Guten Morgen,
gerne mal kurz fachliche 2Cents zum Thema individuelle Otoplastik vs. Silikonschirme (Domes, Life Tips, etc...)
Leider hat sich bei dem Thema mittlerweile ein grundsätzliches Missverständnis breitgemacht, und zwar nicht nur hier sondern auch erstaunlicherweise in Teilen der Fachwelt.
Die Versorgung mittels Otoplastik (historisch seit Jahrzehnten so duchgeführt) ist
nicht gleichzusetzen mit einer akustisch geschlossenen Versorgung!
Geschlossen bedeutet (verkürzt!), das die Zusatzbohrung zur Belüftung des Gehörgangs akustisch unwirksam für ein- und ausströmenden Schallwechseldruck ist.
Otoplastik ist zudem ist der Obergriff für der persönlich Anatomie des äusseren Gehörgangs angepassten Ohrpasstückes aus verschiedensten Materialien und Einsatzzwecken (auch z.B. Gehörschutz...)
Ziel bei einer Hörgeräteversorgung mit Otoplastik ist ein anatomisch perfekter Sitz im äusseren Gehörgang/Ohrmuschel (Fertigungsgenauigkeit unter 1/10 mm) um folgende Dinge zu erreichen:
- sicherer Halt des Hörsystems auf der Ohrmuschel (insbesondere auch in "Maskenzeiten" relevant)
- sichere Handhabung
- Schutz der externenen Hörers durch Cerumenfilter etc,
und am bedeutensten:
- akustisch präzise und berechenbare Führung das austretenden Schalls Richtung Gehörgang und Trommelfell!
Richtig berechenbar wird das für ein modernes Hörsystem nur, wenn die exakte Position des Schallaustrittes im Gehörgang und der Anteil des ein- und ausfliessenden Schalldrucks immer exakt gleich bleibt, was nur bei einer individuellen Massotoplastik sicher gestellt werden kann.
Der Anteil des passierenden Schalls im Gehörgang wird durch eine exakte Zusatzbohrung definiert, die audiologisch passend für den Hörverlust gewählt werden kann und in die Otoplastik eingearbeitet wird.
So ist auch
mit Otoplastik eine akustisch offene Versorgung möglich (und auch häufig audiologisch sinnvoll)!
Bei der Anpassung mit Silikonschirmen fallen alle oben genannten Punkte leider hinten rüber ...
Diese gibt es in verschiedenen Standardgrössen und "Dichtheiten", und werden PI mal Daumen für den Gehörgang ausgewählt....
Wenn man Glück hat, passt irgendein Schirm zufällig ganz gut, und der Hörgeräteträger kriegt das motorisch auch gut gewuppt das Teil reinzudröseln.
Wenn man jetzt das Hörsystem darauf einmisst, kann das auch im ersten Augenblick gut klingen!
Aber schon beim zweiten Einsetzen kann die Position im Gehörgang eine ganz andere sein! (Da ist die präzise Berechnung dann inne Bux...)
Zudem gibt es Schirmchen, die den Gehörgang so komplett verschliessen das
keine Luft und kein Schall mehr Richtung Trommelfell durchkommen, die Versorgung
also akustisch geschlossen ist...
Wenn es also audiologisch gesehen fast nur Nachteile für Schirmchen gibt, warum wird das überhaupt gemacht?
- fühlt sich im Gehörgang gut an (schönes weiches anschmiegbares Silikon)
- geht sehr schnell anzupassen (Otoplastiken sind Handarbeit und dauern...)
- ist deutlich billiger (keine Handarbeit...)
und am wichtigesten:
- sieht am Hörsystem gut aus (nicht dieser furchtbare "Klumpen", Marketing etc...)
Und das ist leider die Krux an der Entwicklung von Hörgeräten seit jeher! Die audiologischen Gesichtspunkte (und damit vor allen Dingen die akustische Qualität) sind immer
weit unterhalb der optischen Faktoren priorisiert worden!
Es wäre heute ein leichtes eine moderne Hörgerätetechnik zum Beispiel mit einem Mehrwege In Ear Monitoring mit höchster akustischer Qualität zu kombinieren (das dann allerdings die ganze Ohrmuschel ausfüllt) und dem Hörgeräteträgern ein perfektes akustisches Erlebnis zu bieten.
Bis dato hat sich das aber kein Hörgerätehersteller getraut... weil es 99% optisch ablehnen würden...
Die Hörgeräteträger haben es also langfristig selbst in der Hand