 1. Invention von Bach ein tatsächlicher Abschluss eines musikalischen Sinnzusammenhangs vorliegt.

In meinem Bestreben, die musikalischen Sinnzusammenhänge in der 1. Invention von Bach möglichst umfangreich selbst zu erkennen (anstatt unreflektiert die Anregungen von beispielsweise Ferruccio Busoni oder Willard Palmer zu übernehmen), hatte ich mir mit diesem Thread einige Anregungen erhofft.

Eine mögliche Quelle für solche Anregungen könnte beispielsweise folgende Fragestellung sein:

5. Takt, rechte Hand, zweite Achtel (d)

Ist diese ausschließlich dem vorherigen Sinnzusammenhang zuzuordnen? Oder zwar nicht ausschließlich, aber eher dem vorherigen? Oder ausschließlich dem nachfolgenden Sinnzusammenhang? Oder zwar nicht ausschließlich, aber eher dem nachfolgenden? Oder beiden gleichermaßen? Oder weder noch? Oder etwas ganz anderes? Oder vielleicht sogar nur solange beiden gleichzeitig, bis man danach fragt? (Schrödingers Katze lässt grüßen. :lol:)

Und vor allem: Warum? Gibt es Argumente die für/gegen die eine oder andere Ansicht sprechen? Welche sind das?

Beispielsweise: Eine Figur die fast genauso aussieht kommt ja auch schon zum Beginn des zweiten Taktes der linken Hand vor, allerdings mit einer folgenden Pause. Welche Bedeutung hat das für das d im fünften Takt? Hat es überhaupt eine?
 
All Deine Fragen hat doch Mick bereits ganz am Anfang ausreichend beantwortet.
Du kannst dir diesen Fortspinnungstypus wie einen Spaziergang durch eine weite Landschaft vorstellen. Am Horizont siehst du einen schönen Baum und gehst darauf zu. Kurz bevor du dein Ziel erreicht hast, blickst du auf und stellst fest, dass du von deinem neuen Standpunkt aus einen noch schöneren Baum sehen kannst, der sich am veränderten Horizont zeigt. Und so weiter. Auf die Invention übertragen: du spielst auf eine Note zu, die dir zu Beginn des Stücks als logisches Ziel erscheint; bevor du diese Note erreicht hast, suchst du dir eine neue Zielnote und spielst dann auf diese zu. So verlierst du auch in langen Abschnitten, die keine klar phrasierten Strukturen haben, nicht den Spannungsbogen und kannst dennoch beliebig kleinteilig von Punkt zu Punkt kommen.

Das ist so wunderbar erklärt, dass das sogar ich verstehe.
 
Ich verstehe durchaus, was mick mit der Analogie im Hinblick auf die 1. Invention zum Ausdruck bringen will.

Aber die Analogie von mick sagt mir eben gerade nicht, ob/welche Gründe es dafür gibt, gerade jenes d im fünften Takt als ein solches zwischenzeitliches Ziel zu sehen (und nicht stattdessen beispielsweise viel eher die Note davor).

Es sei denn, dass er mit der Analogie gleichzeitig auch zum Ausdruck bringen will, dass jede einzelne Note gleichberechtigt zwischenzeitliches Ziel sein kann. Was mich doch sehr wundern würde.

Oder in Anlehnung an die Analogie von Stilblüte: Man könnte die Invention zwar an sehr vielen Stellen einigermaßen sinnvoll zerschneiden, aber sicherlich nicht an allen. Schneide ich also eher vor oder nach jenem d, oder weder noch, oder vielleicht sogar davor und danach? Und warum? (Es geht an jener Stelle nur um die Stimme der rechten Hand.)

Vielleicht mag der eine oder andere ja auch tatsächlich mal in die Noten und die konkrete Stelle sehen, anstatt rein theoretisch/allgemein in Bezug auf Inventionen zu argumentieren. :-)

https://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/52570

Angenommen ich bin beim fis der rechten Hand im 4. Takt. Selbstverständlich gibt es dann mehrere Noten, die als mögliches Zwischenziel (Baum in der Ferne) infrage kommen.

Aber für ein nächstes Zwischenziel muss ich mich in dem Moment ja doch "entscheiden".
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber die Analogie von mick sagt mir eben gerade nicht, ob/welche Gründe es dafür gibt, gerade jenes d im fünften Takt als ein solches zwischenzeitliches Ziel zu sehen (und nicht stattdessen beispielsweise viel eher die Note davor).
Oh doch, und auch Rolf, Stilblüte und Hasenbein.
Eine andere Antwort auf deine Frage gibt es nicht. Man kann in dieser Art von Musik nicht sagen "Hier ist die Phrase zu Ende. Peng. Aus."...... Die Antwort ist ganz einfach und dennoch nicht banal: Ja.

nebenbei: die Bögen sind Klammern, welche thematische Zusammenhänge demonstrieren
nicht "geplant"...musikalischen Situationen

Als Laie verstehe ich das so:
Es macht musikalisch keinen Sinn, fixe Phrasierungs- / Artikulierungs- Whateverbögen zu definieren *. Jede "Wanderung" durch das Stück kann anders und neu sein. Es gibt keinen Grund für diese oder jene Artikulation als die eigene Wahrnehmung und der eigene Blick in dem Moment des Hörens / Spielens.

* zu Vortragszwecken macht es evtl. Sinn, sich auf eine Interpretation festzulegen.
 
Es macht musikalisch keinen Sinn, fixe Phrasierungs- / Artikulierungs- Whateverbögen zu definieren *. Jede "Wanderung" durch das Stück kann anders und neu sein. Es gibt keinen Grund für diese oder jene Artikulation als die eigene Wahrnehmung und der eigene Blick in dem Moment des Hörens / Spielens.

* zu Vortragszwecken macht es evtl. Sinn, sich auf eine Interpretation festzulegen.
Du hast das sehr schön formuliert.

Aber du gehst in deiner Antwort davon aus, dass mir das nicht bewusst wäre, obwohl es das ist. (Vom "fixen" festlegen/definieren/... habe ich übrigens nie gesprochen.)

(Meine geringe Zahl an Foren-Postings bedeutet ja nicht, dass ich nicht eine gewisse Kenntnis besitze. Ich habe diesen Thread ja nicht ohne Grund nicht im Anfänger-Forum gepostet. Trotzdem scheint mir, dass Aussagen in diesem Thread teilweise anhand des Post-Counters des jeweiligen Verfassers gewichtet werden.)

Und nur weil jede Wanderung anders sein kann, bedeutet das nicht zwangsweise, dass jede Note ein gleich-plausibles Zwischenziel darstellt.

inventio1.png

Oder wollt ihr damit tatsächlich sagen, dass, ausgehend von der blau-markierten Note, (beispielsweise) die rot-markiert Note ein exakt genauso plausibles Zwischenziel darstellt wie (beispielsweise) die grün-markierten Noten?
 
Zuletzt bearbeitet:
"Zwischenziele" liegen häufig auf schwereren Zählzeiten als Nicht-Zwischenziele. In einem 4/4-Takt ist die Reihenfolge der (Ge)Wichtigkeit der Zählzeiten: 1 3 4 2. Begründung: 1 ist eh klar, 3 wäre die 1 im 2/4-Takt und ist die nächste Zählzeit gemäß "Schwer-Leicht-Schwer-Leicht", 4 ist der Auftakt zur nächsten 1 und 2 bleibt als letztes Übrig.
Weiterhin sind "Zwischenziele" häufig Noten, die auftaktig zu Folgenoten gesehen werden können, oder Noten, denen abphrasierte Noten folgen (also solche, die der vorhergegangenen untergeordnet sind und "ausklingen".)
Eine Änderung der Harmonie kann Orientierung bieten, ebenso wie das Ende oder der Anfang eines häufig wiederkehrenden Motivs, oder dessen Fortspinnung oder Verlängerung.
Weiterhin alle Arten von Sequenzen (bei Bach meistens fallende, ab und zu steigende Quinten).

Ergibt das Sinn für dich?

Und: Nein, die rote Note macht als Zwischenziel keinen Sinn.
 
Selbstverständlich ergibt das für mich Sinn. :-) Vielen Dank für diese ausgezeichnete Antwort.

(Zwischenfazit: Jede Note ist ein Baum, aber nicht jeder Baum ist gleich groß/schön.)

Das ist doch eine sehr gute Basis, um wieder auf Takt 5 (und die ursprüngliche Fragestellung dieses Themas) zurückzukommen:

inventio1_2.png

Die rot-markierte Note beispielsweise finde ich (auch ganz unabhängig vom Ausgangspunkt) ja ganz besonders interessant. (Ein ganz besonders großer und schöner Baum, selbst wenn man gerade nicht darauf zulaufen sollte. :-D)

Angenommen wir nehmen jetzt die blau-markierte Note als aktuellen Ausgangspunkt.

Ist die rot-markierte Note dann möglicherweise ein genauso großer und schöner Baum wie die orange-markierte? Oder vielleicht sogar möglicherweise noch größer und schöner? Und wie groß/schön ist die lila-farbene im Vergleich dazu?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn du von Blau aus denkst, würdest du lieber bei Rot enden als bei Gelb. Fis, A, D ergeben nämlich einen D-Dur-Akkord, und den lässt du lieber auf dem Grundton D enden als auf der Quinte A. In diesem Zusammenhang wäre das D zwar der letzte Ton der Mini-Phrase, das A aber lauter, da es auf der 1 ist, und das D abphrasiert.
Gleichzeitig könnte (!) das D aber auch auftaktig zu dem verstanden werden, was als nächstes kommt. Wenn man es so sieht, müsste es aktiver und lauter gespielt werden, als wenn es nur abphrasiert ist. Ob man das so machen möchte oder nicht, ist Geschmacksache.

Grundsätzlich gilt immer: Man sollte sich nicht durch die Balkung der Noten irritieren lassen!
 
Sie dient der Orientierung. Die Noten sind meistens so gruppiert, dass man Zählzeiten oder zumindest die Taktmitte erkennt (bei Zweiertakten). Manchmal wird absichtlich davon abgewichen, um z.B. zu kennzeichnen, welche Hand etwas spielen soll, ab und zu auch um Zugehörigkeiten zu kennzeichnen. Meistens hat sie aber mit der Musik unmittelbar nicht direkt zu tun. Ich lasse mich gern korrigieren...?!
 
Wenn du von Blau aus denkst, würdest du lieber bei Rot enden als bei Gelb. Fis, A, D ergeben nämlich einen D-Dur-Akkord, und den lässt du lieber auf dem Grundton D enden als auf der Quinte A. In diesem Zusammenhang wäre das D zwar der letzte Ton der Mini-Phrase, das A aber lauter, da es auf der 1 ist, und das D abphrasiert.

Gleichzeitig könnte (!) das D aber auch auftaktig zu dem verstanden werden, was als nächstes kommt. Wenn man es so sieht, müsste es aktiver und lauter gespielt werden, als wenn es nur abphrasiert ist. Ob man das so machen möchte oder nicht, ist Geschmacksache.
Vielen Dank auch für diese Ausführungen.
Damit wären wir jetzt beim eigentlichen Kern meiner Frage. :-)

Einerseits
• endet ein (vielleicht der zunächst naheliegende) musikalische Sinnzusammenhang auf dem d,
• was ja zusätzlich auch zu Beginn des zweiten Taktes der linken Hand schon so ähnlich vorkam.

Andererseits
• könnte das d aber eben auch (was vielleicht nicht im ersten Moment naheliegend ist) Auftakt zum folgenden musikalischen Sinnzusammenhang sein,
• wofür man möglicherweise das ebenso auftaktige Thema als Unterstützung aufführen könnte.

Dazu kommt noch, dass
• die zweite Zählzeit in dieser Invention ja eigentlich das geringste Gewicht besitzt,
• Bach aber in jenem 5. Takt auf gerade diese zweite Zählzeit einen ganz besonderen Baum (Triller Mordent) gepflanzt hat.
Und dann könnten ja auch weitere Argumente vorhanden sein, die ich bisher übersehen habe. :denken:
(Es war ja kein Zufall, dass ich für meine Frage gerade jenen Takt ausgewählt habe. :-))

Verstehe ich dich richtig, dass du persönlich beide der von dir genannten Möglichkeiten für in etwa gleich schlüssig erachtest, aber leicht zur ersteren tendierst?
Falls du leicht zur ersteren tendierst: Warum?
Würdest du in Vorbereitung auf ein Konzert über jene Stelle bewusst entscheiden? Oder bewusst die Eingebung während des Konzerts entscheiden lassen?
Eigentlich hatte ich mir mit diesem Thread also einen Austausch über jene Frage(n) erhofft. :-|

Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass diesbezüglich alle hier die exakt selbe Ansicht haben?

[...] der letzte Ton der Mini-Phrase [...]

[...] abphrasiert [...]
Oh oh, wenn das der @mick sieht. :-D
 
Zuletzt bearbeitet:

Danke! :-)
Aber du gehst in deiner Antwort davon aus, dass mir das nicht bewusst wäre, obwohl es das ist.
Stimmt nicht. Ich habe bereits geschrieben, dass Ihr im Prinzip das Gleiche sagt, nur dass es in der Akzeptanz Unterschiede gibt.
Und nur weil jede Wanderung anders sein kann, bedeutet das nicht zwangsweise, dass jede Note ein gleich-plausibles Zwischenziel darstellt.
Das ist natürlich korrekt.

Hehe, vermutlich würde er sich bestätigt fühlen. Stilblüte schreibt nämlich genau das gleiche, nur mit anderen Worten:

Einerseits
• endet ein (vielleicht der zunächst naheliegende) musikalische Sinnzusammenhang auf dem d,
• was ja zusätzlich auch zu Beginn des zweiten Taktes der linken Hand schon so ähnlich vorkam.

Andererseits
• könnte das d aber eben auch (was vielleicht nicht im ersten Moment naheliegend ist) Auftakt zum folgenden musikalischen Sinnzusammenhang sein,
• wofür man möglicherweise das ebenso auftaktige Thema als Unterstützung aufführen könnte.
Diese von Dir weiter vorne bereits (etwas kürzer) gestellte Frage hat Mick mit "dem einfachen aber nicht banalen Ja" beantwortet, Stilblüte hat es mit "mehrfach Zerschnippeln" verbildlicht, Rolf mit "Demonstration", Hasi mit "nicht geplant"...

Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass diesbezüglich alle hier die exakt selbe Ansicht haben?
Richtig!!! Und keine Ansicht muss besser oder schlechter sein. Wenn Du das akzeptieren kannst?
 
Verstehe ich dich richtig, dass du persönlich beide der von dir genannten Möglichkeiten für in etwa gleich schlüssig erachtest, aber leicht zur ersteren tendierst?
Falls du leicht zur ersteren tendierst: Warum?
Würdest du in Vorbereitung auf ein Konzert über jene Stelle bewusst entscheiden? Oder bewusst die Eingebung während des Konzerts entscheiden lassen?
Die rote Note wird / würde für mich immer einen auftaktigen Charakter haben. Die Frage ist, wie viel Raum ich dem gebe und wie offensichtlich hörbar ich dies mache. Ich weiß nicht, ob ich das vorher festlegen würde. In einem verhältnismäßig einfachen Stück wie dieser Invention vermutlich nicht. Wenn Suitensätze Wiederholungen haben, könnte man da auch variieren. Es ist auch möglich, den Ton gleichzeitig abphrasiert und auftaktig klingen zu lassen - so paradox das klingt. Das hängt mit der Dynamik und Agogik der Töne davor und dahinter zusammen und kann schriftlich kaum erklärt werden.
 
Grundsätzlich gilt immer: Man sollte sich nicht durch die Balkung der Noten irritieren lassen!
Bach setzt Balken sehr bewusst und sie drücken bei ihm immer etwas aus. Das kann man am besten in seinen erhaltenen Handschriften und Originaldrucken sehen. Sogar die Schwünge der Balkenlinien sagen etwas aus - diese gehen leider in modernen Drucken völlig verloren. Im konkreten Beispiel: wenn Bach abweichend von der Konvention das d quasi auftaktig verstanden haben hätte wollen, dann hätte er dort ein Fähnchen statt Balken verwendet.
 
Es sei denn, dass er mit der Analogie gleichzeitig auch zum Ausdruck bringen will, dass jede einzelne Note gleichberechtigt zwischenzeitliches Ziel sein kann. Was mich doch sehr wundern würde.

Es würde mich wundern, wenn in einem Musikstück (vor allem in einem guten) nicht jede Note gleichberechtigt wäre. Wo will man da die Grenze ziehen? Oder ist es nach dem Motto: "Blind ist, glaube ich, am schlimmsten. Dann lieber taub, oder 'ne Hand weg. Brust weg ist auch nicht schön - also bei Frauen jetzt. Rollstuhl find ich in etwa wie taub, nur dass man mehr mitkriegt."? :-D
 
Zumindest sagt man Bach ja nach, dass bei ihm keine einzige Note zu viel oder zu wenig ist.
 
Lieber Peter,

ich stimme deinen Aussagen ja voll und ganz zu.

Nur:
Der Kern meiner ursprünglichen Frage, das worauf ich bei der Erstellung dieses Themas eigentlich abgezielt habe, sind genau jene Fragen, auf die du (und auch so gut wie jeder andere, der sich hier bisher zu Wort gemeldet hat) gerade nicht eingegangen bist:
• Verstehe ich dich richtig, dass du persönlich beide der von dir genannten Möglichkeiten für in etwa gleich schlüssig erachtest, aber leicht zur ersteren tendierst?
• Falls du leicht zur ersteren tendierst: Warum?
• Würdest du in Vorbereitung auf ein Konzert über jene Stelle bewusst entscheiden? Oder bewusst die Eingebung während des Konzerts entscheiden lassen?
Auch habe ich in diesem Zusammenhang nie von "besser oder schlechter" gesprochen. Wie du also darauf kommst, dass ich eine der von Stilblüte genannten Möglichkeiten als absolut gesehen besser oder schlechter erachten könnte, ist mir leider ein Rätsel.

Es geht mir ausschließlich um Gedankenaustausch mit Begründung, auf dessen Basis ich meine eigene, persönliche Einschätzung (die ich selbstverständlich schon habe) zusätzlich hinterfragen/verfeinern/untermauern/... kann.

(Und ehrlich gesagt wundert es mich schon etwas, wie man das an dieser Stelle noch immer nicht verstanden haben kann.)

Leider haben bisher nur @Stilblüte, @gorgre und @Monte zu dieser Fragestellung etwas beigetragen.
 
Bach setzt Balken sehr bewusst und sie drücken bei ihm immer etwas aus. Das kann man am besten in seinen erhaltenen Handschriften und Originaldrucken sehen. Sogar die Schwünge der Balkenlinien sagen etwas aus - diese gehen leider in modernen Drucken völlig verloren. Im konkreten Beispiel: wenn Bach abweichend von der Konvention das d quasi auftaktig verstanden haben hätte wollen, dann hätte er dort ein Fähnchen statt Balken verwendet.

Das halte ich für eine ziemlich gewagte These. Es gibt überhaupt nur ganz wenige Stellen, an denen Bach von metrisch gruppierten Balken abweicht. Und da, wo er es tut, tut er es oft noch nicht mal konsequent. Beispiel:

bach_ciacona.png

Alle anderen mehrstimmigen Stellen in dieser berühmten Ciacona sind übrigens stur durchgebalkt.

Im Doppelkonzert BWV 1043 sind identische Stellen in den Soloviolinen teilweise unterschiedlich gebalkt - dass da eine Absicht hintersteckt, ist kaum vorstellbar. Ich will nicht ausschließen, dass es Stellen bei Bach gibt, bei denen die Balkung tatsächlich eine musikalische Aussage trifft, aber es dürfte doch eher Ausnahme als Regel sein. Und an der fraglichen Stelle der Invention kann man durchaus annehmen, dass Bach auch dann kein Fähnchen geschrieben hätte, wenn er eine auftaktige Artikulation gewollt hätte. Sowas hat er dem Geschmack des Interpreten überlassen.
 
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