Naja, ich find es einfach nur hässlich, den Grave Teil zu wiederholen. Weil am Ende der Exopsition geht es ja vom Dominantseptakkord Es-Dur nach Chopinakkord in As-Dur. Da ja die große Sexte im As-Dur-Akkord vorhanden ist (F ist der Ton), ist das Endziel Des-Dur (der Anfang vom Grave-Teil). Und dann im Graveteil der plötzliche Wechsel von Des-Dur zu Cis/Des-Moll. Das ist mir zuviel Modulation und hört sich einfach nur schlecht an...
Lieber ubik,
erstens ist ein Wechsel des Tongeschlechts (also plötzlich Moll statt Dur oder umgekehrt) gar nicht so selten und auch nicht zwingend notwendig "häßlich";
zweitens kann von
Plötzlichkeit keine Rede sein!!
Denn die des-Oktave zu Beginn des Grave dauert so lange, wie zwei Takte Doppio Movimento!! Also diese Oktave dauert ungefähr genau so lang, wie jeder der beiden Akkorde am (offenen) Ende der Exposition.
ich hab drei Notenbeispiele angehängt - bevor es da Einwände hagelt, weil ich das des im ersten Notenbeispiel als zwei Ganze notiert habe:
- ein Grave-Takt = zwei Doppio Movimento Takte
- das b-Moll Getrappel Takt 5-8 entspricht zwei Grave Takten
- Grave Takt 1 & 2 operiert mit der Täuschung bzgl. des scheinbaren Grundtons des zwei Takte lang
Ich hatte empfohlen zu hören - dazu muß man sich auch die Zeit nehmen und es wirklich tun! Der allererste Klang der Sonate ist eine leere Oktave Des-des, und diese dauert nahezu einen ganzen Grave-Takt (!!) lang. Und zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, was diese Oktave meint.
Aber hören soll man sie, denn Chopin schreibt sie nicht aus Jux oder Verlegenheit hin.
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Überreden will ich niemanden, die Wiederholung nicht - wie meist praktiziert, wenn man denn überhaupt wiederholt - in Takt 5 einzusetzen. Aber anregen, darüber nachzudenken, was dort passiert und vor allem, auf Grund welcher Überlegungen man eine Entscheidung trifft. Von einer Entscheidung wie "viele machen das so, also ich auch" sowie von einer Entscheidung aufgraund von Hörgewohnheiten wie "anders als gewohnt find ich´s häßlich" halte ich nicht viel. Was man sich eingeflößt hat über häufiges Hören (J. Kaiser bezeichnet das als das präfiguriert sein von den Lieblingsaufnahmen!) betrifft, so muss das, was man oft gehört hat, nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Z.B. Artur Rubinstein spielt das Grave furchtbar schnell: kaum ist die des-Oktave angeschlagen, so folgt schon wie mit einem Vorschlag die tiefe e-Oktave - das ist da beinahe so, als seien Grave und Doppio Movimente im Tempo identisch: hätte man sich nun das immer angehört, würde man anderes als Abweichungen wahrnehmen - - aber wäre es denn richtig, zwischen Grave und Doppio Movimento keinen Tempounterschied zu machen?
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was das Hören der Harmonien betrifft, so ist sehr fraglich, ob man von Takt 1 bis zur Mitte von Takt 2 "Moll" hört, denn das tiefe aufgelöste e bedeutet nach dem vorangegangenen des noch nicht, dass hier Moll vorliegt - - um das verständlich zu machen das zweite Notenbeispiel :)
die leeren Oktaven und ihr Intervall (verminderte Septime, die
hinterher als changierend ob verm. Sept oder gr. Sext (Moll) erscheint) des-e sind kein Allerweltsanfang: sie tauchen im Finale wieder auf!
bzgl. der Harmonik Takt 1-4 nochmals:
weder e-#c-#g-#c (so in manchen Ausgaben) noch e-des-as-des ist ein Mollakkrod (cis- oder des-Moll) - das
erscheint nur so im Klang (und soll auch diese täuschende Wirkung haben), sondern dieser Klang ist ein chromatischer (leittöniger)
Vorhalt zum "Chopinakkord" in Moll (also ein Dominantseptakkord mit kleiner (!!) Sexte anstelle der Quinte):
cis/des---des---c---
gis/as===a-----a----
--------- es----es---
e======f------f----
1.-------2.-----3.---
-----bleibt gleich
====chromatische (leittönige) Vorhalte
1. Vorhalt
2. F-Dur 7 mit kleiner Sexte statt Quinte (Chopinakkord in Moll)
3. hurra, der ganz normale Dominantseptimakkord von b-Moll
Zum Hören kommt natürlich auch das Verstehen und das vergleichende Wissen hinzu. Ohne die Kenntnis, dass die Tonlinie des-e-f zunächst gar nichts Besonderes, sondern eigentlich recht Gewohntes Material ist (dazu das ulkig konventionelle Notenbeispiel 2),
gäbe es die überraschende erstaunliche Wirkung des Vorhaltakkords in Takt 2 nicht - - und dieser Vorhalt ist eine erstaunliche Vorausschau auf das, was ab der Mitte des 19. Jh. in der Harmonik auftauchte. Allerdings, und dazu Notenbeispiel 3, ist das Gerüst der Einleitung (Melodie und Bass) sehr überschaubar und wohlproportioniort und auch gar nicht sonderlich auffällig; das Auffallende oder Herausragende ist Chopins Akkordik
Wen das alles wirklich interessiert, den bitte ich, die kinderleichten drei Notenbeipiele sehr langsam zu spielen und genau hinzuhören - vielleicht ändert sich ja der voreilige Eindruck, dies oder jenes sei häßlich ;):)
Gruß, Rolf