Danke, Blüte!
Liebe Stilblüte,
erstmal vielen Dank für deinen super Beitrag im Blog! Da ich ja neu hier bin, habe ich ihn jetzt erst (zufällig) gefunden, aber mit größter Aufmerksamkeit gelesen und ja, vieles wiedererkannt.
Dieses Festmachen vor schwierigen Stellen und das letztendliche Rausfliegen, das einem dann hin und wieder ganz unweigerlich passiert, kenne ich natürlich auch und habe mich auch schon gefragt, woher das kommt. Meine Überlegungen waren damals zu dem (damals für mich sehr verwunderlichen und neuen) Schluss gekommen, dass es eigentlich nie an den Fingern liegt, wenn eine Stelle nicht klappt, sondern am Kopf. Ich habe vielfach bemerkt (bei mir und auch bei anderen), dass man sich eine Stelle oft "schwer denkt" und dann nicht "loslässt" wie du sagst und schwupps, ist man verspannt und motorisch und geistig zu sehr eingeängt, um die Stelle zu spielen - d.h. entweder klappt sie gar nicht erst oder aber man kommt halt irgendwie durch, ist aber total unzufrieden mit der Gestaltung der Stelle, weil man alle Mühe hatte, irgendwie da durch zu kommen.
Wie du schon in deinem Blog schreibst und wozu man vielleicht erstmal denken mag "naja, so neu ist das jetzt nicht": Es ist tatsächlich so wichtig, nicht zu früh schnell spielen zu wollen, selbst wenn es schon irgendwie gehen würde... Ich kenne diese Versuchung ja auch: Da hat man ein neues Stück, endlich hat man es halbwegs in den Fingern und will es so schnell es geht können. Dann spielt man es so schnell es geht im Tempo, es geht irgendwie, aber es bleiben immer ein paar Stellen, die einfach nicht ordentlich sind. Man denkt sich diese Stellen schwer, weil es ja immer eine Frage des Zufalls zu sein scheint, ob sie klappen oder nicht und beim Rest geht die Genauigkeit geht verloren, auf die man sich später verlassen möchte. Überhaupt, dieses Gefühl, sich auf sich und das Stück "verlassen" zu können - das ist meiner Meinung nach viel wert und vielleicht notwendig, um zu dem von dir beschriebenen Entspanntsein zu gelangen. Dann muss man nicht ständig auf jedes Tönchen "aufpassen", sondern kann das geschehen lassen, was man zuvor erarbeitet hat. Und: Man kann gezielt in den Vorgang eingreifen, wenn man merkt, dass es nicht so kommt, wie man es möchte (in welcher Form auch immer: Wenn man zu schnell spielt, weil man nervös ist - Wenn man eine Stelle nicht ordentlich gestaltet - etc...)
Außerdem denke ich sehr stark in Bewegungen anstatt in einzelnen Tönen - erstens natürlich auch, um nicht jeden einzelnen Ton denken zu müssen, aber auch am Anfang des Erlernens eines Stückes, um herauszufinden, was am Logischsten ist für den gesamten Spielapparat. Vom Fingersatz her, von der Bewegung des Armes, des Handgelenkes usw...
Ich erinnere mich noch an zwei Situationen mit einem guten Freund von mir, der auch ganz gut Klavier spielt:
Einmal hatte er eine Stelle, die partout nicht ging und ich fand ganz klar, dass er sie sich schwer gedacht hatte. Da habe ich ihm gesagt (damals mit vollster Überzeugung, weil ich es ja gerade erst bei mir selbst herausgefunden hatte und es mir soviel gebracht hatte, das zu verstehen): "Du musst dir die Stelle einfach denken!" - Reaktion seinerseits ein dickes rotes Fragezeichen mit der Frage, ob wir jetzt ins Esotherische abdriften... ;) Mittlerweile weiß er aber, was ich damals gemeint hatte und es hat ihm auch geholfen, im Kopf und nicht in den Fingern anzusetzen.
Situation zwei: Eben derselbe zeigte mir eine Stelle und fragte sich, wie die überhaupt spielbar sei mit dem Fingersatz, den er da nimmt. Dann hat er sie mal gespielt und ich fand seinen Fingersatz einfach total unnatürlich für seine Hände und diese Stelle. Da habe ich ihn gefragt, wieso er den Fingersatz überhaupt nähme - er meinte, weil er genau so in den Noten stünde. Daraufhin habe ich ihm geraten, sich mal ohne wirklich zu spielen einfach die Bewegung anzuschauen, die seine Hand an der Stelle natürlicherweise vollziehen würde, um die Töne nacheinander zu erreichen, so wie es in den Noten stand und siehe da, so kam er auf einen ganz anderen Fingersatz, der sofort geklappt hat.
Das waren damals für mich zwei Meilensteine, als ich das mal begriffen hatte: ergonomisch denken für den gesamten Spielapparat und es erstmal mit den natürlichen Bewegungen versuchen und in ebensolchen denken - sich Stellen nicht schwer denken, sondern wenn eine Stelle nicht klappt, erstmal schauen, ob es nicht schon wieder am Kopf liegt, weshalb sie nicht klappt...
Übrigens bringt es meiner Meinung nach auch genau aus dem Grund durchaus viel, auch mal mental zu üben und nicht mit dem Klavier. Damit kommt man erstaunlich weit. Vor allem, wenn man mal ein Stück im Kopf genau durchgeht, von dem man glaubt, es zu können - dann merkt man ganz genau, an welchen Stellen man es nun doch nicht so ganz genau kann. Dann greift man nämlich nicht einfach die Tasten, weil man es so im "Greifgefühl" hat - man hat ja gar keine Tasten vor sich - sondern man merkt, dass man eigentlich gar nicht genau weiß, wie es weitergeht. --> ertappt ;)
In jedem Fall vielen Dank, Blüte, für deine genauen Ausführungen deiner Gedanken. Ich finde es super, dass du dir die Mühe machst, das so genau aufzuschreiben - dadurch steht es uns allen zur Verfügung und jeder einzelne kann für sich schauen, ob ihn das weiterbringt. Mich jedenfalls bestätigt es in dem, was ich auch schon festgestellt habe.
liebe Grüße von der Partita