@ Haydnspass:
Gut, das ist deine Meinung. Wenn du meinst, es seien grässliche Knochenbrecherübungen, dann lass sie doch weg.
Ich mach seit Jahren Cortot-Übungen, auch mit den meisten Schülern. Ich glaube behaupten zu können, dass sie funktionieren und noch niemand fand sie grässlich, weil ich den Sinn davon erklärt habe.
Es ist nur einfach so, dass zufälligerweise praktisch jeder*, den ich kenne und der mE Klavierspielen kann, ziemlich genau so üben würde (zumindest Übbeispiele 1-6).
*Pianisten, Konservatoriumsdozenten, Musikwissenschaftler
Es geht hier nämlich nicht um irgendwelche fiesen Dinge, die sich der Cortot ausgedacht hat, um all die Genies zu ärgern, denen die Chopin-Etüden grundsätzlich schon wunderbar in der Hand liegen zum angenehm spielen ;)
Es geht um ein technisches Prinzip, und es geht darum, eine Bewegung zu verstehen. Cortot denkt fast immer in Bewegungen.
Cortot ist nach wie vor (trotz seiner vielen falschen Noten) einer der ganz grossen Pianisten und vor allem ein riesiger Pädagoge. Ich denke man sollte sich zumindest mal Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was er schreibt. Denn er hat jahrzehntelang darüber nachgedacht, wie man Klavier spielt, und bei allem Respekt, aber ich glaube nicht dass wir alle nur annähernd soviel Ahnung vom Klavierspiel haben wie er hatte.
Ich wüsste gerne, wie du denn die Etüde übst, wenn nicht so wie Übung 1? Genau DARUM geht es nämlich bei dieser Etüde.
Oder wie du es zB hinkriegst in der E-Dur Etüde, dass die die Sechzehntel rechts ganz gleichmässig leise sind und die Oberstimme nicht berühren? Hätt ich gern mal gehört. Das ist nämlich die Kunst in dieser Etüde, es geht nicht ums Töne treffen, sondern um die Polyphonie.
Es ist völlig okay wenn du diese Übungen nicht magst und deshalb nicht für notwendig erachtest. Aber du solltest nicht über ein Prinzip und eine Schule urteilen, die nun immerhin 80 Jahre alt ist und während Generationen von unzähligen Klavierprofessoren an noch unzähligere Studenten und von denen an Millionen von Schülern weitergegeben wurden.
Ich kenne so ziemlich keinen Pianisten- und Pädagogenkollegen, der Cortot nicht zumindest für richtig und gut befindet, selbst wenn er nach einer andern Schule übt oder unterrichtet.
Ich gebe zu, diese Cortot-Ausgaben sind mE etwas altbacken vom Layout her (die Franzosen sind sich ja vieles gewöhnt hehe) und der Notentext ist für meine Begriffe viel zu eng und vollgepackt (weil er ja immer auch versch. FiSä usw macht). Da müsste man deutlich verbessern.
Aber was er übers Klavierspielen schreibt, ist 1A.
Ich mache auch nicht jede der Übungen, und schon gar nicht lange oder 100x die ganze Tastatur runter; es geht nur ums Prinzip. Du kannst dir denken, dass zB die Spreizübung (1) nicht für jeden gleich gewichtet ist, denn ich habe grosse Hände. Ich komme super auf das e. Aber ich muss diese üben, um sauber mit dem Daumen nachher auf das c zu kommen und umzusetzen.
Die Abstände (v.a. Dezimen, Nonen) müssen blind geübt werden, bis sie gespeichert sind. Test1: schliess die Augen und spiele die Übung 1 blind. Test2: Augen zu behalten, RH auf dem Bein liegend. Jetzt heb die Hand und spiel eine saubere Dezime.
DARUM GEHTS unter anderem!!!
Ich selber übe selten aus dem Cortot, wie gesagt ists mir zu eng (das hat aber nichts mit dem Inhalt zu tun). Wenn ich Chopin übe, nehme ich meist die Henle Urtext (tolles Schriftbild, ermüdet nicht) und habe die andern Ausgaben offen neben dem Flügel liegen, um Fingersätze etc zu vergleichen und ggf zu ändern: Peters, Cortot, Wiener Urtext, Paderewski (auch geile Fingersätze)!
Bei Liszt ja zB auch die Emil von Sauer Ausgabe.
Nochwas zu den Fingersätzen: Ich trau auch nicht allem was dasteht, ich ändere sehr viel da ich eine grosse und breite Hand habe. Viele Fingersätze sind eher für die "Normalmasse" angedacht.
Ich denke aber, dass ein Herausgeber wie Cortot, Paderewski, von Sauer, Isidor Philipp, Ashkenazy (u.a. "Bilder einer Ausstellung" bei Wiener Urtext) etc sicher mehr von Klavier versteht als diese Würste, die zT für die Verlage die FiSä gemacht haben. Den grossen Pianisten glaub ich sofort, dass ihre Fingersätze auch im schnellen Tempo funktioniern. Klar, jeder hat eine andere Hand, aber generell sollte man diese FiSä zumindest mal in Betracht ziehen!
Tut mir echt leid wenn mein Geschreibe jetzt vielleicht etwas angriffig daher kam, ist nicht so gemeint!
Ich muss Cortot ja auch nicht verteidigen, denn er spricht für sich und ich hab auch keine Aktien vom Verlag. ;)
Ich hatte einfach das Gefühl, hier kritisiert jemand etwas, das er so gar nicht richtig zu Ende gedacht hat.
Wenn du diese Chopin-Etüden so schön spielen kannst, ohne all diesen Übungsklimbim, dann herzliche Gratulation!
Hätte gern mal ne CD von dir, wenns geht signiert. :D