Vielleicht habe ich mich etwas unklar ausgedrückt - mir geht es nicht primär darum prima vista spielen zu können, sondern vor allem bei Stücken die ich übe und - noch - nicht auswendig kann schneller zu werden
Hier wie auf Seite 5 angekündigt meine Anleitung zur Erhöhung des Tempolimits und für ein schnelleres Blattspiel.
Es handelt sich dabei nicht um ein Wundermittel, sondern eine simple aber richtungsweisende Starthilfe.
Was die Dauer der gesamten Prozedur betrifft, so ist in jedem Fall ein längerer und individuell oft sehr unterschiedlicher Zeitraum anzusetzen.
Grundgedanke:
In Punkto Tempolimit und Blattspielfähigkeit entfalten wir auch bei regelmäßigem Üben nicht unbedingt unser volles Potential. Dies kann sowohl durch Unter- wie auch durch Überforderung begründet sein.
Abhilfe:
Basisorientiertes Üben in sinnvoll aufeinander abgestimmten Einzelschritten.
Schritt 1
Wir wählen ein zu unseren Fähigkeiten passendes Projekt, für das wir nach realistischer Einschätzung in einem überschaubaren Zeitraum die Vorgaben der Schritte 2 und 3 bewältigen können.
Schritt 2
Wir üben für jede im Projekt vorkommende Spieltechnik eine passende Auswahl technischer Studien, in mindestens einer, nämlich der aktuell vorliegenden Tonart. Wir schaffen damit eine Basis, an welcher das Projekt in jedem Moment sicher andocken kann.
Mit “andocken” ist gemeint, dass ein Notenbild an der Basis eine Resonanz erzeugt und damit eine Klangvorstellung mit Bewegungsimpuls auslöst.
Grundelemente der Basis sind z.B. Tonleitern, Terzfolgen, Standardsequenzen (Siehe Beispiel-PDF).
Diese bilden mit der Zeit netzartige Strukturen, weshalb sie sich in ihrer Wirkung nicht nur addieren sondern potenzieren.
Eine Resonanz wird unterbunden durch Denkblockaden z.B. aufgrund von Ähnlichkeitsinterferenzen oder Orientierungsproblemen bei zu komplexem Notenbild.
Schritt 3
Wir beseitigen alle technischen Engpässe des Projektes und zwar durch Bildung abgeleiteter Schleifenfiguren.
Technische Engpässe können sein:
a) Klarinette: schwierige Griffwechsel, besonders hohe Töne usw.
b) Klavier: Lagenwechsel, Fingerübersatz usw.
Die Schleifenfiguren spielen wir
a) jede einzeln für sich
b) benachbarte zusammengefasst
Entscheidend für nachhaltige Temposteigerung ohne Verspannungen:
Schnelles Tempo nur innerhalb kurzer Sprintintervalle (Doubletime), eingebettet in eine langsame Folge derselben Figur.
Ausführung:
- Nicht zu viele Wiederholungen an einem Stück. Zwischendurch kleine Pausen.
- Langsam anfangen. Tempo behutsam steigern.
- Die eigenen Grenzen nur berühren, nicht zu durchbrechen versuchen aber dranbleiben.
- Immer auf gute Tonqualität achten.
Schritt 4
Zusammenfassend entweder das ganze Projekt oder einzelne längere Passagen bei mittlerem Tempo durchspielen. Das Tempovermögen wird dabei mit der Zeit stetig anwachsen.
Fortsetzung:
Weitere, zunehmend komplexere Projekte folgen lassen. Basis entsprechend erweitern (z.B. Arpeggios für Jazz).
Beispiel:
Da die Frage von einer Klarinettenspielerin kommt, füge ich zur Demonstration, sozusagen als "Beispielprojekt", eine kleine Blattspielübung aus meinem Blockflötenfundus hinzu (im PDF-Format).
Als weitere Übungsprojekte eigenen sich besonders gut z.B. irische Fiddle Tunes oder anderes Material mit vielen gleichartigen Notenwerten.
Gruß, Jerry